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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

11. 5. 2014 - 16:53

Standardsituation der Technologiekritik

Der Song zum Sonntag: Damon Albarn - "Everyday Robots"

Damon Albarn scheint sich mit dem immer stärker beschleunigten Fortschreiten der Technologie nicht gar so wohl zu fühlen. Sein gerade erschienenes, erstes richtiges Solo-Album hat der Multitasker of the Century bekanntlich wenig nebulös "Everday Robots" genannt. Albarn meint mit dieser Robotifizierung jedoch nicht die Umstände, unter denen wir Menschen in abstumpfende Arbeitsabläufe und Fließbandtätigkeiten gezwungen werden – wobei man diese Assoziation sicherlich auch mitdenken darf. Triste Industrieroutinen.

Albarn spricht hier vielmehr von der freiwillig – oder unter der Illusion von freiem Willen – vollzogenen Teilhybridisierung zwischen dem Menschen und seinen kleinen Gadgets und den bunten Tentakeln der Unterhaltungs-Elektronik: Wir leben in einer Zeit, in der uns ein Betriebssystem zum Freund werden kann und wir eine App brauchen, die uns sagt, wie wir uns fühlen, so schwingt der Grundtenor aus dem Album "Everyday Robots".

Ein Song hier handelt von der Sucht nach Computerspielen, deren einziger Zweck das bloße Wegballern und Töten ist. In anderen Stücken gibt es Zeilen wie "When you’re lonely, press play" oder "It’s hard to be a lover, when the TV’s on" zu hören. Eine Verknüpfung von analoger und digitaler Sphäre muss nicht weiter erläutert werden.

Damon Albarn

Linda Brown Lee

Damon Albarn

Das Titelstück von "Everyday Robots" ist auch gleich das allererste auf der Platte. Es muss ausdrücklich und plakativ gesagt werden, worum es geht. Der Song beginnt mit einem Sample des US-amerikanischen Komikers Lord Buckley aus dem Jahr 1960: "They didn't know where they was going, but they knew where they was, wasn't it? " Oh Menschheit, wo gehst du hin? Steuerst du im Super Pursuit Mode auf den Abgrund zu?

Albarn will im Text nichts groß verklausulieren: "We are everyday robots on our phones" lautet die erste Zeile des Stücks, später heißt es beispielsweise noch "We're everyday robots in control / Or in the process of being sold". Wer dominiert hier wen, haben die Maschinen schon die Macht ergriffen? Haben wir es uns lange schon in der Matrix gemütlich gemacht?

In musikalischer Hinsicht hat Damon Albarn seine Lieder von Paranoia und elektronischem Unwohlsein karg und intim orchestriert. Und eben nicht mit allen geilen Sounds, die "das Internet" so hergibt, zugetankt. Ein paar traurige Töne aus dem Klavier, manipulierte Streicher, Schab-, Polter- und Klopfgeräusche, die die Idee "Maschine" transportieren.

In einem Stück namens "Mr. Tembo" verlässt Damon Albarn diesen wenig zukunftsfrohen Themenkreis ausnahmsweise und besingt einen Babyelefanten, den er in einem Zoo in Tansania ins Herzen geschlossen hat. In diesen Song hat er - anders als auf dem Rest des Albums - alle lebensfrohe Weltmusik und gutgelaunte Chorgesänge gepackt. Die Gegenüberstellung von Natur, Natürlichkeit einerseits und Technik, Fortschritt und Gefühlsvergletscherung auf der anderen Seite ist dadurch besonders unangenehm herausgearbeitet.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Dass all diese Fragen ohnehin nicht neu sind und ihnen der Geschmack des Vorgestrigen anhaftet, weiß Damon Albarn natürlich. Man kann die Fragen immer wieder neu stellen. Mit einer blauäugigen, aber schon auch einnehmenden Melancholie spürt Albarn abgegrasten Themen wie der Isolation in einer vernetzten Welt nach. Ein Alterswerk, in dem heute schon angestaubte Nostalgie wohnt. Und sich dessen bewusst ist. Manchmal will man ihm doch auch Recht geben. In der Zwischenzeit freuen wir uns auf das nächste Upgrade und das nächste Update. Wenn es denn funktioniert. Wir träumen von elektronischen Schafen und ein alter Mann schimpft mit der Wolke.