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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

30. 4. 2014 - 14:05

Nationale Blackout-Notfunkübung am 1. Mai

Heute trainieren Funkamateure mit Rettung und Staatsfunkstellen die Notversorgung Österreichs mit Funkdiensten. Angenommen wird ein Stromausfall.

Die jährliche nationale Notfunkübung von Funkamateuren, Hilfsorganisationen und staatlichen Funkstellen am 1. Mai steht heuer unter der Annahme eines österreichweiten Stromausfalls. Fast exakt vor einem Jahr, am 2. Mai 2013, hatte sich - wie berichtet - eine Störung aus Süddeutschland blitzartig in Österreichs Stromnetze fortgepflanzt und Teile davon an den Rand eines zeitweiligen Blackouts gebracht.

"Ziel der Übung ist es, möglichst viele der Bezirke Österreichs mit eigener Funkausrüstung zu kontaktieren und einen kurzen Informationstext fehlerfrei zu übertragen", sagte Michael Zwingl, Präsident des Dachverbands der Funkamateure (OEVSV), zu ORF.at. "Wegen des Vorfalles 2013 liegt der Fokus heuer auf der Notstromversorgung dieser Funkanlagen", so Zwingl, trainiert werde vor allem die Nachrichtenübermittlung zwischen Funkamateuren und staatlichen Stellen.

All Austria Contest - AOEC

Rotes Kreuz

Als Österreichs Stromnetze wackelten

2013 hatte sich ein Steuerungsbefehl aus dem Gasnetz eines süddeutschen Energieversorgers in das Leitsystem des Stromverbundnetzes verirrt und dort rasend schnell multipliziert. Die Wirkung war den Ausbrüchen der "Würmer" zu vergleichen, die rund um die Jahrtausendwende weltweit wichtige Internetknoten und damit ganze Weltregionen für Stunden durch explosiv gestiegenen Datenverkehr lahmgelegt hatten.

Am 2. Mai 2013 war eine Abfrage aller Zählerstände aus einem bayrischen Gasnet in die Steuerung des Stromnetzes gelangt. Diese verirrte Abfrage wurde vom Leitsystem in Folge als Befehl verstanden, worauf immer mehr Komponenten des Netzes ihre Zählerstände meldeten und vielfach wiederholten, weil keine Bestätigung zurückkam. Die Folge war eine Datenflut, die das europäische Steuerungssystem regional für Stunden lahmlegte.

Im Leitsystem des Stromnetzes trat ein ganz ähnlicher Effekt auf. Mit der Folge, dass die echten Schaltbefehle der Stromversorger nicht mehr durchkamen. Stundenlang balancierten mehrere regionale deutsche und österreichische Stromversorger am Rande eines regionalen Blackouts, in den angrenzenden Stromnetzen herrschte stark erhöhter Regelbedarf. Anders als im Internet, in dem beim Ausfall eines Knotens auf andere Routen ausgewichen wird, kann der Ausfall eines Teilnetzes im Stromverbund fatale Folgen für alle anderen Netze haben, die benachbart sind.

Im Fall des Ernstfalls

Weil dann hintereinander auch alle Kommunikationsnetze in der betroffenen Region ausfallen, braucht es möglichst schnell autonom arbeitende, mobile Funker, die wichtige Kommunikationslinien wiederherstellen. Zuletzt waren österreichische Funkamateure mit zahlreichen Freiwilligen Feuerwehren in Slowenien als Helfer tätig. Bei der Eisregenkatastrophe im Februar war dort so ziemlich alles ausgefallen, was an öffentlichen Verkehrs- und Kommunikationsnetzen überhaupt ausfallen kann.

Hierzulande gibt es 6.500 staatlich geprüfte Funkamateure, die vielfach eigene, professionelle Funk- und Antennenanlagen für Kurzwelle und UKW quer durch Österreich betreiben. Sie arbeiten unter derselben Funkamateurlizenz wie die Operators des Bundesheers, der Bezirkshauptmannschaften, der Magistrate und der Landeswarnzentralen für Katastrophenschutz, die morgen im Einsatz sind. Die Übung spielt sich auf denselben Kurzwellenbändern ab, die sonst auf eigenem Equipment für europaweite und interkontinentale Funkkontakte im Freizeitbetrieb genützt werden.

Der Blackout-Wettbewerb

Um möglichst viele dieser Funker zum Mitmachen zu animieren, wird die Übung als Wettbewerb abgewickelt, bei dem Zusatzpunkte für Kontakte mit Staatsfunkstellen vergeben werden. Einen Sonderbonus gibt es außerdem, wenn die betreffende Station über eine eigene, autonome Stromversorgung verfügt. Kollektives Ziel ist dabei, Verbindungen mit möglichst vielen der 95 politischen Bezirke Österreichs herzustellen, um im Fall eines längeren Blackouts die Kommunikation der Einsatzkräfte zu unterstützen, oder überhaupt erst zu ermöglichen.

Welche Folgen ein Stromausfall von bloß 30 Minuten haben kann, zeigte sich 2012. Nach Unwettern war eine wichtige Komponente des Amazon-Datencenters US-East-1 in Virginia ausgefallen. Das löste eine Kettenreaktion im Datencenter aus, immer mehr Maschinen versuchten, Ad-Hoc-Sicherheitskopien anzulegen. Die Folge war ein Totalausfall von Teilen der Amazon Cloudservices, Netflix und andere Sites waren 12 Stunden nicht erreichbar.

So ist etwa im Wiener Rathaus eine sehr leistungsfähige Leitstelle im Betrieb, in Niederösterreich ist das Rote Kreuz mit zwei Mobilstationen in Mödling und in Laa an der Thaya aufgestellt. Aufgrund der Größe des Bundeslandes sei man bei solchen Übungen mit Staatsfunkstellen immer dezentral aufgestellt, sagte Gerhard Keller (OE1DLC), "um möglichst kurze Anfahrtswege für Einsätze zu haben und auch auf die aktuellen Ausbreitungsbedingungen reagieren zu können".

Die Funkanlagen des Roten Kreuzes seien modular aufgebaut und könnten deshalb in jedem Einsatzfahrzeug transportiert werden, sagte Keller. Zur Sicherheit habe man starke Back-Up-Batterien mit Leistungen von bis zu 100 Amperestunden dabei.

Private Funkmobile

Daneben werden noch weitere mobile Stationen morgen "on the Air" gehen, denn es gibt auch ein Anzahl ähnlich gut ausgerüsteter privater Funkmobile in ganz Österreich. Dazu kommen die vielen stationären Funkstationen, von denen wiederum viele bei internationalen Funk-Contests regelmäßig benützt werden.

Paradoxerweise ist es auf Kurzwelle generell leichter, Kontakt ins Ausland aufzunehmen, denn gerade im Nahverkehr gibt es tote Zonen, in denen dasselbe Signal nicht aufzunehmen ist, das hunderte Kilometer weiter stark wie ein Ortssender zu hören ist.

Die Teilnahmebedingungen für den Blackout-Contest sehen nicht nur Sprechfunk, sondern auch Morseverkehr vor.

Die Bodenwellen

Die angesprochenen Ausbreitungsbedingungen der Kurzwelle sind gar nicht einfach abzuschätzen, weil sie sich erstens sprunghaft ändern können und es zudem zwei völlig verschiedene Wellen sind, die da zugleich abgestrahlt werden. Die sogenannte Bodenwelle breitet sich nur in einem bestimmten Umfeld vom Stationsstandort aus.

Auf den beiden Frequenzbereichen, die am 1. Mai genutzt werden, nämlich das 80- und das 40-Meterband kommt man damit etwa 100 und 400 Kilometer weit. Theoretisch, denn damit ist aber längst nicht garantiert, dass die Funkerei in diesem Umkreis in alle Richtungen funktioniert. Je nach Sendestandort und Antennentyp werden die Stationen dann in verschiedenen Bezirken Österreichs sehr gut zu empfangen sein, in anderen sind ѕie nur sehr schwach oder gar nicht hörbar. Obendrein verändern sich Bedingungen laufend, wobei die markantesten Wechsel zwischen Tag- und Nachtbetrieb zu verzeichnen sind.

Die im Text sehr verkürzt dargestelle Ausbreitung der kurzen Wellen ist tatsächlich ein ziemlich komplexer physikalischer Vorgang.

Einmal Ionosphäre und zurück

Gleichzeitig mit der Bodenwelle wird die Raumwelle abgestrahlt, die völlig andere Charakteristiken hat. In mehr oder weniger flachem Winkel wird sie von der Antenne nach oben abgestrahlt und an der Ionosphäre etwa im gleichen Winkel wieder zurück zur Erdoberfläche reflektiert. Wie gut diese Reflexion funktioniert, wird wiederum weniger von irdischen Bedingungen, sondern vom "Sonnenwetter" bestimmt.

Ausbreitung der Raumwellen

CC-BY-SA-2.5 - Sebman81

Je nach Aktivität auf der Sonnenoberfläche werden von dort unterschiedlich viele ionisierte Partikel in Richtung Erde geschleudert, die dann sozusagen von außen auf die Ionosphäre treffen. Eine entsprechend große Fläche in einer Höhe zwischen 100 und etwa 200 Kilometern wird dadurch ionisiert. Man könnte das mit einem großen, teilweise oder ganz mit Wasserdampf beschlagenen Spiegel vergleichen, dessen Rückseite an verschiedenen Stellen von einem starken Fön angestrahlt und erwärmt wird.

Blanke Spiegel, Steilstrahler

Dort verflüchtigt sich der Wasserdampf dann temporär, die Ionosphäre wirkt an diesen Stellen dann wie ein blanker Spiegel Richtung Erde, die Funksignale werden ohne viel Verluste wieder zur Erde reflektiert. Dieser Effekt, der in der Regel dem internationalen Funkverkehr dient, lässt sich bis zu einem gewissen Grad auch für Kontakte innerhalb Österreichs nutzen, indem kein Flach-, sondern ein sogenannter Steilstrahler als Antenne eingesetzt wird. Man funkt dann eben nicht direkt mit der Bodenwelle von Tirol nach Wien, sondern stellt die Funkverbindung über die Reflexion an der Ionosphäre her. Dazu muss allerdings der richtige Abstrahlwinkel gefunden werden.

Im 1927 gegründeten Dachverband der Funkamateure OEVSV koordiniert ein eigenes Referat den Notfunkbetrieb. In echten Notfällen können in relativ kurzer Zeit so ein paar hundert weitere Stationen mobilisiert werden.

Tüfteln mit Erfahrungswerten

Damit sind erst ein paar der Faktoren aufgezählt, die zusammen bestimmen, welcher österreichische Funkamateur welchen Punkt Österreichs am Donnerstag zu welcher Zeit erreichen kann. Man kann also nur mit ungefähren Erfahrungswerten operieren, wobei es vielen Funkern an diesbezüglicher Erfahrung gerade im Lokalbereich fehlt.

Da die Königsklasse im Kurzwellenfunk nun einmal interkontinentale Verbindungen sind, weiß das Gros der Funker eher darüber Bescheid, wie gut welche Antenne auf welchem Band nach Nordamerika, Japan oder Australien funktioniert. Für den Nahbereich nützt man nämlich das österreichweite, flächendeckende Netz von etwa 70 UKW-Relaisfunkstationen. Allein in Wien gibt es vier Stück davon, der leistungsfähigste dieser Sender befindet sich auf dem Sendemast am Kahlenberg.

Auch dieses Netz wurde von Funkamateuren errichtet und betrieben, für den Notfunkbetrieb am 1. Mai wird es jedoch nicht benützt, da der Notfunkübung ein Stromausfall als Annahme zu Grunde liegt.

Die unbekannte Zivilschutztruppe

Funkamateure sind ebenso eine Zivilschutztruppe wie Freiwillige Feuerwehren oder Rettungsdienste, sie treten nur viel seltener öffentlich in Erscheinung, was im Grunde eine sehr gute Nachricht ist. Werden sie nämlich gebraucht, dann ist vorher ein Unglück eingetreten, wie bei der Lawinenkatastrophe von Galtür (1999) oder bei der großen Überschwemmung im Jahr 2002. In beiden Fällen waren Telefonie- und Mobilfunknetze im Umkreis für einen längeren Zeitraum ausgefallen.

Beim Hilfseinsatz in Slowenien wurde von Funkamateuren aus Österreich auch ad-hoc ein Netz aus Richtfunkstrecken für digitalen Datenaustausch errichtet. 120 speziell dafür ausgebildete und entsprechend ausgerüstete Mitglieder Freiwilliger Feuerwehren stellten das Gros der Helfer aus Österreich.

Zuletzt war eine Anzahl österreichischer Funker bei der Eiskatastrophe in Slowenien im Einsatz und dort wurden sie denn auch dringend gebraucht. Die Helfer von den Feuerwehren waren zwar auch mit Satellitentelefonen ausgerüstet, wegen des Eisregens waren jedoch keine Verbindungen zu den Satelliten möglich.

So steht auch die nationale Notfunkübung am 1. Mai unter dem heimlichen Motto, dass genau jener Ernstfall, den man gerade trainiert, hoffentlich nie eintreten wird. Das ist natürlich auch das Ziel der Stromversorger, die heuer bereits wesentlich besser auf einen Vorfall wie einen wild gewordenen Steuerungsbefehl vorbereitet sind. Das wird am kommenden Sonntag hier ebenso thematisiert, wie über den Verlauf des Blackout-Contest berichtet wird.