Erstellt am: 15. 5. 2014 - 17:21 Uhr
Netzneutralität gesichert
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FM4 Homebase Europa: Das digitale Europa zwischen Datenschutz und Netzneutralität. Am Donnerstag, den 15. Mai, von 20 bis 21 Uhr auf Radio FM4 und hinterher für 7 Tage on Demand
Thomas Lohninger ist Österreichs umtriebigster Netzaktivist: Der Endzwanziger ist überall dort engagiert, wo es um ein politische Auswirkungen auf das Internet geht. Er schreibt unter anderem für netzpolitik.org undnetzkinder.at und spricht für die Initiative Netzfreiheit.
Andererseits versucht Lohninger auch über das Internet die Politik zu verändern, diesen Frühling zum Beispiel in Brüssel, wo er bei der Initiative Save The Internet für eine europaweite Verankerung der Netzneutralität gekämpft hat.
Das EU-Parlament stand nämlich kurz vor der Entscheidung, die Gleichbehandlung aller Daten im Netz abzuschaffen - und damit das gerne genannte "Zwei-Klassen-Internet" einzuführen. Im Interview mit FM4 spricht er darüber, wie es mit der Netzneutralität jetzt weitergeht und wie man mit Faxen das Internet rettet.
Thomas, du hast in den vergangenen Monaten in Brüssel für den Erhalt der Netzneutralität gekämpft. Wie darf ich mir denn deinen Tagesablauf als "Lobbyist der Freiheit" vorstellen?
Thomas Lohninger
In Brüssel ist das so, dass man seinen normalen Büroalltag hat, man kommt also um 8 oder 9 ins Büro und versucht, möglichst viel mit Politikern zu kommunizieren, herauszufinden, was über Nacht passiert ist, worüber die Leute reden. Was ist der aktuelle Verhandlungsstand und wie können wir den an die Zivilgesellschaft kommunizieren? Ganz viel von unserer Arbeit in Brüssel ist es, zu übersetzen - aus dieser Bubble in Brüssel hinaus in die Öffentlichkeit - was gerade auf der Tagesordnung steht, wie die Leute davon betroffen sind, was sie tun können, um die Politik in ihrem Sinne mitzugestalten.
Von wem bekommt man denn da Informationen? Also von welchen Politikerinnen und Politikern?
In den meisten Fällen natürlich von den Leuten die uns positiv gesonnen sind. Also von denen, die unsere Ziele teilen, von Politikerinnen und Politikern, die sich auch für Netzneutralität einsetzen - und die gibt es ja in allen Parteien. Die haben Netzneutralität als wichtiges Thema erkannt und insofern hatten wir eigentlich eine recht gute Informationslage.
Es gibt eine Geschichte mit irrsinnig vielen Faxen die ihr verschickt habt. Wie das?
Als wir die Kampagne safetheinternet.eu gestartet haben, war uns von Anfang an klar, dass wir in kürzester Zeit viele Leute mobilisieren müssen und dem Parlament klar machen müssen: da sind viele Menschen, die dieses Thema wichtig finden und sich dafür einsetzen. Der klassische Weg ist immer, dass man den Leuten sagt, sie sollen anrufen oder eine Email schicken. Die beiden Wege haben aber auch Nachteile. Wirklich anrufen im Parlament zum Beispiel, da muss ich schon sehr textsicher sein, damit ich in so einem Gespräch meine Position rüberbringen kann. Wenn ich aber eine Mail schicke, dann bleibe ich oft im Spam-Filter hängen.
Wir haben dann also ein neues Tool gebaut, wo man seine Nachricht ans Parlament einfach in ein Textfeld reingibt, auf Abschicken klickt und dann kommt ein Fax aus der Faxmaschine im Büro eines Parlamentariers. Das hat einige Vorteile. Es ist "Internet-Ausdrucker"-fähig. Also für die, die ihre Emails nicht selbst lesen, sondern die Assistenten ausdrucken lassen oder sich zusammenfassen lassen. Die kriegen dann mit Papier eher etwas, das ihren Gewohnheiten entspricht. Und es gibt auch keine Spam-Filter bei Fax-Geräten. Da kommt Papier raus, das man dann auch anfassen kann. Das heißt, die Stimme der Leute kommt auch physisch im Büro an, bei den Leuten die das betrifft. Das ist auch weitaus schwieriger zu ignorieren. Und vor allem: Es ist auch nicht möglich, diese Fax-Geräte abzuschalten ohne gleichzeitig den Drucker abzuschalten. Das heißt, wir hatten da schon eine sehr gute Trefferquote.<<
Die Arbeit hat sich erstmal ausgezahlt. Das EU-Parlament hat Anfang April entschieden, die Netzneutralität - entgegen den Willen der Kommission - nicht abzuschaffen. Bist du mit diesem Ergebnis zufrieden?
Im Parlament haben wir es jetzt wirklich geschafft, dass das Prinzip der Netzneutralität festgeschrieben ist. Da haben wir es geschafft, dass sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit einer überragenden Mehrheit am Ende für das Prinzip der Gleichbehandlung aller Daten im Internet ausgesprochen haben. Damit haben wir jetzt wirklich einen Pflock eingeschlagen. Weil da geht es am Ende ja auch um Grund- und Menschenrechte. Um die Freiheit, dass alle gleichberechtigt kommunizieren und sich informieren können, sich politisch organisieren können, und eben auch um die Freiheit, Geschäfte machen zu können. Das betrifft auch ganz wirtschaftsliberale Ideen. Nämlich dass ein Start-Up genauso leicht mit Google in Konkurrenz treten kann, online und offline. Das ist das tolle am Internet: Wenn ich ein gutes Angebot mache, können da Millionen Menschen aufspringen und ich kann sehr schnell sehr erfolgreich werden. Aber eben nur, solange das Internet neutral ist und ich auch wirklich das ganze globale Internet bedienen kann.
Wobei, es soll ja dennoch Services geben können, die bevorzugt behandelt werden, dass darf dann aber "die Verfügbarkeit und Qualität des restlichen Internets nicht beeinträchtigen". Wie soll das gehen?
Das sind die sogenannten Spezialdienste, oder specialised services. Das ist einer der großen Streitpunkte in der ganzen Netzneutralitätsgesetzgebung, eigentlich in jedem Land das versucht hat, da Gesetze zu machen. Im Kern geht es darum, dass man zwar will, dass das Internet gleichberechtigt bleibt, alle Daten ohne irgendwelche Hemmnisse gleichberechtigt sind und sich niemand eine Überholspur kaufen kann. Gleichzeitig gibt es aber auch andere Dienste, die über dieselben Leitungen laufen, die mit dem Internet aber gar nichts zu tun haben. Zum Beispiel Telefon oder Fernsehen oder irgendwelche Medizinanwendungen, Bankomaten,... das sind alles Dinge, da kann ich eigene Qualitätskriterien haben, die für diese Dienste gelten sollen, aber die müssen eben getrennt sein vom Internet.
Aber um ganz konkret zu werden: Der Handyvertrag mit 4GB Internet plus irgendeinem speziellen Streamingdienst ohne Limit, das wird's in Zukunft nicht mehr geben?
Wenn das Gesetz so durchkommt, dann wird es das in Zukunft nicht mehr geben, genau. Weil wir eben das als eine Bevorzugung von manchen Diensten ansehen. Denn: Was macht der Konkurrenzdienst von z.B. Spotify, der auch gern sein Produkt auf Augenhöhe anbieten würde? Der muss dann extra einen Deal abschließen, mit jedem einzelnen Provider an dessen Kunden er heran will? Da schaffen wir einfach ganz neue Markteintrittsbarrieren, die auch für den Konsumenten nicht gut sind. Ich hab dann vielleicht die Wahl, mir dieses oder jenes Zusatzpaket zu kaufen, aber das ist nicht die Wahlfreiheit die wir vom Internet kennen. Wo alle Dienste gleichberechtigt sind, ich mir sozusagen einmal das ganze Internet kaufe und dann aber damit auch das machen kann, was ich machen will.
Hier werden nur neue Hürden geschaffen. Und für die Provider geht es einfach darum, mehr Kohle abzuschöpfen von dem ganzen Geld das übers Internet verdient wird. Die wollen nicht einfach nur die Infrastruktur und die Leitung sein über die die Bits fließen, sondern die wollen ein Stück vom Kuchen haben. Das dürfen wir ihnen aber nicht erlauben. Wenn sie wirklich das Geschäftsmodell nach ihren Vorstellungen ändern, dann haben wir nämlich die längste Zeit dieses innovationsstarke, offene Medium gehabt, und dann wird sich das Internet in einigen Jahren so in die Richtung von Kabelfernsehen entwickeln. <<
Jetzt ist der Europäische Rat an der Reihe, also die Fach-MinisterInnen der Mitgliedsstaaten. Was erwartest du dir jetzt eigentlich?
Das ist immer sehr schwierig zu sagen. Wir haben zwar ein wirklich tolles Parlament in Europa, der Rat, mit den einzelnen Ministerien und Regierungschefs, der ist aber wirklich sehr intransparent. Da ist es fast unmöglich, Informationen zu bekommen. Wenn man in Brüssel ist, dann kann man immer noch Dinge in den Gängen und Hinterzimmern hören, aber die sind leider bei weitem nicht so transparent wie sie sein sollten. Deswegen ist es ganz schwierig da einen Verhandlungsstand rauszuziehen.
Von dem was wir aktuell wissen, gibt es einige Länder die starke Befürworter der Netzneutralität sind, darunter Frankreich, die Niederlande, Slowenien, vielleicht auch Deutschland und Österreich. Und es gibt auch einige Gegner der Netzneutralität, wie Großbritannien, Spanien, Italien. Es könnte sein, dass wir noch im Herbst 2014 ein fertiges Gesetz zur Netzneutralität sehen, weil die nächste Ratspräsidentschaft, Italien, sich mit diesem Dossier wahrscheinlich sehr beeilen wird. Deshalb bleibt es auf jeden Fall spannend, und jetzt geht es darum, dass sich die Staaten mit diesem Thema beschäftigen. Das ist auch für uns ein bisschen Neuland. Es gab eigentlich noch nie eine wirklich europäisch koordinierte Kampagne um die Position von allen 28 Ländern im Europarat zu beeinflussen. <<
In den USA gibt es gerade eine ganz ähnliche Diskussion. Da war Netzneutralität eigentlich längst fix, aber vor ein paar Wochen hat die Regulierungsbehörde FCC dann einen Vorschlag präsentiert, der Providern erlauben soll, ein Mehrklassennetz in irgendeiner Form anzubieten. Wie schätzt du die Situation dort ein?
Die Debatte um die Netzneutralität ist jetzt auch in den USA entbrannt. Nachdem wir sie in Europa geführt haben, nachdem Brasilien ein Gesetz zum Schutz der Netzneutralität verabschiedet hat, haben die Amerikaner geglaubt, sie können das einfach mir nichts dir nichts abschaffen. Da gab es aber auch sofort einen riesigen Aufschrei, zuerst der Zivilgesellschaft, inzwischen auch der Wirtschaft, Silicon Valley hat sich ganz lautstark zu Wort gemeldet. Und inzwischen haben auch die Künstler in den USA einen Protestbrief gestartet. Da gibt es also massiven Widerstand, und dieser Kampf beginnt jetzt erst. Wir werden sehen, ob die Netzneutralität in den USA wirklich abgeschafft wird. Ich meine, Obama ist mit diesem Thema 2008 ins Amt gekommen, Netzneutralität war ganz offiziell eines der Themen für die er gewählt wurde. Und sogar wenn die USA Netzneutralität abschaffen, könnte das für Europa noch ein riesiger Wettbewerbsvorteil sein. Wenn wir noch ein offenes, innovationsfreundliches Internet haben und die USA eben nicht mehr, dann kommen die Start-Ups halt zu uns.