Erstellt am: 29. 4. 2014 - 16:18 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 29-04-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Die dieswöchige Monday Edition zu schreiben hab' ich schlicht und einfach vergessen. Dafür kommen heute eh gleich mehrere Topics vor.
Strategisches Scheitern an Satire, Liberalismus und Religion
#machtpolitik
Immerhin: Nur ein gutes Jahr nach dem Auftauchen der Neos hat der Hauptbetroffene, die ÖVP, eine erste Strategie dagegen entwickelt. Das ist für eine über Erstarrung und Bewahrung sozialisierte Bewegung, die schon mit leichter Bewegung merkbare Schwierigkeiten hat, gar nicht so schlecht.
Die Abgrenzung-Karte, auf die die Abteilung Attacke, also der Generalsekretär Blümel setzt: die lupenreine Gretchenfrage, wie man es nämlich mit der Religion halte. Angriffspunkt: Niko Alm und seine Zugehörigkeit zur Satire-Kirche der Pastafarians - wir erinnern uns: anlässlich des von Alm mitinitiierten Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien provozierte sich der gelernte Medien-Mensch damit in einige Schlagzeilen. Und, wie wir heute wissen: letztlich war diese Kampagne ein Probelauf für die der Neos zur Nationalratswahl.
Blümel stellt nun dem Nudelsieb-Alm einen papsthandschüttelnden Spindelegger entgegen und stellt den Unterschied klar: Die einen (seine ÖVP) würden Religion als Thema seriös verhandeln, die anderen (Alm und die Neos) seien glaubensherabwürdigende Verhöhner.
So weit, so schlüssig.
Bloß...
...nochmal zum Ziel dieser mit viel Aufwand betriebenen Gegen-Kampagne, die erste und bislang einzige ihrer Art: zu den Neos abgewanderten Ex-VP-Wähler wieder in den heimatlichen Schoß zurückzutreiben.
Ich kann mich ja täuschen, aber die Papst-Strategie von Blümel zielt auf stark von Religion geprägte, eher ländliche, stark verwurzelte vielleicht sogar Noch-Kopftuchträgerinnen, sowie das ganz vereinzelt noch existierende urbane Großbürgertum mit stark religiösem Background, Habsburger abwärts.
Ich kann mich wieder täuschen, aber ich würde nicht annehmen, dass genau diese Klientel an die Neos verlorenging. Ich denke, dass sich die Blümel-Botschaft tendenziell an das Core-Publikum, die 20% der Immer-Noch-VP-Wähler wendet. Vielleicht ist das ja Absicht - mit einer scharfen Abgrenzungs-Kampagne klarstellen, dass nicht auch noch die Hochburgen das schwarze Schiff verlassen.
So richtig gegen die Neos richtet sich das aber nicht. Denn dorthin sind diejenigen unter den ehemaligen VP-Wählern gewandert, die mit der der alten Kirche-Kinder-Küche-Politik eher weniger anfangen können, die die mit der altbackenen pseudoideologischen Blockierer-Haltung nix mehr anfangen können, diejenigen deren Sehnsucht nach einem staatsfernen Liberalismus bei der VP auf Beton gestoßen ist.
Diese nicht nur in Wien in Scharen abgewanderten Menschen fühlen sich durch die Blümel-Kampagne nicht verunsichert, sondern - ganz im Gegenteil - bestätigt.
Kickl, das Role-Model und die Löschblätter
#machtpolitik
Wer ein Problem damit hat nachzuvollziehen, warum die FPÖ strategisch so viel cleverer und richtiger agiert, nicht nur auf der plumpen Provo-Ebene, sondern auch, was Zielgruppen und die Konzentration auf frei fluktuierende Interessens-Gemeinschaften betrifft, ist in diesem Interview in der Sonntags-Presse richtig aufgehoben. Da zeigt deren Generalsekretär Herbert Kickl was er außer Plakat-Reimen kann: ruhig analysieren, clever kontern, geschickt austeilen, innerparteipersonell anecken, sich gewandt distanzieren und für alles eine Position anbieten, die er (zumindest gefühlt) nicht erst mit einigen Cheffes abstimmen muss. Was ihn dann eben durchaus dramatisch von seiner VP/SP-Kollegen unterscheidet (und dass ich jetzt sein Äquivalent bei den Grünen gar nicht benennen könnte, zeigt deren größtes Problem).
Kickl erklärt da auch, und das FP-erstmals ohne aufpudelndes Getöse, die neue Bewunderungs-Beziehung zu Putins Russland. Dabei nimmt er eine nicht unschlaue amerika-kritische Position ein, und erkennt Russland als Teil von Europa an. Putin sei interessant, weil er "Lebensinteressen seines Landes auch offensiv" vertritt, Identität und Stabilität geschaffen habe. Wenn auch demokratiepolitisch "viel Luft nach oben" wäre.
Kickl ist gut drin im Thema; aber auch weil eine ganz entscheidende Nachfrage auf seine Verneinung eines Role-Model-Status fehlt. Was denn die Putin-Positionen von denen der FP, was dessen Einiges Russland von der sozialen Heimatpartei (abgesehen von der Tatsache, dass man sich an der Macht befindet) denn rein ideell unterscheiden würde. Gar viele Löschblätter, das haben die Ansagen davor klar belegt, passen da nämlich nicht dazwischen. Und einen besseren Ansatzpunkt um das Demokratieverständnis abzufragen, sehe ich nicht.
Wenn man selber der eigenen Propaganda widersprechen muss, weil es sonst keiner tut, stimmt was nicht
#sport #medien
Irgendwie war es unheimlich, unwirklich, putinesk. Österreichs nach dem großen Eklat in Sochi neu formierte Eishockey-Nationalmannschaft mühte sich bei der B-Gruppen-WM in Südkorea auf das Unendlichste ab. Gegen den schlussendlich punktelosen Gastgeber geriet man mit drei Toren in Rückstand; gegen die No-Name-Truppe aus Ungarn und das gerüttelte Team aus der Ukraine schaffte man in der regulären Spielzeit jeweils mit Ach und Krach ein Remis und gegen Slowenien (wo man davor vollmundig die große Olympia-Revanche angekündigt hatte) verlor man. Dass es trotzdem, ums Arschlecken, im Vergleich zu den punktegleichen Japanern für Platz 2 und den Aufstieg reichte: reines Glück.
Trotzdem wurde das, was an Jubelmeldungen aus dem fernen Osten rübergefunkt wurde, gnadenlos weiterverbreitet: alles super, die tolle junge Mannschaft, niemand hätte das im Vorfeld gedacht...
Der sehr verzweifelten Propaganda eines unter Beobachtung und im schiefen Licht stehenden Teams ist das nicht zum Vorwurf zu machen - die kritiklose Übernahme allerdings war (auch angesichts der Live-Sichtbarkeit der Spiele) frappant.
Klar war die Mannschaft jung (gezwungenermaßen: Rücktritte, Nichtverfügbarkeiten, die aber z.B. auch Slowenien betrafen) und teilweise turnierunerfahren.
Nur: eine jede aus der EBEL rekrutierte Mannschaft muss (bis auf die Slowenen) jeden der erwähnten Gegner klar in Schach halten; das ist eine Frage der Klasse und der Spielstärke. Die Qualifikation für die A-WM der besten 16 weltweit war also zu jedem Zeitpunkt ein Muss, einfach weil die Konkurrenz zu schwach ist. Punkt.
Nur: Das alles wurde dem Mainstream-Medien-Konsumenten so nie mitgeteilt. Da blieb es bei der Weitergabe der offiziellen He-Super-und-auch-noch-so-jung!-Propaganda.
Einen Tag später geht die Zerfleischung weiter: in einem Kleine Zeitung-Interview wirft Viveiros Suhonens Stab Trunksucht vor, der Interviewer auch Suhonen selber. Tags drauf kontert Suhonen mit einem Lügen-Vorwurf.
Mehr über die Hintergründe der Sochi-Affäre hier bei Johann Skocek
Dieser Zustand war so absurd, dass es dem Sportdirektor des Verbands, dem Finnen Alpo Suhonen zu viel wurde: Er stellte die Sinnfrage, nämlich ob es mit dieser Leistung, mit diesem Kader, mit/ohne den Sochi-Sündern, mit diesem Trainer, mit den bisherigen Strukturen etc auch nur ansatzweise für eine A-WM reichen würde, welche Österreich seit der WM 05 in Wien/Innsbruck nach jedem Erreichen postwendend wieder verlassen musste.
Einen Tag später gab er sich selber eine Teilantwort: Coach Manny Viveiros, der schon im Vorfeld von Sochi Probleme offenbarte wurde entlassen.
Mir gibt das schwer zu denken.
Dass nämlich der eigene Sportdirektor die eigene Performance deutlich kritischer behandelt als es davor in den Medien der Fall war - wann ist so etwas zuletzt passiert, wann geschieht derlei überhaupt?
Und: Wieso wird redaktioneller Platz, der mit der brav übernommenen Propaganda gefüllt wurde, nicht als Promotion-Text gekennzeichnet? Und: wieso stattdessen nicht ein bisserl Journalismus?