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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

2. 5. 2014 - 17:03

Videospiele in der DDR

Der Arbeiter- und Bauernstaat hatte eine eigene "PONG"-Konsole und einen Videospielautomaten. Welche Geschichten stecken dahinter?

Computer- und Videospiele wurden in den USA geboren und sind dort sowie in Japan und Westeuropa groß geworden. Games-Geschichten aus Staaten des ehemaligen Ostblocks bzw. der Sowjetunion hört man hingegen selten. Doch es gibt sie. In Wien konnte man zuletzt Ende Jänner etwas über die tschechoslowakische Spielecommunity hören. Und in Berlin forscht derzeit ein vierköpfiges Team unter dem Namen mediengeschichten dazu, was "Apparate uns erzählen" - im konkreten Fall Computerspielapparate aus der ehemaligen DDR, wo etwa im Jahr 1980 das "Bildschirmspiel 01" oder kurz "BSS 01" veröffentlicht wurde.

Bildschirmspiel 01 bzw. BSS 01

Jöran Eitel, mediengeschichten.de

Poly Play

Einige Jahre später ist sogar ein eigener ostdeutscher Videospielautomat entwickelt worden: der Poly Play. Das Computerspielemuseum Berlin ist einer der wenigen Orte, an dem man sich einen der wenigen erhaltenen Poly Plays ansehen und sogar an ihm spielen kann. Der Münzautomat war einer von vielen Versuchen, die Bürger der DDR am internationalen Aufstieg der Mikroelektronik in der zweiten Hälfte der 70er Jahre und Anfang bis Mitte der 80er teilhaben zu lassen.

Ein Mann spielt am Poly Play das Videospiel "Hase und Wolf".

Computerspielemuseum Berlin

Zwar haben die DDR-Werke die westlichen Produkte analysiert und dann bloß mehr oder weniger gut kopiert. Dennoch war man stolz darauf, dass man die Geräte in den eigenen Fabriken selbst hergestellt hat. In der DDR gab es also - neben den legendären Robotron-Computern - eigene Spielkonsolen und Videospielautomaten. Aber wie das in der Planwirtschaft eben so ist, gab es von jeder Form nur genau eine Variante.

Zur Zeit von "PONG" und seiner vielen Klone (1972 bis 1980), also der ganz alten schwarz/weiß-Telespiele mit dem eckigen Ball und den kantigen Schlägern, war die Tatsache eines einzigen Konsolenmodells aber nicht weiter schlimm, denn diese Geräte waren ohnehin austauschbar. Bis Ende der 70er Jahre gab es auch im Westen nicht viel mehr. Verantwortlich für den "PONG"-Überfluss war ein besonderer Mikrochip der US-Firma General Electrics, der AY-3-8500, der in quasi allen "PONG"-Geräten und seinen Klonen verbaut war. Und obwohl das stolze VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder) mit einigen tausend MitarbeiterInnen seine eigenen Kopien der Westgeräte herstellte, musste dieser spezielle Chip Ende der 70er Jahre aus dem Westen in die DDR importiert werden - eine kleine Schmach für den Arbeiter- und Bauernstaat.

"Hase und Wolf"

Nicht nur die Geräte, sondern auch die Videospiele der DDR waren Kopien westlicher Spiele. So wurde neben den 1:1-Übernahmen der diversen "PONG"-Varianten einige Jahre später im Poly Play etwa aus "Pac-Man" "Hase und Wolf". Wo aber mitten im Kalten Krieg viele Games des Westens militante Signale an die Sowjetunion waren und damit teilweise entsprechend in Verruf geraten waren, kam Gewalt in den digitalen Spielen der DDR kaum vor – "Wolfsjagd" war da schon das höchste der Gefühle. Die Parteiführung der SED sah in den frühen Videospielen eine Chance, junge Menschen an Technik und Naturwissenschaft heranzuführen.

Computer- und Videospiele als Teil einer modernen "Konsumgüterproduktion", wie das in der DDR geheißen hat, die die Arbeiterinnen und Arbeiter inspiriert, unterhält und sie anschließend motivierter weiterarbeiten lässt. Rein psychologisch war diese DDR-Strategie gut überlegt. Doch das politische System ließ – wie bei allen Gütern – wenig Diversifikation zu, es gab also neben Poly Play, BSS 01 und den Robotron-Computern so gut wie keine Alternativen. So wurden die DDR-Geräte für ostdeutsche Computerfans bald langweilig und man hat erst recht wieder in den Westen geschielt. Außerdem waren die Geräte teuer und damit für viele Interessierte nur in Vereinslokalen und öffentlichen Freizeiteinrichtungen zugänglich.

Weiterführende Forschung

Die Forschungsgruppe mediengeschichten zur Aufarbeitung der DDR-Spielegeschichte ist noch mitten in der Arbeit. Derzeit wird etwa auch die Involvierung der Stasi bei der Produktion der Mikroelektronikgeräte erforscht. Aktuelle Informationen gibt es neben dem Blog mediengeschichten.de auch in der Titelgeschichte bzw. im Dossier "Ostzillation – Computer im Osten" in der aktuellen Ausgabe des Computerspielmagazins Retro.