Erstellt am: 2. 5. 2014 - 21:19 Uhr
The daily Blumenau. Holiday Edition, 01/4-05-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Nebenstehender Text ist eine durchaus parteinehmende Polemik; die ganz wenigen, an einer Hand der Micky Maus leicht abzuzählenden altgedienten Redaktionen, die auch im Sportbereich bisher schon Qualitäts-Journalismus angeboten haben, bitte ich die bewusst zugespitzte Verallgemeinerung zu entschuldigen.
#fußballjournal14 #medien
Es ist absurderweise der Sportbereich und dort im Wesentlichen der Fußball, der die Kulisse für den relevantesten Konflikt-Fall im aktuellen Abwehrkampf der alten gegen die neuen Medien stellt.
Denn just dort hat sich eine kritische Masse an Online-Magazinen und Blogs gebildet, die den herkömmlichen Medien (samt deren Netz-Auftritten) zunehmend Konkurrenz macht. Andere Bereiche in denen die Blogosphäre es geschafft hat zum Player zu werden (Mode, Musik etc.) werden in den Tagesmedien nicht so recht abgebildet - Sport und Fußball schon. Und im Gegensatz zu Politik, Wirtschaft und Kultur eben auch von und in den neuen Medien.
Es gibt, nur um das gleich klarzustellen, da keine Frontlinie, entlang der Stellvertreter-Kriege geführt werden - die Auseinandersetzung ist aber trotzdem von allgemeinem Interesse, weil die Argumentationslinien natürlich allgemeingültig sind und viel über Selbstverständnis und Selbstsicht der alten Medien und ihres Zugangs erzählen.
Ja, eins noch vorab, falls das nicht bekannt ist: ich bin in diesem Fall vielleicht nicht Partei, aber parteiisch - so take this into consideration.
Anlass ist/war ein Editorial eines diese Woche erschienenen Print-Produkts alter Schule, das sich in keiner Sekunde kenntlich gegen den neumodischen Internet-Journalismus ein/absetzt, aber unforced eine Erklärung darüber abgibt was man nicht wäre; auf das ich von leise Verärgerten, die sich da angepatzt fühlen, hingewiesen wurde.
Zitat: Instant-Pseudo-Sportjournalismus der Gattung RRR (REIN mit einer vorgefassten Meinung, RAUS mit ein paar aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten, RASCH abhauen) überlassen wir anderen. Wir suchen den Dialog (...) Die härteste Währung in Zeiten des Medienwandels und des Jeder-schreibt-alles-über-alles-Unsinns bleibt das Urvertrauen, in das der Sportler in uns und das von Ihnen, liebe Leser, zu uns. Zitat-Ende.
Eine größere Selbst-Dekonstruktion in diesem altes-Print-gegen-neues-Online-Ding geht nicht.
Zunächst einmal die Konstruktion des Gegensatzes: die herkömmliche Printredaktion würde ohne vorgefasste Meinung an ihre Arbeit gehen, keine Zitate aus dem Zusammenhang reißen und den Dialog mit dem Sportler suchen, der Online-Journalismus nicht.
Eine kleine Inhaltsanalyse der Ausgabe des Mediums, aus dem die nämliche Abgrenzungs-Definition entstammt.
Die Fußballgeschichten sind ein paar Glam/Glitz-Stories als WM-Preview, ein ehrfurchtsvolles Trainer-Interview, eine Die-andere-Partei-Fortsetzungs-Ding, Portraits von in den Webmedien schon deutlich früher präsentierten Talenten, viel Fuzzlwerk und dann doch eine exklusive Geschichte über einen von den Bayern gecasteten 14jährigen.
Das Wesen des österreichischen Sportjournalismus der letzten 30, 35 Jahre (denn die überblicke ich) ist es, sich in den Dienst der Branche, der einzelnen Sportart, der Sportler und anderer Lobbys zu stellen und deren Botschaft zu verkünden. Die vogelwilde Zitierung und die vorgefasste Meinung sind dabei zwei der allertreuesten Begleiter. Noch schlimmer: in echten Konfliktfällen wechseln die Print-Sportredaktionen ihre mediale Unterstützung wie schwache Fähnchen im Wind. Zuerst das (gern mit besonders naiven Fragen) gestützte Gespräch mit Kontrahent A, dessen Blauäugigkeit als in diesem Moment einzige, nie aber relative Wahrheit geführt wird; dann das Gegenstück mit der anderen Partei und wieder geschieht es im Tonfall des treuherzigen Jüngers. Ausnahmen: mächtige Kooperationspartner, die aus ökonomischen Gründen sowieso nicht belangt werden dürfen (Verbände, früher auch einzelne Vereine). Wer keine Lobby hinter sich hat, kommt diesbezüglich nicht vor. Der Raum zwischen den Positionen, den andere Ressorts mit dem journalistischen Tool der Analyse füllen, ist im Sportbereich nur eine riesige gähnende Leere.
Durch die Grundeinstellung der Branche (dem Sport, den Verbänden, den Sportlern, allen Beteiligten niemals schaden, weil man gemeinsam in einem Boot sitzt) kann man natürlich euphemistisch als "Dialog" bezeichnen, man könnte es aber auch schlicht eine allgemein abgestimmte Propaganda nennen.
Dann zu den impliziten Befürchtungen, was der Medienwandel an schrecklichen neuen Un-Werten mit sich bringt: da wäre die vorgefasste Meinung, aber einmal überhaupt die Meinung, dann das wörtlich genommene Zitat, der Vertrauensbruch und schließlich das mit dem schnellen Abhauen.
Diese Ängste sagen mehr über den Äußerer als über die Angegriffenen aus, offenbaren nämlich ein paar Urängste.
Die des alten Sportjournalismus vor Meinung zum Beispiel - die Angst vor Analyse existiert nur deshalb nicht, weil Analyse nur als von vorgeblichen Experten abgesonderte heiße Luft gilt, die einem Sportjournalisten nicht zusteht.
Dann die Angst davor, die vielen Blabla-Wortspenden, die Tonnen von permanenten Zielraum- und Flash-Interviews, die im Sportjournalismus geführt werden und deren Bedeutungslosigkeit allen klar ist, auf so etwas wie Substanz zu überprüfen und im Fall besonderer Blödheit auch darauf hingewiesen zu werden. Sport-Interviews sind im Denken des heimischen Sportjournalismus dazu da, Emotionen zu verbreiten, Interesse anzuheizen und so den Ereignissen und der Branche insgesamt dienlich zu sein. Das ist auch nicht anders als in anderen verlotterten Bereichen wie dem Kultur- oder dem Wirtschaftsjournalismus - dort existiert aber auch eine Gegenstimme der kritischen Rezension oder Analyse; und die war, bis sie über die neuen Medien hineingetragen wurde, dem Sportjournalismus bislang unbekannt. Letztlich tu ich es hier ja wieder: ich nehme ein Zitat her und seziere es; wie es das Feuilleton oder der politische Journalismus immer schon und zurecht getan hat. Und da es bislang keine diesbezügliche Kultur gibt, ist der entsprechende Schock groß.
Und dann noch zu den klassischen Klischees: jeder darf alles über alles schreiben und außerdem hauen die Online-Medien nach ihrer Unheilbringerei dann auch rasch ab.
Nun ist der Journalismus in Österreich (trotz einiger Fortschritte in den letzten Jahren) immer noch kein Ausbildungsberuf, es existieren kaum standardisierte ethische oder inhaltliche Parameter - und im Sportbereich werden, durchaus traditionell, Fertigkeiten wie Beobachtungs- und Analyse-Fähigkeit oder Sprachgewandtheit immer noch zugunsten einer gewissen Nähe zur Branche oder dynastischen Klüngeleien zurückgestellt. Mehr jeder (Subtext: dahergelaufene) als im Sportjournalismus ging schon bisher nicht. Gerade deshalb ist die tatsächliche Öffnung, die die partizipatorischen und demokratischen Formen der neuen Netz-Medien nach sich gezogen haben, ein derart unerhörter Angriff auf das (ein wenig inzüchtlerische) Selbstverständnis der eingesessenen Sportjournalisten-Clique. Deshalb ist die Reaktion auf dieses jeder-darf-jetzt-echt-alles so heftig.
Noch tiefen/küchenpsychologisch interessanter ist der Vorwurf des "raschen Abhauens". Abgesehen davon, dass es in the long run genau umgekehrt sein wird - die Printmedien werden deutlich früher verschwinden; aber ich weiß schon, so ist es nicht gemeint... Es geht um die Branchen/Genre-Verbundenheit, die klassische Sportredaktionen über Jahre und Jahrzehnte zu ihren Sportlern, Verbänden, Playern haben. Man kratzt einander kein Auge aus, weil man auch künftig zusammenarbeiten wird müssen, mit Infos und Exklusiv-Stories gegen gezieltes Schweigen oder Verschleppung bezahlt. Der Sportjournalismus dient auch allzuoft als Sprungbrett an die Futtertröge guter Jobs in Den Presse-Etagen von Verbänden und Vereinen. Man tut einander nichts. Man bleibt einander nicht erspart.
Das ist (theoretisch) auch bei den neuen Online-Medien so - nur gibt es dort (vielleicht noch nicht, vielleicht bleibt's aber auch so) kein mit derartig viel bewusster Kumpanei verbundenes Arbeitsverhältnis. Im konkreten Blog oder im von Fans/Auskennern gemeinschaftlich betriebenen Web-Magazin ist diese bewusst auf Gegenseitigkeit beruhende Abhängigkeit kein Thema. Man ist - im Gegensatz zu den herkömmlichen Medien - nicht auf die herkömmlichen Zugänge, die Star-Interviews, die Junkets und Geschenk-Sackerln angewiesen. Die neuen Medien punkten dort, wo die alten nie angefangen haben: bei Zusammenhängen und Analysen, mit tiefergehenden Gesprächen und dem bis dorthin auch nicht gepflogenen politischen oder ökonomischen Blick auf den Sport.
Insofern haben sich die neuen Medien und ihre Themenzugänge tatsächlich des Abhauens schuldig gemacht; sie haben die klassische den gegenseitigen Interessen dienende für die Öffentlichkeit inszentierte Geschichte, sie haben die potemkinschen Dörfer der aufgeblasenen Dramuolette und shakespear'schen Tölpelszenen hinter sich gelassen und dem Pseudo-Journalismus, der in Österreich in den letzten Jahren eine löwingerbühnenmäßige Vorstellung von echtem Journalismus geboten hat, abgeschworen.