Erstellt am: 13. 5. 2014 - 13:09 Uhr
Ein kafkaesker Alptraum
Die Geschichte könnte kafkaesker nicht sein: Der Schriftsteller Jörg Albrecht wird mit einigen anderen deutschsprachigen AutorInnen und LektorInnen zur Buchmesse in die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate eingeladen.
Vor Messebeginn fotografiert der 32-jährige Schriftsteller in Hotelnähe mit seinem iPad zwei für ihn architektonisch interessante Häuser. Was er nicht weiß: Es handelt sich um die irakische und die iranische Botschaft. Ein Jeep stoppt neben ihm - Jörg Albrecht wird für einen Spion gehalten und umgehend inhaftiert.
Über drei Tage wissen seine Begleiter nicht, wo er ist. Mit Hilfe der Deutschen Botschaft suchen sie ihn. Auch Jörg Albrecht hat keinen Kontakt nach außen.
Seit dem 4. Mai ist Jörg Albrecht gegen Kaution auf freiem Fuß, er darf aber nicht ausreisen. Der Schweizer Schriftsteller Jonas Lüscher bleibt bei ihm. Die ganze Sache soll vorerst geheim gehalten werden, man will den Fall nicht verschlimmern. Selbst seiner Familie und seinen FreundInnen kann er nicht die Wahrheit erzählen. Jetzt aber soll die Öffentlichkeit davon erfahren und Jörg Albrecht hofft unter anderem auf die Hilfe einer Online Petition, schreibt er uns.
Dario Damiano
Wie geht es Dir? Wo bist Du derzeit?
Ich bin jetzt im Zentrum von Abu Dhabi, in einem Hotel. Ich habe gestern meine Unterkunft gewechselt. Mir geht es mal so, mal so. Manchmal bin ich hoffnungsvoll und freue mich über viele Freunde, die mich hier aus der Ferne stützen. Manchmal merke ich aber auch, dass die Angst wieder hochkommt, was noch passieren wird. Und mein Körper meldet sich auch: Heute Morgen habe ich bemerkt, dass meine Hände zittern. Langsam zeigt der Druck Symptome.
Was ist passiert? Mit welcher Begründung hat man Dich inhaftiert?
Ich habe nach meiner Ankunft im Hotel die Umgebung dort auf eigene Faust erkundet, da ich von meinen Kollegen der Buchmessen-Delegation niemanden antraf. Dabei habe ich zwei Botschaftsgebäude fotografiert – aber nicht absichtlich. Ich wusste nichts von der Funktion der Gebäude, ich war nur an der Architektur interessiert. Man hat mich mit der Begründung verhaftet, dass ich diese Fotos nicht hätte machen dürfen. Das stimmt auch – ich habe nur die entsprechende Tafel nicht gesehen, die allerdings – das habe ich nochmal nachgeforscht – auch so steht, dass ich sie zumindest, als ich die erste Botschaft fotografierte, gar nicht sehen konnte.
Wie hat man Dich während der Haft behandelt? Hattest Du einen Dolmetscher?
Man hat mich durchgehend freundlich und gut behandelt. Alle waren sehr auf korrektes Verhalten bedacht, und manchen der Beamten war es sichtlich selbst peinlich, dass ich als geladener Gast das erleben musste. Allerdings war eben die Kommunikation ein Riesenproblem: Nicht alle Beamten sprachen Englisch, sogar der Dolmetscher beim Verhör, der über Video zugeschaltet wurde, war nicht besonders gut. Und auf meine Nachfragen – etwa: Wo bin ich? Wer ist der verantwortliche Beamte? Was sind meine Rechte? – wurde mir immer nur bedeutet, es sei alles keine große Sache, ich solle ruhig bleiben und sei dann bald draußen.
Du wurdest zur Buchmesse eingeladen - was war das Ziel des Besuches?
Kultureller Austausch. Unter anderem sollte ich hier mit Leuten sprechen, die mein letztes Buch ins Arabische übersetzen sollten.
Kannst Du Dich frei bewegen? Fühlst Du Dich beobachtet? Woher bekommst Du Informationen?
Ich kann mich hier jetzt frei bewegen, ich kann telefonieren, ich kann Leute treffen. Alle sagen mir auch, ich solle das jetzt hier noch genießen, es sei nur eine Frage der Zeit. Aber ich kann hier nichts genießen. Ich möchte einfach weg, raus aus dieser Situation. Doch neue Informationen – zumal verlässliche – gibt es nun seit dem 4. Mai nicht.
Die Messe ist mittlerweile vorbei, was ist mit den OrganisatorInnen der Messe, haben die Kontakt zu Dir oder liegt alles bei der Deutschen Botschaft?
Die Messe kümmert sich um meine Unterkunft, und eine Mitarbeiterin auch sehr herzlich um mein Wohlbefinden. Die Deutsche Botschaft tut meines Wissens nach alles, was sie kann.
Ist der Schweizer Schriftsteller Jonas Lüscher noch bei dir? Wer hilft Dir? Glaubst Du, dass die Unterschriftenpetition helfen kann?
Jonas Lüscher musste nun abreisen, er blieb ja eine Woche länger als geplant. Ich habe ein paar Freunde von Freunden und Bekannten, die ich jetzt hier treffen kann, auch um mich etwas abzulenken. Hilfe kommt weiterhin von der Botschaft. Und ich hoffe, dass das Auswärtige Amt auch von Deutschland aus Druck machen kann. Die Petition zielt – auch wenn sie an das Ministerium hier gerichtet ist – ja auch etwas darauf.
Wie soll es weitergehen?
Ich weiß nicht, was die offiziellen Schritte sein können. Denn mir wird ja auch nicht gesagt, wie die Situation eigentlich ist. Ich weiß nicht, ob noch ein Verfahren kommt, ob alles geklärt ist, ob ich prinzipiell schon abreisen kann – nichts. Ich wünsche mir einfach, dass jetzt irgendeine Art von verlässlicher Information kommt. Und am liebsten wäre mir natürlich, so schnell wie möglich ausreisen zu können.
Update
Jörg Albrecht hat am Nachmittag die Erlaubnis zur Ausreise erhalten und das sogleich dem Wallstein Verlag telefonisch mitgeteilt. Derzeit sei der Autor auf dem Weg zum Flughafen, so die Info von einem Vertreter des Verlags. Jörn Albrecht sollte morgen wieder in Deutschland sein.
Nachzulesen auch auf der Seite des Wallsteins Verlags:
Soeben erreicht uns die Nachricht, dass einer Ausreise von Jörg Albrecht nichts mehr im Weg steht. Er wird sich nun schnellstmöglich auf den Weg zum Flughafen machen.
Wallstein Verlag, Göttingen
13.05.2014 (15:24 Uhr)