Erstellt am: 3. 5. 2014 - 15:06 Uhr
Ausstaffiert
Der 1.Mai wird als „Tag der Arbeit“ in ganz Deutschland gefeiert, in Kreuzberg hat er natürlich eine besondere Bedeutung. Denn am Tag der Arbeit finden hier nicht nur mehrereDemonstrationen und Straßenfeste statt, seit 1987 ist der 1. Mai auch der Tag des ritualisierten Straßenkampfes.
Als alte Kreuzbergerin hat man das alles schon mehrfach gesehen und erwartet nicht viel Neues. So heiß hergehen wie 1987 wird es eh nicht mehr, das Myfest wird von Jahr zu Jahr voller, die Bands immer schlechter, die Leute immer früher betrunken – also nichts wie raus aus Kreuzberg am 1. Mai. Mal zu unbekannteren Orten in anderen Bezirken, die vom 1. Mai-Tourismus verschont bleiben. Denn ist in Berlin nicht täglich so viel Neues zu entdecken? So hat in Berlin auch endlich mal ein Katzencafé
eröffnet. Was es in anderen europäischen Hauptstädten, in Paris, London und Wien schon längst gibt ist, ist für uns Berlinerinnen noch ein Novum.
Deshalb zog es uns am 1. Mai in den Nachbarbezirk Neukölln, der an seinen Rändern durchaus noch beschauliche unhysterische, hipsterfreie Zonen hat. In einer ruhigen Straße am Rande eines großen Friedhofsgeländes steht das erste Berliner Katzencafé „Pee-Pee“.
Christiane Rösinger
Das Konzept des Katzencafés kennen Weitgereiste bereits aus Japan. Weil die japanischen Großstädter viel arbeiten und selten zu Hause in ihren kleinen Wohnungen sind, es ihnen also nicht möglich ist ein Haustier zu halten, erfreut sich die Institution Katzencafé dort großer Beliebtheit.
Für umgerechnet 6 Euro die halbe Stunde kann man dort Katzen streicheln und Getränke zu sich nehmen.
Warum auch nicht? Es ist ja wissenschaftlich erwiesen: Katzen streicheln ist gesund und senkt den Blutdruck.
Wer mit einer Katze zusammenlebt wird wissen, dass dieses Co-Living den Blutdruck auch erhöhen kann, wenn die Katze sich zum Beispiel grundsätzlich einen weichen Hintergrund, zum Beispiel den Teppich, zum Kotzen aussucht. Oder wenn sie durch gute menschliche Pflege ein biblisches Alter erreicht hat, an Katzen-Alzheimer leidet und nachts laut klagend durch die Wohnung läuft. Trotzdem – so ein Katzencafé ist natürlich ein großer Gewinn für das kulturelle Leben Berlins und voll freudiger Erwartung steuerten wir das Etablissement an. Außen schön blau gestrichen, fanden wir es schnell, öffneten voller Vorfreude die Eingangstür und stellten uns tapfer der sofort einsetzenden Ernüchterung.
Wir standen in einem kleinen Café, die Betreiberin telefonierte im hinteren Bereich, außer uns waren keine Gäste da. Auf einem Katzenbaum neben dem Schaufenster thronte eine gestreifte Europäisch-Kurzhaar. Unbeirrt bestellten wir Kaffee und studierten die Hausordnung: Nur zwei Katzen wohnen vor Ort, Pelle und Carus. Sie sind Findlinge und haben hier ein neues Zuhause bekommen. Man soll sie nicht am Schwanz ziehen und nicht beim Schlafen stören.
Sie wirkten sehr nett und zutraulich, die beiden Cafékatzen, waren sie zuvor ja auch von einem Amtsarzt untersucht und einem charakterlichen Eignungstest unterzogen worden. Das und einiges andere erfuhren wir so nebenbei, weil die Wirtin gerade ein Telefoninterview mit „Arte“ machte. Strenge Auflagen hatte das Ordnungsamt Neukölln bestimmt: Nur zwei Katzen dürfen im Café gehalten werden und sie brauchen einen abgetrennten Rückzugsraum.
Als übersättigte Großstädter hatten wir uns den Ausflug ins Neuköllner Katzencafé natürlich spektakulärer vorgestellt – eine Freundin hatte vorher von einem Katzencafé in Kyoto erzählt. In dem 15 qm-Raum hätten sich 18 Katzen und 15 Menschen aufgehalten, es wäre ein bisschen eklig gewesen.
Christiane Rösinger
Eklig ist es im Neuköllner Katzencafé gar nicht, im Gegenteil: der Erdbeerkuchen schmeckt gut, alles ist in liebevollem Katzendesign ausstaffiert: Katzentassen und Katzengläser, Katzenpolster, Katzenlampen, Katzenvasen. Katzendrucke auf den Kissen und Teppichen. Nur wie gesagt, alles ein wenig unspektakulär. Aber vielleicht greift das Katzencafé -Konzept in Berlin einfach nicht so richtig.
Berlin ist ja erwiesenermaßen die Stadt der Tierfreunde und Hundehalter, und auch hier führt die Katze die Charts der Haustiere an. Wozu also ins Pee-Pee nach Neukölln, wenn man zu Hause sein eigenes Katzencafé hat?
Um diese Erkenntnis reicher traten wir den Heimweg ins revolutionäre Kreuzberg an. Hier war doch einiges anders gelaufen als die Jahre zuvor: Die Zugänge zum Myfest und auch die U- Bahnstationen waren wegen Überfüllung geschlossen. Auf der berühmten 1. Revolutionären Maidemo wurden 19 000 Teilnehmer gezählt, so viele wie noch nie und zum Schluss blockierten die Autonomen noch ein bisschen die U-Bahn-Gleise, worauf die Polizei ein bisschen Reizgas versprühte.