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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

14. 5. 2014 - 06:00

Sinnlose Ideen von EU-Bürokraten

Mindestens im Vierteljahresrhythmus schlägt die Empörungsspirale aus: welchen Blödsinn hat sich "die EU" jetzt wieder ausgedacht!?! Schaut man genauer hin lösen sich viele Mythen in Nichts auf.

Die legendäre Gurkenkrümmungsverordnung hat es tatsächlich auch heuer wieder auf ein EU-Wahlplakat geschafft – ausgerechnet bei den bisher in punkto EU-Mythen eher zurückhaltenden Grünen. Doch offensichtlich ist das Bild vom Brüsseler Bürokratie-Moloch so präsent, dass man auch im Jahr 2014 noch längst widerlegte Gerüchte lieber glaubt als den Gegenbeweis.

Viele krumme Gurken

CC BY-SA 2.0 von Mercedes flickr.com/lawrencefarmersmarket/

Die Gurkenkrümmungsverordnung, in Österreich im Jahr 1968, also 27 Jahre vor dem EU-Beitritt, auf Wunsch des Lebensmittelgroßhandels eingeführt, existiert jedenfalls seit fünf Jahren europaweit nicht mehr – nachdem eine Abschaffung Jahre lang vor allem am Widerstand der deutschen und österreichischen Regierungen gescheitert war.

Manchmal hilft nur Humor

Doch wäre das der einzige Mythos, der sich hartnäckig hält, Heinz R. Mikos Arbeitsleben wäre um eine Facette ärmer. Miko ist Pressesprecher der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, und seine Versuche, bewusste oder aus Schlampigkeit resultierende Horror-Falschmeldungen über die neuesten Ideen angeblicher Brüsseler Bürokratenhirne zu widerlegen, lappen schon mal ins Humoristische.

Nachzulesen sind sie auf der österreichischen Website der EU-Kommission. Dort gibt es, wie übrigens auch an vielen anderen Orten, eine eigene Site zu den Lieblings-EU-Mythen des Boulevards und dem manchmal sogar vorhandenen Körnchen Wahrheit dahinter.

Kostproben gefällig?

Filterkaffeeanlage

CC BY-SA 2.0 von Christian Kadluba flickr.com/pokpok

"EU will Filterkaffee-Maschinen verbieten"

WirtschaftsWoche im April 2014

Heinz R. Miko: "Das stimmt natürlich nicht. Es geht überhaupt nicht darum, Filterkaffeemaschinen zu verbieten. Es geht darum, dass Kaffeemaschinen nicht unnötig Energie verbrauchen, das heißt also, wenn sie im Stillstand sind, also gerade keinen Kaffee brühen, sich irgendwann einmal abschalten. Das gilt für Haushaltskaffeemaschinen, nicht für die Gewerbemaschinen, weil dort ein ständig neues Aufheizen mehr Energie verbrauchen würde als man mit dem Standby einspart. Es ist auch daran gedacht, dass es eine Ausschaltmöglichkeit für den Standby gibt. Wenn also jemand seine Kaffeemaschine den ganzen Tag laufen lassen will – ich zweifle an dem Geschmack eines Kaffees, der fünf Stunden warm gehalten wurde, aber ok – dann soll er das können. Nur wenn ich vergesse, dann entscheidet die Maschine für mich."

Bierkrug aus STein

CC BY-SA 2.0 von flickr.com/calflier001/

"Die EU bedroht deutsche Trinkkultur: den traditionsreichen Bierkrug aus Steingut"

Focus im März 2014, übernommen über dpa u.a. von Kurier, Der Standard, Wiener Zeitung und orf.at

Miko: "Das ist ein Missverständnis, woher auch immer das kommt. Es geht darum, dass auf Gläsern eine sichtbare Markierung der Quantität angebracht werden muss, damit der Gast, wenn er ein Vierterl bestellt, auch ein Vierterl bekommt. Steinkrüge sind, wie der Name schon sagt, kein Glas, daher würde auch eine Markierung keinen Sinn machen. Es geht auch nicht darum sie zu verbieten. Dort wo es möglich ist, soll eine Markierung vorhanden sein, die anderen Trinkgefäße sind aber deshalb nicht verboten."

Weitere Mythen gefällig?

Die Karamell-Import-Verordnung ist einer von sechs Mythen bei sueddeutsche.de.

diepresse.com bringt gleich zwei Mal zehn EU-Mythen online, unter anderem Gratis-Viagra und Salzstangerlverbot.

Zehn Klischees über die EU finden sich auch bei den Salzburger Nachrichten.

Und wer immer noch nicht genug hat, kann in den Horrormeldungen der britischen Boulevardpresse stöbern, die die UK-Website der EU-Kommission gesammelt hat.

Badestrand in England

CC BY-SA 3.0 von Oliver Snowden

"EU to ban our beaches"

Daily Mail im April 2014

Miko: "Jedes Jahr veröffentlicht die EU-Kommission einen Report über die Qualität der Badegewässer in Europa. Die Kommission will den Menschen damit eine Entscheidungshilfe geben. Wir klassifizieren die Badestrände in vier Kategorien. Wenn ein Badestrand mit 4, der schlechtesten Benotung, klassifiziert ist, wird das natürlich bedeuten, dass dort weniger Leute hingehen – wer badet schon gern in einer Kloake? Wer will, kann natürlich trotzdem hingehen, es ist nicht geplant, dass die EU-Kommission dort einen Balken aufstellt."

Ein großer Volvo mit britischer Nummerntafel

CC BY-ND 2.0 von George Redgrave flickr.com/funfilledgeorgie/

"Plot to axe OUR British number plates for standardised EU design"

Daily Express im April 2014

Miko: "Das stimmt auch nicht. Die Idee ist die, dass die Zulassung von KfZ in der EU leichter gemacht werden soll, sodass wenn ich heute mein Wohnsitzland wechsle ich mein Auto mitnehmen und im neuen Land genauso leicht wie zuhause anmelden kann. In diesem Zusammenhang wurde die Idee geboren, ob man nicht so etwas wie ein europäisches Überstellungskennzeichen einführen sollte. Daher kommt vermutlich der Mythos von den einheitlichen Kennzeichen. Letztendlich wurde das aber nicht beschlossen."

Dänische Zimtschnecke auf dem dazu gehörigen Papiersackerl

CC BY-SA 3.0 von Soer

"EU will Zimt weitgehend verbieten"

Tatsächlich ist die Sachlage noch ein wenig komplexer, wie auch Spiegel Online beschreibt.

Format im Jänner 2000, seither in unregelmäßigen Abständen wieder aufgekocht, zuletzt im November 2013.

Miko: "Also was den natürlichen Zimt anbelangt ist das völliger Unfug. Allerdings ist es so, dass viele Großbäckereien und industrielle Backwarenhersteller auch Cumarin, das chemische Produkt, das den Zimtgeschmack hat, verwenden. Da gibt es Grenzen, 50 mg pro Kilogramm maximal, weil das Cumarin eine schädliche Wirkung auf den Körper hat, wenn es im Übermaß genossen wird. Das trifft auf den natürlichen Zimt überhaupt nicht zu."

Kellnerin mit großem Ausschnitt serviert Essen am Oktoberfest

EPA

Bald Dekolleteverbot im Biergarten?

oesterreich.orf.at im August 2005

Miko: "Da ist die Strahlungsschutzrichtlinie angesprochen. Da ging es darum, Arbeitnehmer vor zu viel schädlicher Strahlung zu schützen. Da war ursprünglich in Planung, dass man Sonnenlicht mit einbezieht. Letztendlich ging es dann nur um künstliche Strahlung. Also überall dort, wo die Menschen gefährlicher Strahlung ausgesetzt werden, muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Menschen geschützt sind. Das wäre aber beispielsweise auch mit Sonnencreme gegangen."

Der Lobbyist als Mythenquelle

Wo solche Mythen herkommen? Heinz Miko schließt nicht aus, dass es sich manchmal schlicht um Missverständnisse handelt. Allerdings ist er sich sicher, dass oft auch Lobbys dahinter stehen, die bestimmte EU-Regelungen bekämpfen oder EU-Parlamentarier, die sich profilieren wollen. Dass manche Falschmeldungen Politikern oder Medien gut ins Konzept passen, das gehört für Heinz Miko zum Geschäft. Frustrierend finde er es nur, dass manche Medien faktenresistent seien. "Leider ist es oft so, dass es eine kampagnenartige Berichterstattung gibt, die ein bestimmtes Ziel verfolgt, und von diesem Ziel lassen sich die Redaktionen dann nicht abbringen, da kann die Faktenlage sagen was sie möchte."

Für sieben Tage zum Anhören

FM4 Homebase Europa gibt es auch für sieben Tage zum Anhören unter fm4.orf.at/7tage.

Homebase Europa "Anti-EU"