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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

1. 5. 2014 - 13:13

Neu und aufregend

Das Donaufestival in Krems geht in die zweite Woche: Gardland, Body/Head, clipping. und mehr.

Donaufestival

Vom 25. April bis zum 3. Mai in Krems.

Eine Behautpung: Der Mittwoch war und ist der am stärksten gebuchte Tag des Donaufestivals 2014. An so einem kruden und bunt zusammengeknobelten Programm mögen sich andere Festivals ihre Projektpapiere absamplen. Es gab melodiöses Dröhnen von Tim Hecker in der Minoritenkirche, meditative Gitarrenavantgarde, HipHop aus einer unwirtlichen Zukunft, Todeselektronik und Tanzelektronik, schwärmerischen Indie, Supernoise. Das hat oft alles nicht viel miteinander zu tun und passt so erschütternd gut zusammen. Das sollte man mittlerweile wissen, das Donaufestival schickt die Kunde davon.

Gardland

David Visnjic

Gardland

Schön, dass schon am frühen Abend ein Techno-Act die Halle 2 eröffnet: Das australische Duo Gardland hat letztes Jahr ein leider in der öffentlichen Wahrnehmung weitestgehend untergegangenes, fantastisches Album veröffentlicht, auf dem der Dancefloor nur mehr aus den Augenwinkeln betrachtet wird.

Man soll die Einflussnahme eines Plattenlabels auf die darauf veröffentlichenden Künstler sicherlich nicht überbewerten, dass Gardland beim in jeder Hinsicht coolen New Yorker Label RVNG Intl. zuhause sind, spricht dennoch für sie: RVNG Intl. ist ein exklusivst besetzter Feinkostladen, der sich in den vergangenen Jahren mit einigen wenigen Releases von beispielsweise Julia Holter, Stellar OM Source, Holly Herndon, The Body oder Maxmillion Dunbar ein scharfes Profil erarbeitet hat.

Gardland locken aus ihren Geräten - kein Laptop - einen lose zusammenhängenden Techno-Entwurf, in dem Improvisation die Maxime ist. Die Musik wandert, wabert und franst aus. Enge Maschen werden hier nicht gestrickt, an die Magie der Repetition, die sonst gerne den Dancefloor prägt, glauben Gardland immer nur kurze Momente lang. Die tiefbassige Macht von Dub wirkt hier ebenso durch wie freigeisternder Krautrock. Die Erzeugung von Intensität und Energie ist augenscheinlich keine Mission. Ein legerer Groove, der voller kleiner Ideen und überraschender Wendungen ist, den Sensationswert eben aber überhaupt nicht sucht. Eine durch die Wand abgehörte Raveparty in der Nachbarwohnung, ein glorreiches Vorglühen.

Body/Head

David Visnjic

Body/Head
Body/Head

David Visnjic

Danach erscheint im Stadtsaal die große Kim Gordon. bzw. tritt da ihr aktuelles Projekt Body/Head auf, das sie gemeinsam mit dem Gitarristen Bill Nace betreibt. Viel mehr ist da auch nicht zu sehen und zu hören, als zwei Menschen mit Gitarre, die sich umspielen, anteasen, gegeneinandersteuern und wieder auseinanderdriften. Body/Head machen genau geplante Improvisationsmusik. Was auf dem letztes Jahr erschienenen ersten Album namens "Coming Apart" zu hören war, wird nur kaum wiederholt. Es muss weitergehen. Die Einfälle kommen, Skizzen werden in den Raum geworfen.

Body/Head haben die Ideen von No Wave, Drone Musik sowie Minimal Music und ihre Liebe für Free Jazz, especially und ausdrücklich John Coltrane, ins Konzept der elektrischen Gitarren-Duos gespeist. Mantra-hafte Hypnosemusik, die gut einlulllt. Auf Platte funktioniert das vorzüglich, live merkt man der ganzen Angelegenheit schon an, dass hier nicht unbedingt allzu viel gewollt wird. Minimalismus ist nicht an sich immer super.

Wenn die gute Gordon aber ab und an ihr nach wie vor unerschütterliches Jaulen ins Mikrofon entlässt, werden schon noch ein paar Knie weich. Star Power over me. Man muss sich nicht viel vormachen, nach aller lieben Mühe: Lieber hätte man sie in einer anderen Band gesehen. So zu denken ist aber natürlich vorgestrig.

Snoww Crystal

David Visnjic

Snoww Crystal
Clipping.

David Visnjic

clipping.

Der sehr guten österreichischen Band Snoww Crystal gelingt danach eine Neudeutung von mit Hall zugenebeltem Shoegaze, bittersweet Dreampop und dem Genre My Bloody Valentine. Diese Musik bezieht sich ganz klar auf große Wegbereiter, hat aber mehr als ausreichend eigenes Leben, um die Sache interessant am Köcheln zu halten. Demnächst hoffentlich mehr von und zu Snoww Crystal. Man soll diese Band im Auge behalten.

Es folgt schon wieder ein Höhepunkt: Das amerikanische Trio clipping., zeigt, dass es im HipHop immer noch und immer wieder mehrere spannende Zukunften gibt. Das mit dem Image-Engineering klappt schon ganz gut bei clipping.: Die zwei Typen an der Elektronik tragen wahlweise AA-Hoodie oder ironische, schwere Rocker-Lederjacke, der MC Sonnenbrille in der Nacht im Club. Das sind nur Oberflächlichkeiten, aber die Musik klingt so. Vertrackte Hip-Elektronik, Noise und vom Schrottplatz abgeholte Beats kollidieren mit Raps, die vornehmlich die klassischen HipHop-Themen wie Party und Sex verhandeln und durch die selbstreflexive Linse brechen. Sehr gut. Demnächst erscheint via Sub Pop das erste offizielle Album von clipping.. Merken.

Pharmakon

David Visnjic

Pharmakon
Pharmakon

David Visnjic

Forest Swords

David Visnjic

Forest Swords

Viel länger als 20 Minuten muss ein Auftritt von Pharmakon nicht dauern. Man ist danach gleichermaßen ausgelaugt wie extrem geladen. Gereinigt, begnadigt und mit neuem Leben betankt. Die New Yorker Musikerin schießt Noise und Power Electronics als heiligen Strom in die Welt. Möge sie daran zugrunde gehen, möge sie sich daran erbauen. Dazu wird gekreischt. Es geht bei Pharmakon aber eben nicht um schnöde Verstörung. Hier soll ein emotionaler Kontakt zum Publikum hergestellt werden. Beim Live-Auftritt auch ein physischer. Pharmakon sucht die Nähe der Menschen. Großartig, Terror und Glück, in you face.

Die Nacht beschließt der junge englische Produzent Forest Swords, der seine ästhetisch wie tatsächlich beim Label Tri Angle beheimatete Geisterbahnelektronik (Never Forget: Witch House) mit Live-Bassisten überraschend groove-orientiert und hüftweich präsentiert. Ein sehr guter Typ mit sehr guten Platten und gutem Hipness- und Hype-Vorschuss, angesichts seines nicht allzu hohen Bekanntheitsgrads jedoch: Ein merkwürdiger Abschluss. Merkwürdig soll es sein.