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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

4. 5. 2014 - 18:00

Schutz gegen Strom-Blackout in Österreich

An die tausend Funker waren bei der Blackout-Notfunkübung am 1. Mai im Einsatz. Bei den Stromversorgern wurde die Verhinderung eines solchen Ausfallszenarios trainiert.

Beim österreichweiten Notfunktest am Staatsfeiertag wurden die Erwartungen noch übertroffen, an die 1.000 Funkamateure nahmen mit eigenen Stationen teil. Trainiert wurde der Aufbau eines Ad-Hoc-Notfunknetzes nach einem landesweiten Stromausfall, um alle 95 Bezirke Österreichs zu versorgen. Unter den Freiwilligen, die an dieser Übung mit eigener Ausrüstung teilnahmen, waren neben Bundesheer, Rotem Kreuz und Bezirkshauptmannschaften auch Funker des ORF.

Der Anlass dafür war ein gravierender Vorfall im Stromnetzverbund vor genau einem Jahr. Da hatte sich eine Störung im Leitssystem des süddeutschen Verbundnetzes in das österreichische Netz fortgepflanzt und Teile davon an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Die Stromversorger, die mit dem heurigen Blackout-Szenario der Notfunkübung keine rechte Freude hatten, waren seitdem ebenfalls nicht untätig. Was in der Strombranche da im Einzelnen trainiert wurde, erklärte Walter Boltz, Direktor der Stromnetzregulators E-Control im Gespräch mit ORF.at

Der gefürchtete Dominoeffekt

Am 2. Mai 2013 ist eine Abfrage aller Zählerstände aus einem bayerischen Gasnetz in die Steuerung des Stromnetzes gelangt. Die Folge war, dass immer mehr Komponenten des Netzes ihre Zählerstände meldeten, die daraus resultierende Datenflut legte Teile des europäischen Steuerungssystem regional für Stunden lahm.

"Natürlich kann man einen Groß-Blackout nicht völlig ausschließen", sagte Walter Boltz, im Verlauf des letzten Jahres seien in der Strombranche große Anstrengungen unternommen worden, um ein solches Szenario frühzeitig zu erkennen und möglichst schnell abzufangen.

Die zentrale Lage Österreichs komme den Sicherheitsmaßnahmen durchaus entgegen, sagte Bolz. Bei einem hausgemachten, regionalen Blackout stünden neben den intakten Teilen des heimischen Stromverbunds auch die ausländischen Stromnetze rundum zur Verfügung, um den betroffenen Sektor schnell wieder zu stabilisieren.
Anders als im Internet, wo der Ausfall eines großen Knotens kaum Folgen für das Gesamtnetz hat, weil einfach um das gestörte Netzsegment herumgeroutet wird, droht im Stromnetz in einem solchen Fall ein Dominoeffekt.

Kritische Regelbarkeit

Bei einem plötzlichen Wegfall von Verbrauchern stiegt die Spannung bei den umliegenden Netzsegmenten, die 50-Hertz-Schwingung kommt aus dem Takt. Das ist deswegen sehr gefährlich, weil schon ein paar Prozent Abweichung genügen, um einen lokalen Blackout hervorzurufen, zudem können die elektronischen Steuerungen aller möglichen Geräte durch Taktabweichungen zerstört werden.

In einem solchen Fall müssen Kraftwerke notabgeschaltet werden, um den Wegfall der Stromverbraucher auszugleichen. Im umgekehrten Fall muss dringend sauber getakteter Strom zugeschaltet werden, man sieht also, dass die Stabilität der Stromnetze mit ihrer Regelbarkeit steht und fällt und dieser Prozess absolut zeitkritisch ist.

Funkmast am Küniglberg

OE1XRW

Die Funkstation OE1XRW im obersten Stock des ORF-Zentrums nützt für den Verkehr auf 40 und 80 Metern eine hier kaum sichtbare Drahtantenne, die zwischen den beiden äußeren Masten hängt. Die drehbare Antenne ganz oben auf dem mittleren Mast wird für Interkontinentalverkehr auf den oberen Bandbereichen der Kurzwelle benutzt.

Inselbildung nach Blackout

"In jedem unserer Nachbarländer gibt es mindestens eine oder mehr Regelzonen, bei denen Möglichkeiten zur Ab- und Wiederankopplung besteht", sagte Boltz zu ORF.at. Anstatt zu versuchen, etwa einzelne Tankstellen wieder in Gang zu kriegen, konzentriere man sich darauf, den ganzen Sektor drumherum wieder mit Strom zu versorgen. Tankstellensysteme können nicht mit den üblichen Notstromaggregaten betrieben werden, bei einem Blackout fallen nicht nur alle Kommunikationsnetze nacheinander aus, es gibt auch keinen Treibstoff mehr.

Rund um die Wasserkraftwerke könnten relativ schnell Inseln gebildet werden, in denen die Stromversorgung funktioniere, so Boltz weiter. Anders als Gasturbinen benötigen die Speicherkraftwerke an der Donau und anderen Flüssen keine externen Stromquellen für einen sogenannten "Schwarzstart". Hier kommen nun die Funkamateure ins Spiel, da die üblichen Kommunikationswege zwischen diesen Strominseln noch nicht wieder funktionieren.

Ressourcen, Kurzwellenfunk

Um den aktuellen Status einer betroffenen Region unter solchen Bedingungen an die koordinierenden Stellen zu übermitteln, waren bei den Bezirkshauptmannschaften und in den Landeswarnzentralen für Katastrophenschutz freiwillige Funker vor Ort. Wie die Notfallübung eindrucksvoll zeigte, lassen sich die Hilfsaktivitäten dadurch nicht nur zentral, sondern auch bezirksübergreifend regional koordinieren.

Genaue Zahlen gibt es zwar erst nach Auswertung der Logdateien - siehe weiter unten -, es lässt sich aber bereits sagen, dass im Ernstfall in jedem politischen Bezirk mehrere Kurzwellenstationen samt den zugehörigen Funkern vor Ort zur Verfügung stehen. Damit ist nicht nur die Nachrichtenweitergabe an die staatlichen Stellen gesichert, sondern es sind auch ausreichende Ressourcen für die Koordination im näheren Umkreis vorhanden.

Professionals und Interessierte

"Das ist das Um und Auf bei einem solchen Notfall, weil vor dem Einleiten irgendeiner Hilfsmaßnahme erst eine Schadensfolgenabschätzung stehen muss", sagte Markus Mayr zu ORF.at. Mayr arbeitet im Sicherheitsmanagement eines großen österreichischen Energiekonzerns in Linz, bringt sein Wissen aber auch bei Freiwilligen Feuerwehren, beim Roten Kreuz und bei den jährlichen Workshops der Initiative "Plötzlich Blackout" ein.

Rotes Kreuz

OE6XRK

Dort tauschen mehrmals pro Jahr Professionals aus dem Katastrophenschutz wie Mayr ihre Erfahrungen aus, die Funkamateure sind dort ebenso vertreten, wie ein bunte Vielzahl anderer, die beruflich von einem Blackout direkt betroffen wären. Der Wiener Nikolaus Rosam ist bei den Workshops deshalb zugegen, weil er als Inhaber einer Hausverwaltung für die Sicherheit der Mieter zuständig ist und als Eventmanager über Fähigkeiten verfügt, um das Katastrophenmanagement zu unterstützen.

Dimensionen früh erkennen

Auch Barbara Baumgartner, Referentin für Katastrophenschutz der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg ist bei den Blackout-Workshops dabei und bringt dabei ganz aktuelle Erfahrungen mit ein. "Wir hatten heuer im Bezirk schon mit einem Stromausfall zu kämpfen. Der war zwar räumlich sehr begrenzt, dauerte aber in den betroffenen Gemeinden 60 Stunden", sagte Baumgartner.

Im Zug der Eisregenkatastrophe, die ganz Slowenien tagelang lahmgelegt hatte, waren auch in mehreren südöstlichen Bezirken Österreichs Probleme mit umgestürzten Bäumen aufgetreten, die Stromleitungen gleich an mehreren Stellen abgerissen hatten. "Für einen solchen Fall sind völlig andere Einsatzszenarien angesagt, als etwa bei einem großflächigen Ausfall", sagte Baumgartner. Darum sei es auch so immens wichtig, über die Dimensionen eines Ausfalls schnellstmöglich Bescheid zu wissen.

Der Übungsablauf

Genau das hatten die Funkamateure am 1. Mai vorexerziert. Allein im 40-Meterband - einem der beiden Kurzwellenbereiche - waren am Donnerstag so viele Stationen aus allen Bundesländern gleichzeitig "on the air", dass praktisch der gesamte Bandbereich von österreichischen Notfunkern belegt war.

Sogar die dort tagsüber gewöhnlich dominierenden Plauderrunden leistungsstarker italienischer und russischer Stationen wurden an die Bandränder gedrängt oder wechselten überhaupt auf einen anderen Frequenzbereich. Auch wenn noch keine genauen Zahlen vorliegen, müssen während der zweimal drei Stunden des Notfunktests permanent hunderte Funkstationen gleichzeitig in Betrieb gewesen sein. An den starken rufenden Stationen standen die Anrufer in Dreierreihen an und wurden nacheinander registriert und abgefertigt.

Wagen vor Funkmast OE5XTM

OE5XTM

Neben der Crew von OE5XTM arbeiteten auch zahlreiche andere Funker am 1. Mai mit ihren eigenen Fahrzeugen im Mobilbetrieb.

Mit durchschnittlichem Funkequipment, einem 100-Watt Transceiver und zwei 41 Meter langen Drahtantennen gelang es, mit der eigenen Station OE3EMB nahe Wien binnen einer Stunde in mehr als zwanzig verschiedene Bezirke quer durch Österreich Funkverbindungen aufzunehmen. Darunter waren Staatsfunkstellen der Bezirke, ebenso wie Stationen des Bundesheers, mobile Funkeinheiten des Roten Kreuzes und eine Zahl rein privater Funker, die ihre Ausrüstungen und Fähigkeiten in den Dienst der Übung stellten.

Wichtige Rückschlüsse

Beim Hilfseinsatz in Slowenien im Februar wurde von Funkamateuren aus Österreich ein Ad-Hoc-Netz aus Richtfunkstrecken für digitale Daten errichtet. 120 entsprechend ausgerüstete Mitglieder Freiwilliger Feuerwehren stellten das Gros der Helfer aus Österreich.

Da soviele Stationen gleichzeitig "on the air" waren, ließen sich auch verlässliche Rückschlüsse auf das Verhalten und die Reichweite der eigenen Antennenanlage im Kurzwellen-Nahverkehr ziehen. Gerade hier fehlen Funkamateuren vielfach Erfahrungswerte, da für den Nahverkehr normalerweise das flächendeckende Netz aus mehr als siebzig eigenen UKW-Relaisstationen der Funkamateure benützt wird.

Bei der Station OE3EMB wurde im Nahverkehr des 40-Meter-Bands ersichtlich, dass bei beiden Antennen auf der direkten Ost-West-Achse blinde Flecken auftreten, wo das Signal nicht oder kaum zu hören ist. So konnte kaum eine Station aus dem Bundesland Salzburg erreicht werden, der Kontakt zur räumlich nächsten Station - den ORF-Funkern in Wien - erwies sich für beide Seiten als schwierig herzustellen.

Eine böse Überraschung gab es im zweiten zugelassenen Band auf 80 Metern. Seit der letzten Optimierung der Antennen für den Interkontinentalfunk auf den höheren Frequenzen ließen sie sich nicht mehr auf dieses - persönlich selten genutzte - Band abstimmen. Ebenso war ein fix zugesagtes Stromaggregat letztlich nicht verfügbar, weil die Freiwillige Feuerwehr vor Ort aktuell zu einem echten Einsatz ausrücken musste.

Funkmast

OE3K

Dieses drehbare Antennenarray gehört zur Station OE3K des Bundesheers.

Verstimmungen im Vorfeld

Um so viele Freiwillige zu mobilisieren, war im Vorfeld natürlich eine entsprechend offensive Informationspolitik nötig. Das wiederum hatte zu einzelnen, interinstitutionellen Verstimmungen vor allem in den höheren Entscheidungsebenen geführt, auch das häßliche Wort "Panikmache" war vereinzelt gefallen.

"Da noch nie ein österreichweites Blackout passiert ist, sind verlässliche Parameter nicht wirklich vorgegeben. Man muss vielmehr mit Eventualitäten kalkulieren, das ist für Entscheidungsträger natürlich schwer zu handhaben", meinte Katastrophenschützerin Barbara Baumgartner abschließend dazu.

Zentrale Auswertung

Um angesichts so vieler schwer einzuschätzender Faktoren bei einem Strom-Blackout zumindest über die möglichen Hilfsressourcen genau Bescheid zu wissen, wurde die Notfunkübung in Form eines Contests abgehalten. Da bei einem solchen Funkerwettbewerb alle Kontakte aller Stationen mit einer eigens dafür geschrieben Log-Software zentral ausgewertet werden, um die Gewinner zu ermitteln, bleibt von dieser Übung eine Datenbank mit ausführlichen Informationen für einen tatsächlichen Notfall.

Daraus geht ziemlich klar hervor, welcher aktive Funkamateur an welchem Ort über welche Nahverkehrsausrüstung verfügt, wer auch mobil eingesetzt werden kann und wie gut die Notstromversorgung dabei funktioniert.