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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

9. 5. 2014 - 16:29

Gott höchstselbst

Der französische Zeichner Marc-Antoine Mathieu spielt wie kaum ein anderer mit Inhalt und Form. Am Samstag ist er beim 2. Comic-Festival im Institut français in Wien zu Gast.

Frankreich ist ja eine der Hochburgen in der europäischen Comicwelt. Umso schöner, dass das französische Kulturinstitut namhafte Zeichner nach Wien zu einem Comicfestival bringt. Einer davon ist Marc-Antoine Mathieu. Der ist in der Comicszene besonders beliebt, weil er immer wieder die Grenzen des Mediums auslotet. Wer mit der Erzählweise von Mickey Mouse und den Schlümpfen zufrieden ist, wird an Marc-Antoine Mathieu keine Freude haben.

Nehmen wir Marc-Antoine Mathieus preisgekrönte Schwarz-Weiß-Geschichten um Julius Corentin Acquefacques, einen Angestellten im Ministerium für Humor. Das Ministerium ist eher kafkaesk und äußerst humorlos - wie die ganze enge Welt, in der Acquefacques ein Gefangener seiner Träume ist.

buchcover der Ursprung von Marc-Antoine Mathieu - mann, in dessen brille spiegelt er sich

Reprodukt

Marc-Antoine Mathieu: Der Ursprung. Aus dem Französischen von Harald Sachse. 1999

Im Laufe der Geschichte erhält er einen Brief – mit einer herausgerissenen Seite eines Comics, nicht irgendeines Comics – sondern exakt eine Seite aus dem Comic, der eben erzählt wird. Der Comic, in dem sein Leben dargestellt wird. Immer wieder erhält er in Folge Seiten aus diesem Comic und wundert sich über die Herkunft – über den Ursprung – so auch der Titel der Geschichte.

Da werden existenzielle Fragen über die zweidimensionale Welt gestellt, wobei ein genialer Höhepunkt die Sache mit dem Schwarzen Loch ist. Denn während sich der Angestellte mit einem Forscher über das schwarze Loch unterhält, ist mitten in der Seite ein Panel, also ein Bild ausgeschnitten. Das fällt aber nur beim Umblättern auf. Denn die Geschichte ist so schlau erzählt, dass die Panels der Seite davor bzw. der Seite danach exakt in den Dialog passen. "Anti-Feld" wurde dieses fehlende Bild genannt.

cover 3 Sekunden von Marc-Antoine Mathieu schwarz - auge mit spiegelung

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Marc-Antoine Mathieu: 3 Sekunden. Aus dem Französischen von Martin Budde. 2012

Marc-Antoine Mathieu spielt gern mit wechselnder Form und Inhalt, mit unterschiedlichen Perspektiven und Sichtweisen – etwa durch Spiegelungen.

In seinem Comic "3 Sekunden" erhält ein Mann eine SMS, während jemand mit einer Pistole hinter ihm steht. Warum der auf ihn zielt, erfährt man aber erst viele Seiten später, nachdem man die gleiche Szene durch verschiedenste Spieglungen gesehen hat. Pokale, Fenster, Pupillen und andere polierte Flächen zeigen immer neue Dimensionen dieser Szene. Ein gefinkeltes Erzählkonstrukt.

Schlau komponiert ist auch seine wohl bekannteste Graphic Novel "Gott höchstselbst".

buchcover: Gott hoechstselbst von Marc-Antoine Mathieu - weisser mann in schwarzweisser menschenmenge

Reprodukt

Marc-Antoine Mathieu: Gott höchstselbst. Aus dem Französischen von Kai Wilksen. 2010

In dieser – wie auch die anderen schwarz-weiß gehaltenen Geschichte kommt Gott auf die Erde. Da er sich aber nicht ausweisen kann, wird ihm bald ein Prozess gemacht. Wie will er beweisen, dass er Gott ist? Was macht Gott aus? Wofür ist er verantwortlich? Wo ist die Grenze zwischen Schicksal und Gottes Macht? Etliche Anwälte wollen Gott verteidigen, die Medien und das Marketing stürzen sich auf das Göttliche.

Auch hier jongliert Marc-Antoine Mathieu auf verschiedenen Erzählebenen und stellt immer wieder neu alles in Frage. Das Spiel mit Inhalt und Form beherrscht der Franzose grandios. Schon allein deswegen freut man sich über jedes neue Werk von ihm.

Am Samstag, 10. Mai 2014, findet im Institut français d'Autriche in Wien das 2. Comic-Festival statt. Marc-Antoine Mathieu signiert von 14 bis 16 Uhr.