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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

4. 5. 2014 - 16:19

Days of Being Wild

Der Song zum Sonntag: Pink Mountaintops - "The Second Summer of Love"

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Es muss wieder einmal um die Vergangenheit gehen. Der erste so genannte Summer of Love meint den Sommer des Jahres 1967, in dem die Hippie-Bewegung in den USA auf ihrem Zenit köchelte. Die jungen Leute hatten lange Haare, bevorzugt fuhr man nach San Francisco. Man versammelte sich zu Tausenden, hörte wilde Rockmusik von Männern mit wirren Zauselbärten und protestierte gegen den Krieg. Die Liebe war frei, man rauchte diverse Kräuter und nahm Drogen, die die Welt psychedelisch färbten. "Experimentieren" nannte man das. Woodstock war übrigens erst zwei Jahre später.

Der zweite Summer of Love bezeichnet komischerweise zwei aufeinander folgende Sommer, nämlich die der Jahre 1988 und 1989. In England waren Acid House und Rave auf dem Vormarsch. Man traf sich in freier Natur und warf sich Tabletten in den Körper, die das Tanzen spannender gestalteten. Auf den T-Shirts hatte man einen riesengroßen Smiley.

Stephen McBean

City Slang

Stephen McBean, Pink Mountaintops

Der kanadische Musiker Stephen McBean deutet mit seiner Band Pink Mountaintops den zweiten Sommer der Liebe jetzt als höchstpersönliche Privatveranstaltung und setzt ihn für sich selbst im Jahr 1987 an, da dürfte er in etwa 18 Jahre alt gewesen sein. Auch sein Song "The Second Summer of Love" beschreibt eine Zeit jugendlichen Aufruhrs und Tatendrangs. Manchmal Hedonismus, manchmal Welt verändern. Es geht um Narben vom Skateboard-Fahren. Nicht mehr ganz ein Kind sein, aber mit Sicherheit auch noch kein Erwachsener. Sich das erste Mal verlieben. Bzw. das zweite Mal. Sich draufgängerisch vorkommen. Hart sein, blöd sein, rauchen lernen.

Musikalisch ist McBean üblicherweise mit seinen Pink Mountaintops und auch seiner zweiten Band Black Mountain eher im Jahr 1967 zuhause und widmet sich gerne zotteligem Folkrock. "Get Back", das neue Album der Pink Mountaintops, ist diesmal ein ziemlich krudes Durcheinander geworden: Neben seinen gewohnten Betätigungsfeldern probiert er sich hier an Krautrock, Bob Dylan, Bruce Springsteen, Saxofon oder auch Art-Punk im Andenken an die große Band Television. Das geht nicht immer gut.

In "The Second Summer of Love" kombiniert McBean seine nostalgischen Abrisse jedoch nicht mit weichgezeichneter Melancholie in den Sounds - wie das vielleicht zum Thema gepasst hätte -, sondern mit einer forsch aufstampfenden Aufforderung zum Aufbegehren, die er sich bei The Clash abgehört haben dürfte. Wir waren fresh, wir hatten Saft. Jetzt ist es wieder einmal zu spät. Vielleicht will uns der rebellische Gestus des Songs "The Second Summer of Love" aber auch sagen, dass wir nicht aufhören sollen, für das wilde, gute Leben zu kämpfen.