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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 5. 2014 - 18:58

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 06-05-14.

Krankmacher-Systeme und andere Kompetenz-Bestätigungen. Über den Kronjäger und sein Buch.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Die erwähnte Media-Coverage im Standard, in der Presse, auf sportnet.at, in der Kleinen Zeitung oder im Kurier.

Und hier ein paar Auszüge aus Helmut L. Kronjäger mit Markus Geissler: Das L steht für Leben, Warum das System Fußball krank machen kann! www.magazinshop.at

#fußballjournal14 #medien #strukturpolitik

Weil das Mediensystem Anlässe braucht um Themen anzupacken, die zwar auf der Straße liegen aber im (altbackenen, aber nichttotzukriegenden) Denken der Medienmacher "ka G'schicht" sind, sind archaische und auch nur dem Zufall geschuldete Scheinereignisse wie Buchveröffentlichungen willkommene Fälle.

Weil Helmut L. Kronjäger, der steirische Ex-Kicker und Ex-Trainer, den seine Freunde Petz und seine Feinde Heli nennen, sein schon einige Zeit avisiertes Projekt eines Fußball- und Krebsabwehrkampf-Buchs jetzt vollendet hat, bekommt er eine Medien-Coverage, die ihm zu aktiven Zeiten (nicht als Bundesliga-Coach, nicht als ÖFB-Nachwuchstrainer, nicht als Ausbildner in Bhutan, Sri Lanka oder auf den Solomonen) verwehrt blieben.

Weil Kronjäger in den letzten Jahren zunehmend lauter die Schwachstellen des Systems (besser: der Systeme) Österreichs Fußball anprangerte, weil er - auch aufgrund seiner Krankheit und des Bewusstseins keine Zeit zu verplempern zu haben - sich zunehmend weniger geschissen hat, weniger Rücksicht auf Befindlichkeiten von fahrlässig oder bewusstlos agierenden Playern genommen hat, wird versucht seine Kritik zunehmend in eine Art Mitleids-Kokon zu hüllen und so zu entwerten oder entkräften. Es äußert sich niemand dazu, man blockt mit geheucheltem Respekt ab.

Weil ich Kronjäger nicht sehr gut, aber doch aus dem echten Leben kenne (uns verbindet eine gemeinsame Arbeit und meine ehemalige Kollegenschaft zu seiner zweiten Frau) steht mir eine solche Charity-Behandlung seiner Anliegen noch weniger zu als jenen, die sich mit dieser Ausrede ins Leo des Aussitzens flüchten.

Kronjäger erzählt in Das L steht für Leben von einer Fußball-Zeit, von der man sich nie sicher sein kann, ob sie wirklich vergangen ist. Der dem barocken Verschwender und verurteiltem Verwüster Hannes Kartnig lustvoll zur Verfügung gestellte mediale Raum etwa lässt auf mehr als nur Sehnsuchts-Fantasien der alten Journalisten-Garde schließen. Die hätten am liebsten immer noch die Ära der Wirtshaus-Deckel-Gschichterln, in denen sie als gut ausgestattete Herolde die Geschicke der Branche mitbestimmen, zurück; die sehnen sich nach den lugneresken Gutsherren (Kronjäger porträtiert die, die er bei seinen Stationen in Graz und Ried kennenlernen musste, durchaus menschlich, als selbstsüchtig inkompetente Selbstverständlichkeiten einer österreichischen Realverfassung, nicht nur der des Fußballs), in deren Medienglanz sie mitschneiden können.

Kronjäger berichtet auch von den Untiefen der Verbände, nicht nur des ÖFB, sondern auch der unter einer gewissen Wahrnehmungsschwelle agierenden Landesverbände, den Küngeleien, Eitelkeiten und Absurditäten politischer Gefügigmachung, vom strukturellen Elend des heimischen Sports. Kronjäger schafft es auch seine wahrlich exotischen Abstecher nach Asien nicht in blanken Exotismus abgleiten zu lassen, er romantisiert keinen Noble Savage.

Kronjäger stellt keine diesbezügliche These auf, er selber ist auch zuwenig Parsival oder Kohlhaas, aber seine partielle Lebensbeichte lässt sich durchaus zu einer Warnung verdichten: derjenige, der andere als die ausgetretenen Wege gehen will und das ohne Parteibuch (resp. Vereinsbacking für ehemalige Spieler) und ohne Medienanbiederung erreichen will, zieht sich besser sehr warm an. Denn ein um sich selber rotierendes Selbstbestätigungs- und Selbstreferezierungssystem wie der österreichische Fußball ist nur in sehr geringem Maß bereit sich anderen als den herkömmlichen Ideen zu stellen, andere als die bisher gepflegten Zugänge zuzulassen oder andere als die in gut vernetzten Seilschaften verbündeten an die Futtertröge zu lassen.

Dass es Kronjäger in einem solchen Umfeld schwerer als schwer haben würde, sollte nach einem Zitat des auch nicht durch übergroße Verträglichkeit auffallenden und sich auch stets am Rande des Systems aufhaltenden Alfred Tatar klarer sein: Der Trainer Kronjäger wäre, sagte Tatar nach dessen Entlassung in Ried und der Übernahme des Amts durch den bisherigen Co-Trainer (ihm selber), der Trainer Kronjäger wäre unserer Zeit zehn, fünfzehn Jahre voraus. Und viele würden das wahrscheinlich nie kapieren.

Ein paar Tage später erscheint auf abseits,at noch eine interessante Rezension. Und dann kam noch eine wunderbare für spielverlagerung.de.

Es tut gut die Gedanken eines solchen Menschen zu lesen, zu erkennen, dass er sich nie gegen Schwache oder Schutzbefohlene richten, sondern immer jene, die die Fäden in der Hand halten, sie aber nur zum eigenen Vorteil zupfen. Und es zeigt sich, dass der Fußball, der sowieso als Mikrokosmos vieles übers Leben zu berichten hat, in Österreich ein noch viel ehrlicher und wenig verzerrender Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse ist.

...noch ein tagesaktueller Nachtrag...

... denn, wenn man sich die akuten Trainer-Nachfolge-Debatten von Bundesliga-Mannschaften, die noch um einen Platz in Europa kämpfen ansieht, dann ist die vorhin geäußerte Hoffnung, dass der heimische Vereinsfußball die von Kronjäger beschriebenen Untiefen bereits verlassen hat, auch schon wieder halb perdu. Da zeigt sich in der Salzburger Provinz, dass Adi Hütter nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist, und nicht auf Basis seiner guten Arbeit, sondern wegen seines Namens und seiner Spielvergangenheit engagiert wurde. Und da zeigt sich in Wien-Favoriten, dass die sportliche Leitung nichts aus den Fehlern der jüngsten Vergangenheit gelernt hat, außer sich im Nachhinein mit dem Bemühen um einen, den sie vor einem Jahr hätten haben können, aber aus fadenscheinigsten Gründen (und in Wirklichkeit aus Mutlosigkeit, fehlender Sachkompetenz und Mangel-Vision) nicht gewagt hatten, zu blamieren. Das provinzielle Denken ist Kopfsache und nie an einen Ort gekoppelt.