Erstellt am: 27. 4. 2014 - 16:26 Uhr
Palast der Winde
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Um den Hip-Faktor scheint sich der in Brooklyn beheimatete Musiker, Sänger und Songwriter Peter Silberman nicht gar so viel zu scheren. Albernheit und unerträglicher Ironie setzt er Ernsthaftigkeit und aus dem Herzen geweinte Songs entgegen. Ein kleiner Humor darf da und dort schon auch flüstern, vielmehr aber verhandelt er mit seiner Band The Antlers schon eher die gewichtigen Themen. "Hospice", das Durchbruchsalbum der Antlers aus dem Jahr 2009, erzählte von der Liebesbeziehung zwischen einem Krankenpfleger und einer sterbenskranken Krebspatientin. Es war schwer, es war schön, es ging nicht gut aus.
The Antlers
Nun, warum aber sollte Seriosität um Himmels Willen denn uncool sein? Manche Band und der eine oder andere junge Schmerzensmann in seinem Kinderzimmer neigen eben leider dazu, Trauerarbeit mit pompös ausgestelltem Selbstmitleid und das Wälzen tiefschürfender Fragen mit Selbstherrlichkeit und dem Wiederbeten ewig öder Kalenderblattweisheiten zu verwechseln. Sicher: An nicht wenigen und auch sicher nicht den uninteressantesten Künstlerpersönlichkeiten sind Egozentrik und Arroganz nicht gerade die unwesentlichsten und unspannendsten Eigenschaften. Wenn da aber sonst recht wenig funkelt, bleibt nichts außer hohle Pose, die eben selbst gar nicht weiß, dass sie Pose ist.
The Antlers tänzeln und torkeln immer recht souverän an dieser Kante zwischen Pathos und Pathetischem, großem wichtigen Gefühl und sülzetriefender Rührseligkeit. Die ja auch Spaß bringen kann. Den Spaß des Schmerzens. Zuviel Würde ist auch ungesund.
Mitte Juni wird unter dem Namen "Familiars" das fünfte Album der Antlers erscheinen, die Vorabsingle "Palace" ist jetzt wieder so ein schwebender Wehmutssong geworden, die Luft flirrt, lau, müde fallen die letzten Strahlen der Frühabendsonne gerade noch so in den hintersten Winkel der Veranda. "Palace" ist auch ein schön konservativer Song, ein Lied übers Erwachsenwerden, übers Anderswerden. Von nun an müssen wir nicht mehr jeden Tag einem anderen Regenbogen nachjagen. Sind ja eh alles nur Luftikusse! In und mit "Palace" schnitzen wir uns zwar bildhaft Paläste ins Herzen, es geht hier aber auch darum, dass mit dem Alter die Sesshaftigkeit kommen kann. Auf allen Feldern.
Peter Silberman singt in seiner dünnen, zerbrechlichen Stimme von der Kindheit. Wir waren frisch, wir waren unschuldig, wir waren neu. Wir hatten Durst: "You were simpler, you were lighter when we thought like little kids / like a weightless, hate-less animal."
Wir hören von der schleichenden Entfremdung zwischen einstigen Kameraden. Die wunderbaren Jahre sind vom Wind verblasen, die Erinnerungen sind mal matt, mal verklärend. Der Duft des Teegebäcks unserer Jugend wärmt uns nicht länger die Nase, auch aus dem Spiegel blickt uns ein weitgehend Unbekannter entgegen. An manchen Tagen mögen wir solche Gedanken pflegen.
Gleichzeitig beschwört der Song die Macht einer inneren Ruhe, einen meditativen Stillstand und die unsichtbare magische Verbindung, die die Zeit vielleicht überdauern wird können. Das Stück "Palace" wird von der zärtlichen Kraft einer Trompete getragen, die schon auch überdeutlich die Idee "Sehnsucht" ausbuchstabiert. Wir ahnen es: Auch ihre süße Melodei wird verblassen müssen. Bleiben wir neugierig.