Erstellt am: 14. 5. 2014 - 12:20 Uhr
Kostenfrage Nachhilfe
Eine vernünftige Ausbildung und solide Bildung sind der Grundstein für späteren beruflichen Erfolg und sozialen Aufstieg. Gebetsmühlenartig wird das gerne postuliert. Am Regelschulbetrieb wird herumgedoktert, mal mehr, mal weniger erfolgreich. In der Gesamtbetrachtung hat unser Schulsystem aber schon bessere Zeiten gesehen (die Stichwörter: Zentralmatura, Pisa-Test, Drop-out-Quote, Sparpaket). Dass früher auch nicht Honig und Milch geflossen sind, zeigt der Boom der Nachhilfeinstitute Anfang der 2000er Jahre. Der "Run" auf kostenpflichtige Nachhilfeangebote ist aber abgeflaut, seit 2010 ist die Nachfrage laut einer Berechnung der Arbeiterkammer (AK) sogar um 20 Prozent eingebrochen.
Weniger Familien leisten sich Nachhilfe
Der Grund für den Rückgang soll immer öfter das liebe Geld sein. Zwar bleiben die Jahresausgaben bei jenen Familien, die sich Nachhilfe noch leisten können unverändert hoch (2013: 679 Euro, 2012: 670 Euro), allerdings sinken die Gesamtausgaben drastisch, weil mehr Eltern aus finanziellen Gründen mit den Kindern selber lernen müssen. Nicht zuletzt wegen diesen Berechnungen hat Ende März der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) die Gratisnachhilfe "Förderung 2.0" für alle PflichtschülerInnen angekündigt. Dafür sollen 400 LehrerInnen von der Stadt Wien für Nachhilfe engagiert werden. Die Hälfte davon soll von den Volkshochschulen kommen, für die andere Hälfte sollen neue Lehrstellen geschaffen werden. Budgetiert werden dafür 18-20 Millionen Euro.
APA/Helmut Fohringer
Gratis Nachhilfe ab Herbst in Wien
Schon ab nächstem Schuljahr, ab Herbst also, soll das Angebot an 210 Volksschulen, 93 Neuen Mittelschulen (NMS) und 64 AHS zum Einsatz kommen. Dabei solle sichergestellt werden, dass vor allem jene Kinder zwei zusätzliche Stunden Stütz- und Förderunterricht pro Woche erhalten, die sie dringend brauchen, um zu einem "guten Schulabschluss zu kommen", heißt es aus dem Büro von Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch. Die Stunden sollen in Gruppen von 10 bis 15 Kindern abgehalten werden, heißt es weiter. Im Fokus sollen die Fächer Mathematik, Naturwissenschaften, Deutsch und Fremdsprachen stehen. Woher das Geld kommen soll, ist allerdings noch offen, das konkrete Projekt soll Ende Mai der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Mittelschicht soll profitieren
Den SP-Vorstoß begründete Michael Häupl bei seiner Partei-Klausur in Rust damit, dass es die Sorge bei vielen Menschen – "bis in die Mittelschicht" – gäbe, sich die Nachhilfe nicht mehr leisten zu können. Aus dieser Sichtweise, ist es zunächst einmal durchaus löblich, wenn hier staatliche Institutionen einspringen.
Ob allerdings der verpflichtende "Regelschulbetrieb" das Gleiche leisten kann wie private Nachhilfe in kleinen Gruppen ist fraglich. Schließlich liegen die Gründe für Nachhilfebedarf und Lernschwächen manchmal auch in der Motivation der SchülerInnen gegenüber dem institutionellen Schulbetrieb. Auch sprachliche Probleme von Kindern aus MigrantInnen-Familien werden mit zwei zusätzlichen Nachhilfestunden in der Schule nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Pflichtschullehrergewerkschafter Paul Kimberger bezeichnete die Pläne der Wiener SPÖ in der Tageszeitung Die Presse "als rote pädagogische Sternschnuppe".
Statt privat mehr Staat
Soziale Organisationen und zivilgesellschaftliche Initiativen, die auf ehrenamtlicher Basis schon jetzt das leisten, was Bürgermeister Michael Häupl als Problem erkannt hat, gibt es in Österreich viele. Ob es die kostenlose Lern- und Nachmittagsbetreuung der Diakonie sind, das Volkshilfe Lernservice „Clever Forever“, die Lerncafés der Caritas oder auch die Wiener Lerntafel. In diesen Organisationen kümmert man sich vor allem um sozial schwache Gruppen, MigrantInnen und Jugendliche aus "bildungsfernen" Familien. In diesen Einrichtungen wären 20 Millionen Euro kein Tropfen auf den heißen Stein, sondern eine überlebenswichtige Förderung, wie das Beispiel der "Wiener Lerntafel" zeigt. Der private Verein aus Simmering steht vor dem Aus wegen fehlender Sponsoren berichtet die Tageszeitung Der Standard. Lerntafel-Gründer Stefan Unterberger meint in dem Bericht, dass die Ankündigung der Stadt Wien, Gratis-Nachhilfe anbieten zu wollen, nicht förderlich für die aktuelle Sponsorensuche sei. Als Konkurrenz zur staatlichen Nachhilfe sieht Unterberger sein Angebot auch nicht. Seine Initiative würde Dinge leisten, die "nach städtischen Kriterien wohl gar nicht möglich wären" (Zitat aus Der Standard), wie zum Beispiel die sechstägige Betreuung. Ob es von der Stadt Wien Geld für die Lerntafel geben wird trotzdem eher fraglich.