Erstellt am: 4. 5. 2014 - 13:25 Uhr
Knistern in der Kirche, romantische Theatralik
Donaufestival
Vom 25. April bis zum 3. Mai in Krems.
Die Highlights vom Donaufestival gibt es in einem einstündigen Spezial zu hören, am Montag, den 5. Mai in der FM4 Homebase (19-22h)
Der letzte Tag beim Donaufestival bietet noch einmal Anlass zu der Vermutung, dass die Welt vielleicht doch auch halbwegs eine gute sein könnte. Konzeptuelle Strenge und Enge und bunte Varianz haben sich da am Samstag noch einmal die Hände gereicht. Geprägt waren der Tag und die Nacht vor allem vom in Wien beheimateten Label Editions Mego. Jede Gelegenheit muss ergriffen werden zu sagen: Editions Mego ist ein fantastisches Label. Dasselbe gilt für die unter dem Dachverband Editions Mego versammelten Subdivisionen wie Spectrum Spools oder Ideologic Organ.
Zum Donaufestival ist Editions Mego mit vielköpfiger Mannschaft angereist und zeigt schon am Nachmittag in der Minoritenkirche große Bandbreite. Bei Acts wie Kassel Jaeger, Compound Eye oder Stephen O'Malley ist zwischen kosmischem Knistern, der Nachlasssungverwaltung von Musique Concrète und One-Man-Gitarren-Doom schon so einiges zu erleben. Ein sehr guter Start. Schön auch, dass viele Menschen gekommen sind, um sich so ein nicht gerade unsperriges Programm zu Gemüte zu führen.
David Visnjic
David Visnjic
Der Star aus dem Camp von Editions Mego ist an diesem Abend aber freilich Christian Fennesz, der sein neues Album "´Bécs" im Gepäck hat und in Halle 2 auftritt. Ein Weiterspinnen des ewigen Klassikers "Endless Summer" an weich aufschäumender Elektronik, die das Wogen des Ozeans vertont, und manipulierter Gitarre. Ein Höhepunkt des gesamten Donaufestivals, nicht wenige Menschen im Publikum haben die Augen geschlossen und Recht damit.
Danach gibt es Musik für unbekannte Dancefloors von Sensate Focus: Als Teil des, ja, legendären Duos SND war Mark Fell Pionier auf Feldern wie Clicks'n'Cut und Glitch-Elektronik, ohne das selbst so kategorisieren zu müssen. Unter dem Namen Sensate Focus transportiert er sein verwinkeltes Beatverständnis Richtung Tanzmusik. Viermal um die Ecke gedachte Breakbeats und von einem strengen Typen zerstörte House-Musik. Sehr gut, für Sensate-Focus-Verhältnisse aber fast schon ein wenig brav.
Den Abschluss im Dienste der Missionierung durch Editons Mego machen am Samstag Abend die beiden Produzenten Donato Dozzy und Bee Mask: Nach Schwefel duftender Ambient, Rauschen, das Plätschern des Regens, harmonische Verschiebungen, scharfe Störgeräusche. Süß könnte man danach entschlafen. Man soll mit der Suchmaschine das Label Editions Mego erforschen.
David Visnjic
David Visnjic
David Pfister über Blixa Bargeld und Teho Teardo:
Am Schluss sind sie alle im Salon gelandet. Die gesamte Bande im Spannungsfeld zwischen Neubauten und Bad Seeds. Aber eigentlich waren sie ja schon immer dort zu Hause. Manche mit grellen Cowboystiefeln aus blauem Kobra-Leder, andere, wie Blixa Bargeld, in maßgeschneiderten Socken aus Singapur. Zwischen all dem Techno-Noise und Dub-Dekonstruktionen des Donaufestivals führen also der Italiener Teho Teardo und Blixa Bargeld ihre mit allerlei Sound-Atmos verzierten Chansons auf.
Ein Album und eine EP hat die deutsch-italienische Freundschaft bisher veröffentlicht und wenn man sich die kindliche Freude am gemeinsamen Musizieren live ansieht, stehen die Zeichen wohl gut für weitere Releases. Live rücken sie am Donaufestival mit einem Streicherquartett an und besorgen den waidwund-strapazierten Ohren des Donaufestival-Publikums eine Atempause, bevor es wieder zurück geht in den Glitch-Electro-Techno-Whatever-Dschungel von Sensate Focus, Actress und Nozinja.
Diese Brechungen im Programm wünsche ich mir auch für das nächste Donaufestival-Jahr. Lieber Kurator Tomas Zierhofer-Kin, lass doch 2015 beispielsweise eine filigrane Folk-Fee wie Marissa Nadler zwischen Doom-Dub-Zerstörern auftreten. Der Intensität der auf den ersten Blick verschiedenen musikalischen Zugänge würde das nur gut tun. Aber zurück zum ehemaligen Lärm-Papst Blixa Bargeld, der es so liebt zu singen. Freilich können Aufwiegler Blixa-Shows leicht als affig diffamieren, aber der gute Mann ist sich ja um sein nicht zu bändiges Streben nach Wahrhaftigkeit bewusst und bricht dieses ununterbrochen mit selbstironischer und zynischer Attitüde. Weil er am Ende für immer ein hilfloser Romantiker bleibt. Find ich gut.
David Visnjic
David Visnjic
Katharina Seidler hat Actress und Nozinja gesehen:
Es war vor genau einem Jahr, dass Darren Cunningham auf derselben Bühne stand, es war ebenso wie heute ziemlich voll, ziemlich laut, vernebelt und dunkel, und doch ist die Musik, die er unter seinem Alter Ego Actress aus Laptop und Controllern zieht, eine völlig andere. Die wilden Rhythmusdekonstruktionen und der aggressive, nach vorne preschende Unterton seines ersten Donaufestival-Sets sind dieses Jahr einer anderen, versöhnlicheren Stimmung gewichen.
Die dystopischen Szenarien der Geisterstadt seines in der Zwischenzeit erschienenen vierten Albums "Ghettoville" hat Cunningham abgestreift wie eine alte Haut. Die neuen Tracks, denen man im Laufe der einstündigen Session beim Entstehen zuhört, sind luftdurchlässiger und scheinen sich völlig auf das zu konzentrieren, was Actress in seinen Produktionen wie auch im Interview seit jeher als das Wichtigste in seiner Musik bezeichnet: die Textur. Der Nebel über der Geisterstadt hat sich noch nicht gelichtet, darunter walzt ein durchgehender Beat und doch ist ein Sonnenaufgang, zumindest irgendwann, zumindest möglich.
All die gute Finsternis der letzten sechs Festivaltage, die Seelenpein und innere Reinigung kann man im Stadtsaal zum Abschluss des Donaufestivals verarbeiten, abschütteln oder wegtanzen. Richard Mthetwa ist mit einer Sängerin und einem Sänger, einem Hut, bunten Kleidern und Federverzierung für die Arme angereist.
Der Erfinder und Botschafter des "Shangaan Electro", einer rasend schnellen, hibbeligen Mixtur aus südafrikanischen Musiktraditionen und afrofuturistischen Elektronikeskapaden bedient die CD-Player, greift ab und zu zum Mikro, lässt prinzipiell aber seinen Band-Mitstreitern den Vortritt bei der Show. Home-Grown Rave in its purest form, wie es die Website von Nozinjas neuer Labeheimat Warp Records beschreibt. Er vereint die Festivalbesucher zum letzten Mal in diesem Jahr im Sinnestaumel.
David Visnjic
David Visnjic
Am Montag in der FM4 Homebase
FM4 am Donaufestival in Krems
Wir präsentieren in einem einstündigen Spezial Highlights vom diesjährigen Donaufestival wie etwa Pharmakon, Mouse on Mars oder Xiu Xiu.