Erstellt am: 5. 5. 2014 - 20:12 Uhr
Minigolf modern
"Es ist eine Entschleunigungssportart. Es ist das Gegenteil von Bungie Jumping, es ist das Gegenteil einer bestimmten Energy-Drink-Marke, die ihre Produkte über Risiko verkauft. Wir sind das andere Ende, sozusagen - und viele genießen das."
Willy Bauer bringt das Wesen von Bahnengolf, wie der Überbegriff von Minigolf heißt, auf den Punkt. Bauer koordiniert den Minigolftag, der Anfang Mai österreichweit zum fünften Mal abgehalten wurde. Minigolfclubs, Vereine und Profispieler/innen luden dabei ein, auf ihren Plätzen eine Runde zu spielen und neben der zeitlosen, familienfreundlichen Unterhaltung auch den Wettbewerbsaspekt darin zu erkennen.
Auf den ersten Blick wirken Minigolf und die dahinter stehende Gemeinschaft verstaubt: alte Bahnen mit den ewig gleichen Hindernissen, ältere Herrschaften, die in Vereinsarbeit Geselligkeit suchen und Kinder, die sich vor der Pubertät noch mit genügsamen Freizeitbeschäftigungen zufrieden geben.
Minigolf auf diese Weise zu belächeln kratzt aber kaum an der Oberfläche, denn bei näherer Betrachtung wird hier eine ziemlich geniale Brücke zwischen niederschwelliger Unterhaltung und sportlicher Betätigung geschlagen. Klar, man kann kichern, wenn professionelle Bahnengolfspieler/innen gemütlich puttend ihre Vereinsjacken tragen und in internationalen Turnieren medial weitgehend unbeachtete Wettbewerbe durchführen. Aber ist Minigolf nicht auch ein gutes Statement gegen das ewige Höher-Schneller-Weiter-Imperativ, dem die meisten "großen" (Trend-)Sportarten ausgesetzt sind?
Minigolf modern machen
Willy Bauer ist der Minigolftag ein großes Anliegen - nicht nur, weil hier die Möglichkeit besteht, Aufmerksamkeit zu schaffen, sondern auch, weil er dabei Menschen bei "seinem" Sport zusehen kann, die ansonsten kaum gezielt einen Minigolfplatz aufsuchen würden. So wurde mit Hilfe einer PR-Agentur, schicken DJs, durchdesignten Kräutersoftdrinks und parfümiertem Popcorns ein bisschen Hipness in den Vereinssport gebracht - zumindest an diesem einen Nachmittag im 21. Wiener Gemeindebezirk. Dreh- und Angelpunkt der Vorberichterstattung der Aktion war ein eigenes Video, das Wiener Szenesternchen als lässige Bahnengolfer/innen inszeniert hat.
Beton, Eternit, Filz
Entstanden ist Bahnengolf Ende des 19. Jahrhunderts als kleine Indoor-Variante von Golf. Ganze Golfplätze lassen sich schwer unter Dach setzen, doch das Green, der letzte Abschnitt eines jeden Lochs, war von der Größe her geeignet, sich als eigene Disziplin selbstständig zu machen. Irgendwann wurde aus Gras Beton, es kamen Spielereien in Form kleiner Hindernisse hinzu und Anfang der 50er Jahre hat ein Schweizer Gartenarchitekt schließlich erfolgreich eine normierte Variante patentiert. Drei Bahnmaterialien haben sich über die Jahre durchgesetzt: Beton, Eternit (im deutschsprachigen Raum stark verbreitet) und Filz (Skandinavien, aber etwa auch hier).
Seit den 60er Jahren gibt es Minigolf-Europameisterschaften, Weltmeisterschaften finden seit den 80er Jahren statt. Noch heute ist Bahnengolf eine durch und durch europäische Sportart: Neben Deutschland und Schweden liegt Österreich im Länder-Ranking derzeit auf Platz 3, gefolgt von der Schweiz und Italien.
"Man glaubt gar nicht, wieviele Leute das spielen: Es gibt 40.000 Turnierspieler/innen weltweit, über 1.200 internationale Turniere finden pro Jahr statt. Wir sind stolz darauf, eines der ältesten Mitglieder dieser Familie zu sein.", so Willy Bauer im FM4-Interview.
Für Fantasievolle: Minigolf Open Standard
In den USA, dem Land des Entertainment und der großen Shows, wo Golf in allen Gesellschaftsschichten viel gespielt wird, werden Minigolfplätze seit einigen Jahren als riesige Abenteuerparks in Szene gesetzt. Das sei zwar vornehmlich eine Familien- und Touristenattraktion, erzählt mir Bauer, doch auch diese Bahnen sind Teil der großen Minigolffamilie und werden professionell gespielt. Unter der Bezeichnung Minigolf Open Standard (MOS) werden alle Bahnengolfplätze zusammengefasst, die nicht den drei Standardvarianten Beton, Eternit und Filz entsprechen und stattdessen der Kreativität freien Lauf lassen.
- Österreichischer Bahnengolfverband: oebgv.at
- Internationaler Verband: minigolfsport.com
Kann ich mir nach einem Sonntag voller Minigolf vorstellen, diese Entschleunigungssportart professionell zu betreiben? Die Überlegung ist etwas schwierig: So sympathisch mir Minigolf ist und so gesellig und unterhaltsam es sich mit Freunden und Familie gestaltet - mir würde bei einer sportlichen Auseinandersetzung damit ein bisschen der spielerische Tiefgang und ein wenig Adrenalin fehlen. Vielleicht ein Hybrid aus Golf und Minigolf? Nette Idee, antwortet mir Ingrid Deyer, Präsidentin des Clubs MGC Blau-Weiß in Wien Baumgarten, aber in der Praxis nur in Ausnahmefällen möglich.
"Es gibt ein Turnier im Jahr, bei dem Minigolfer und Golfer im Partnerbewerb spielen: Der Golfer schlägt ab und am Green spielt der Minigolfer. Das ist aber die einzige Gemeinschaft der beiden Sportarten."
Weil das mit dem Hybriden also nur einmal im Jahr klappt, wünsche ich mir zusätzlich einen Siegeszug der ganz langen Filzbahnen und der Abenteuerplätze. Sponsoren und Minigolfmäzene, macht es möglich!