Erstellt am: 26. 4. 2014 - 15:41 Uhr
Keine Panzer im Berliner Tiergarten
Das Leben der Lo-Fi-Boheme
Geschichten aus der deutschen Hauptstadt von Christiane Rösinger
Seit 1945 stehen im Berliner Tiergarten, an der Straße des 17. Juni, zwei russische Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie sind Teil des Sowjetischen Ehrenmals beim Brandenburger Tor und flankieren die Statue eines Rotarmisten. Auf dem Gelände des Ehrenmals liegen die Gräber von etwa 2.500 russischen Soldaten.
Die Touristen finden die Panzer interessant und für so manchen, der in den Achtzigern nach Westberlin kam, gehörten sie zum angenehmen Frontstadt-Grusel: Der Inselstatus, der Mauerstreifen, die großen Tafeln, die vor dem Verlassen des jeweiligen alliierten Sektors warnten, die Einschusslöcher am Reichstag und die Panzer im Tiergarten - das gehörte zur russisch-berlinerischen Folklore. Im Zuge der Wiedervereinigung hatte sich die Bundesrepublik im deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsvertrag von 1990 ausdrücklich verpflichtet, das sowjetische Ehrenmal im Tiergarten zur Erinnerung an die gefallenen Soldaten der Roten Armee zu "achten, zu erhalten und zu pflegen".

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Nun haben aber zwei Boulevardblätter ("Bild" und "BZ") vor dem Hintergrund des russischen Vorgehens in der Ukraine verlangt, die Panzer zu entfernen und zu einer Unterschriftenaktion aufgerufen:
"Russische Panzer. An der Grenze zur Ukraine ängstigen sie viele Bürger des kleineren Landes. Am sowjetischen Ehrenmal in Berlin erinnern sie an die Befreiung von der NS-Herrschaft. Doch wie zeitgemäß ist diese Symbolik im 21. Jahrhundert? In einem Moment, da russische Militäreinheiten an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren und die Freiheit eines souveränen Staates bedrohen?"
Politiker der CDU unterstützen die Unterschriftenaktion, weil jetzt der richtige Zeitpunkt sei, "diese Zeichen des grausamen Krieges zu beseitigen", und fordern die Umgestaltung des Platzes, ohne Panzer.
Eine besonders idiotische Idee kam von einem grünen Europa-Abgeordneten: Er forderte, der Künstler Christo sollte die Panzer, ähnlich wie damals den Reichstag, dauerhaft verhüllen und somit symbolisch nach Russland zurückschicken. Der innenpolitische Sprecher der Grünen erklärte hingegen, die Initiative gegen die Panzer sei eine "PR-Aktion für kalte Krieger".
In Berlin gibt es drei russische Ehrenmale, sie sind Siegesdenkmal und Soldatenfriedhof zugleich und für die russische Bevölkerung auch heute noch eine wichtige Kriegserinnerung. Täglich gehen ganze Busladungen russischer Touristen um das Ehrenmal im Treptower Park und bleiben ergriffen vor der in deutsch und russisch eingemeißelten Inschrift am Parkeingang stehen: "Ewiger Ruhm den Helden, die für die Freiheit und Unabhängigkeit der sowjetischen Heimat gefallen sind".
Das Treptower Ehrenmal wird von einem riesigen Rotarmisten mit zerborstenem Hakenkreuz und gerettetem Kind auf dem Arm beherrscht, im Tiergarten sind es die Panzer, die an die heroischen Tage der Roten Armee erinnern.

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Das erklärte auch der deutsche Historiker Ganzenmüller, als er dieser Tage zu der Panzer-Debatte befragt wurde: "Der Heroismus und das Gedenken an den Sieg sind in Russland untrennbar mit dem Trauern um die Opfer verbunden. Genau das sieht man an dem sowjetischen Ehrenmal. Wenn man fordert, dass man sich anders erinnern muss, dass dieses Kriegsgerät abgeräumt werden muss, dann ist das zugleich auch eine Beleidigung der Opfer."
Und zudem begeht die "Bild"-Zeitung eine grobe Geschichtsfälschung, wenn sie das russische Gedenken an den Zweiten Weltkrieg mit der aktuellen russischen Ukraine-Politik vermischt. Denn wenn man die Panzer am Ehrenmal abräumen will, weil russische Panzer in der Ukraine heute Europa bedrohen, suggeriert man, dass auch damals, vor 1945, russische Panzer Europa bedroht hätten.
Die Sowjetunion hat aber zwischen 1941 und 1945 einen Verteidigungskrieg gegen das deutsche Reich geführt.
So basiert die ganze Panzerdebatte auf nichts außer antirussischen Ressentiments und erinnert an die Zeit des Kalten Krieges.