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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

12. 5. 2014 - 06:00

The Black Keys Turn Blue

"Turn Blue" ist das bereits achte Album der Black Keys und sie sind damit unser FM4 Artist Of The Week

Es ist beinahe ein wenig wie eine Märchengeschichte: Zwei dem alten Bluesrock verfallene junge Männer aus der amerikanischen Autoreifen-Stadt Akron, Ohio, spielen und spielen und spielen. Geld verdienen sie damit nicht viel, das Auto, mit dem sie touren, ist ein uralter Wagen - ein US-Gefährt der Marke Camino, der später einem Album der Black Keys den Namen geben wird, und die beiden, Dan Auerbach und Patrick Carney, fragen sich langsam ein wenig, wie es ohne Collegeabschluss weitergehen soll.

Der ganz eigene Garage-Rock der beiden, im wahrsten Sinn der Bezeichnung in einer Souterrainwohnung in Akron entstanden, hat zwar irgendwie etwas Besonders an sich, zumindest in einzelnen Momenten, beginnend mit dem Album "The Big Come Up" im Jahr 2002, über "Thickfreakness" bis zum 2004er-Album "Rubber Factory", aber wohin sollte der Weg nun weiter gehen?

From Akron Obscurity To American Hipness

Die Black Keys heißen so, weil sie einen psychisch kranken Freund hatten, der auf ihrem Anrufbeantworter Nachrichten hinterließ, wenn er wütend war, und ihre Väter als "black keys" bezeichnete, die schwarzen Tasten am Klavier meinend.

Die ersten drei Alben der Black Keys waren gewissermaßen eine Art Trilogie. Aber spätestens als schon mit dem zweiten Longplayer ein britischer Mayonnaise-Hersteller einen Song der Black Keys zu Werbezwecken verwenden wollte, war wohl klar, dass es für Auerbach/Carney ein größeres Publikum geben könnte, trotz Existenzängsten der beiden. Existenzangst hin oder her, der damalige Manager riet Dan und Patrick, die Mayonnaise zu lassen, schließlich könnten die treuen Fans seit Anfangstagen der Band das als sogenannten "sell-out", einen kommerziellen Ausverkauf, missbilligen. Lieber auf Tour gehen als Support-Band für Sleater-Kinney oder Beck als 200.000 britische Pfund von einer Mayo-Firma annehmen. Aber heute können die Black Keys darüber lachen, weil das ja nicht das Ende von ihrem beinahe modernen Märchen war. Ein paar Jahre später waren Werbungen kein Problem mehr, selbst ein US-Edel-Unterwäschekonzern wollte die Black Keys.

Von der Obskurität einer Stadt in der Provinz zur hippsten Band in Amerika. Die Black Keys gingen diesen Weg mit ihrer Art von "bloodymindedness" - einem Underdog-haften Durchhaltevermögen. Zwei völlig verschiedene Charaktere: der eine - Auerbach - ein Macher mit Ziel, der andere - Carney - ein "Freak" und Außenseiter.

Aber was sind schnöde Advertisements schon verglichen mit einem Produzentenmeister wie Brian "Danger Mouse" Burton, der weiß, wie eine moderne Rockplatte heute klingen kann. Danger Mouse wollte vor einigen Jahren, dass Auerbach/Carney ein paar Songs beisteuern für ein Album, das er mit dem legendären Ike Turner machen wollte. Aus der Zusammenarbeit wurde aber nichts, und Ike Turner starb. Die Lieder, die für Tina Turners Ex-Mann bestimmt gewesen waren, wurden dann einfach zum bereits fünften Album der Black Keys: "Attack & Release". Angreifen und Loslassen. Zum Loslassen sind die Black Keys seither nicht mehr wirklich gekommen. Danger Mouse hatte das Album produziert, und hier ging es dann so richtig los für Carney und Auerbach. Das Basement, in dem die Band früher eingespielt und geprobt hatte, gab es nicht mehr, der Besitzer hatte das Haus verkauft, und die Black Keys hatten diese Werkstätte nimmer. DIY raus, Danger Mouse rein.

Es folgte - nach einer Beinahe-Trennung der Black Keys, weil Dan Auerbach ein Soloalbum machte, während Patrick Carney mit der Scheidung von seiner Frau kämpfte - das sechste Album der Band, "Brothers". Der Rest ist wohl Musik-History, samt Grammy-Gewinnen. Auch mit dem nächsten Longplayer, "El Camino", geht der Grammy-Ride weiter für die Black Keys. Dennoch ist nicht alles eitel Sonnenschein in der Welt der beiden. Carneys Ex-Frau hatte sozusagen Schmutzwäsche gewaschen, mit ihrer Version der Geschichte, wie eine Jugendliebe zweier Highschool-Geeks schließlich vom Pop-Erfolg der Black Keys zerstört wurde. Ihre detaillierten Einsichten hinter die Tür der beiden Black-Keys-Männer sind nicht uninteressant, zerstören gewissermaßen auch ein wenig den Mythos dieser Band, die so bescheiden anfing und schließlich so groß wurde. So soll Dan Auerbach in der Highschool ein Macho gewesen sein, der seine Freundinnen "babe" gerufen hat, und überhaupt, ein protzender Sport-"Jock" war er, der Kapitän des Footballteams, und insgesamt einfach komplett das Gegenteil vom Nerd Patrick Carney, den er seit Kindesbeinen an kennt, meint Denise Grollmus, die Ex-Frau von Patrick Caney. Aber lassen wir das mit der "Schmutzwäsche", die jedoch glaubhaft wohl mehr als ein Quäntchen Wahrheit enthält.

Nach Patrick Carney ist zuletzt dann aber auch Dan Auerbach von seiner Ehefrau geschieden worden, samt an die Öffentlichkeit gedrungener, wirklich unschöner Details, inklusive Sorgerechtsstreit für die gemeinsame kleine Tochter der Ex-Eheleute. Auch zwischen Jack White und Dan Auerbach gibt es mehr oder weniger offenen Krieg. White will etwa nicht, dass seine Kinder mit dem Kind von Auerbach in Nashville in die selbe Schule gehen, weil, ungefähr zusammengefasst, Jack White findet, Dan Auerbach kopiere ihn und stehle von ihm. Geht's noch, Jungs?

Wenn man immer auf Tour ist, kann man keine Beziehung führen, sagt Dan Auerbach trocken in den Interviews zum neuen Album der Black Keys. Zum Konflikt mit Jack White befragt man ihn lieber erst gar nicht. Das vermiest einem nur den neuen Longplayer der Black Keys, und die Musik des Jack White sowieso.

Das neue, achte Black Keys Album heißt "Turn Blue", und hat insgesmt recht viel, oder unterschwellig mit Auerbachs Scheidung zu tun bzw der Stimmung rundherum, denn es ist zu jener Zeit entstanden. Turn blue heißt soviel wie "blau anlaufen", also etwas was man tut, wenn man erstickt, aber "turn blue" heißt auch einfach "traurig werden".

"Turn Blue" ist überwiegend letzten Sommer in Los Angeles eingespielt worden, dazu in einem Studio in Michigan und in Dan Auerbachs eigenem Studio in Nashville, Tennessee. Ein paar der Songs sind tatsächlich unwiderstehlich, knüpfen nahtlos an die Vorgängeralben an, aber gleichzeitig ist "Turn Blue" wieder ein neues Kapitel in diesem "Märchen" der Black Keys. Launische Songs, toll produziert - zusammen mit Danger Mouse, mit einer großen Soulfulness und einem deeper shade of blues. "Bullet In The Brain" beginnt mit einer schönen Gitarre und sehnsuchtsvollem Gesang, aber halt, was hat es mit der "Kugel im Kopf" auf sich? Persönliche Aggressionen? Die amerikanische Gun-Culture?

Albumcover Black Keys US-Band 2014

Nonesuch

"Turn Blue" von den Black Keys ist bei Nonesuch/Warner erschienen.

The Groove Is King

"Looking back on where we used to be", singt Dan Auerbach dann melancholisch in diesem Song, der insgesamt doch ganz anders ist als die Songs auf dem "muskulösen" letzten Album der Band. Acid Country? Desert Blues? Beinahe ein wenig wie Tame Impalameets Nine Inch Nails? "It´s Up Top You Now" heißt ein weiterer Song auf "Turn Blue"; es sticht hier im Sound die Percussion hervor: ein Mix irgendwie aus dem '60s Star-Drum-Sound des Briten Ginger Baker und dem Afrobeat eines Fela Kuti; es ist eines der experimentellten Stücke am Album, von den Melodien und den Rhythmen her.

Wieder ein anderer Song nennt sich "Gotta Get Away", auf diesem Album zweier ehemaliger obskurer Musik-Kids aus einer Autoreifenstadt, die irgendwann zu Amerikas hippsten Popstars wurden. Yes, they got away, aber dass das wohl nie ganz ohne einen Preis zu zahlen abläuft - wenn schon gar nicht einmal sosehr auf künstlerischer, sondern auf persönlicher Ebene, dafür sind die Black Keys aber wieder einmal ein Beispiel. "Gotta Get away" ist das "Lonely Boy" am neuen Album der Black Keys. "In Our Prime" wartet mit Beatles- und Kinks-Einflüsen, also britischem Sixties-Sound auf. "Fever", die erste Single vom Album, hat nicht so viel "Seele", aber eine tolle Orgel. Weight Of Love", der Albumopener, ist fast sieben Minuten lang und beinahe eine Art Black Keys´sches "Hotel California" - also mehr L.A. als Akron oder Nashville. In "10 Lovers" singt Dan Auerbach: "If I find another love, they must be forever true". Schnief. Ja, und viele schöne Gitarrensoli gibt es auch auf "Turn Blue".