Erstellt am: 10. 5. 2014 - 10:57 Uhr
Flimmern
Flimmern - der assoziative FM4 Wochenrückblick
Conchita steigt auf wie ein Phoenix und nimmt den Eurovisions-Songcontest im Sturm. Alle freuen sich, dass Gender nicht mehr etwas Starres ist und eine Diva auch mit Bart glamourös Österreich vertritt.
Österreichische Gerichte sind aber 2014 immer noch der Meinung, Biologie sei der bestimmende Faktor dafür, welche sozialen Rollen Menschen in einer Gesellschaft übernehmen dürfen und welche nicht.
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen in Niederösterreich kein Pflegekind bei sich aufnehmen – mit der Begründung, dass sie nicht gemeinsam biologische Eltern eines Kindes sein können. Deshalb keine elternähnliche Beziehung zu dem Kind entstehen kann, so das Urteil.
Es erschreckt mich, dass von allen möglichen Kriterien, die in Betracht gezogen werden könnten, ob ein Mensch befähigt ist, sich um einen anderen dauerhaft liebevoll und verantwortungsbewusst zu kümmern, Biologie als ausschlaggebend gesehen wird. Oder ist Biologie etwas, das vorgeschoben wird, um nicht das hässliche, autoritäre Wort „normal“ zu verwenden, um behaupten zu können, dass Familien, die aus einem Mann einer Frau und den gemeinsamen Kindern bestehen, etwas Natürliches sind und nicht eine relativ neue soziale Konstruktion.
Die beiden lesbischen Frauen, die aufgrund eines vom Höchstgericht bestätigten Urteils keine Eltern sein können, weil sie biologisch nicht in der Lage sind, gemeinsam ein Kind zu zeugen, arbeiten beide in Sozial- und Pflegeeinrichtungen des Landes Niederösterreich, in denen sie Kinder betreuen.
Und à propos Biologie und Natur, selbst wenn man Familie und Elternschaft auf dieser und nicht auf sozialer Ebene definiert: Die 2004 in Tokio geborene und nicht mehr unter uns weilende Maus Kaguya war Kind von zwei leiblichen Müttern. Kaguya ist aus dem kombinierten Material von zwei weiblichen Eizellen gewachsen, keine männliche DNA war da im Spiel.
t.kono
Ein Drittel aller Albertrossweibchen entscheidet sich dafür den Nachwuchs mit einer gleichgeschlechtlichen Partnerin aufzuziehen, hier ein recht ausführlicher NY-Times-Artikel über eine Albatrosskolonie, rührend bebildert mit der Jeff-Koons-Serie "Love that dare not Squawk it's Name" gibt es hier abzuholen.
In den 90er Jahren hat Jeff Koons keine homosexuellen Tiere fotografisch inszeniert, sondern seine damalige Ehefrau Cicciolina und den Geschlechtsakt mit ihr. Ich mochte Cicciolina, Politikerin und Pornostar in Personalunion, weil sie für Tierrechte kämpfte und gut war im Provozieren. Eine nackte Abgeordnete, die sich mit roter Farbe "Pelz ist Mord" auf die Brüste schreibt und verhaftet wird, das erregte immer schon mein Wohlwollen.
cc
Leider hatte Cicciolina keine Inhalte oder revolutionären Ideen, die den großen Gesten folgten. Sie hat in den 90ern ausgesehen und in Ansätzen das getan, was Femen über 20 Jahre später, als genug Wasser den Tiber hinuntergeflossen war, um Cicciolina fast zu vergessen, medienwirksam aus der Mottenkiste der Provokationen geholt haben.
Cicciolina und Jeff Koons haben einen Sohn Ludwig. Jeff Koons nennt ihn eine biologische Skulptur und somit sein größtes Kunstwerk. Noch vor der Geburt trennte sich das Paar und ein medial geführter Sorgerechtskrieg brach aus, in dem die beiden das Werk des jeweils anderen ins Treffen führten, um die Unfähigkeit zur Elternschaft zu beweisen. Vielleicht ein weiteres Beispiel, warum Biologie keine besonders geeignete Kategorie zur Definition von Elternschaft ist.