Erstellt am: 29. 4. 2014 - 19:19 Uhr
Hobby-Rock
Um Zugänglichkeit oder leicht nachzuvollziehende Linienführung hat sich das Animal Collective nur selten gekümmert. Mit ihrer durch harte Schnitte und Explosionen an jeder Ecke geprägten Musik, die sich zitat-haft durch so ziemlich jeden erdenklichen Stil wurstet, ist die Band zu einer der prägendsten und schlicht besten Gruppen der Nuller-Jahre geworden.
Neben minimalistischem Lagerfeuer-Gezupfe konnten da Dub, Kraut, ausfreakender Psychedelik-Rock und elektronische Basteleien stehen. Gerne auch innerhalb eines einzigen Songs. Man hat sich daran gewöhnt, auch an etliche schlechtere, dem Animal Collective ideologisch nachfolgende Bands.
Nachdem das – nach wie vor großartige - Album "Merriweather Post Pavilion" aus dem Jahr 2009, das die Band eher mantrahaft, an der Idee des Loops orientiert und so für Animal-Collective-Verhältnisse recht eingängig gebaut hatte, zum veritablen Pop-Hit avanciert war, folgte mit "Centipede Hz" darauf wieder ein wild durch die Gegend fliegender, im Sekundentakt Tempo und Richtung ändernder Ideen-Teilchenbeschleuniger.

Atiba Jefferson
Haben sich die Bandmitglieder mittlerweile mit all ihren grell zuckenden und vibrierenden Einfällen gegenseitig aus den Schuhen genervt? Dieses Jahr soll ein neues Album des ewigen Darlings Panda Bear erscheinen, in der Zwischenzeit hat sich Avey Tare, der zweite, immer ein bisschen im Schatten des Partners stehende Hauptsongwriter und -Sänger, eine Teilzeitband zusammengestellt. Ein bisschen Ferien von sich selbst muss sein, bevor dann in zwei Jahren im Hauptberuf wieder einmal ein die Welt erschütterndes Album aus dem Ärmel gezogen wird.
Neben dem Namenspender an der Gitarre und Gesang besteht das neue Projekt Avey Tare’s Slasher Flicks aus der großartigen Angel Deradoorian, die einst bei den Dirty Projectors in Lohn und Brot gestanden ist, an Synthesizer und Backgroundvocals und Jeremy Hyman von der schon aufgelösten Band Ponytail an den Drums. Auf ihrem Debütalbum kann man jetzt hören, wie das vielleicht klingen könnte, wenn sich das Animal Collective für große, große Catchiness entschiede, dabei aber immer noch komplett wahnsinnig und hyperinteressant bliebe.
In den Mitteln wird auf der Platte namens "Enter The Slasher House" eher Reduktion betrieben, das gewohnte Tempo und die Rasanz aber werden beibehalten. Wir haben es hier mit einem Power-Trio zu tun, das sich mit hibbeliger Verve angejazzten Frickel-Rock, Bubbelgum-Pop und allerlei Hup- und Quietschgeräusche aus den Instrumenten leiert. Was wiederum im Gegensatz zu den musikalischen Unternehmungen steht, die Avey Tare bislang außerhalb des Animal Collectives unternommen hat: Mit seiner damaligen Ehefrau Kria Brekkan hat er 2007 ein sprödes, verhuschtes Folkalbum aufgenommen, sein Soloalbum "Down There" war danach geprägt von Trauer und schmerzlicher Introspektive.
Es gilt auf "Enter The Slasher House" zwar immer noch allerlei Rummelplatz-Elektronik und Tüftelei am Hall und an den Effekten zu erleben, die ausdrückliche Ausrichtung heißt hier aber dennoch "Live-Band" und nicht wie beim Animal Collective "Forscher-Kollektiv inklusive Sampler". Digital collagiert und am Rechner nachgeschminkt wurde hier kaum.
Was der Platte freilich einen ungestümen, aufgekratzten Touch verleiht, gleichzeitig aber eben auch bedeutet, dass hier in dem ganzen vielstimmigen Kauderwelsch manch ein Schuss ins Leere geht. Eine Jam-Band, in der vieles geil sprudelt, aber auch so einiges überläuft. Macht gar nix. Ein kleiner Hobbyspaß nebenbei, bevor das Animal Collective allzu amtlich im großbürgerlichen Kanon im Aktenordner abgeheftet wird. Das mit den Harmoniegesängen kriegen auch Avey Tare und Angel Deradoorian schon ganz gut hin.

Domino
Der Titel der Platte korrespondiert mit der darauf gespeicherten Musik übrigens kaum. Horror-Soundtracks oder eine Hommage an John-Carpenter-Synthesizer-Abenteuer gibt es nicht zu hören. Das Slasher House von Avey Tare und seinen Mitstreitern ist vielleicht ein bisschen spooky, aber weder furchteinflößend noch schockierend.
Da ziehen sich ein paar Spinnweben zwischen den alten Regalen im Keller, das Holz ist morsch und ein komischer Nebel steht im Raum. Der Nebel bietet jedoch nicht Unterschlupf für böse Messermörder mit Maske (außer vielleicht die Band selbst in Halloween-Laune) , sondern kommt bloß vom gemeinschaftlichen Rauchen. Es ist ein rosafarbener Rauch, er transportiert die Psychedelik, die man vom Animal Collective kennt, er induziert hypnotische Zustände, bringt Spaß und ist flüchtig.