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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

25. 4. 2014 - 14:54

Die neue Wallis Bird

Wallis Bird erfindet sich neu und bleibt trotzdem Wallis Bird. Die in Berlin lebende Irin nennt ihr neues Alum "Architect".

Als ich "Hardly Hardly", die neue Single von Wallis Bird, erstmals hörte, fragte ich mich kurz, ob das denn wirklich Wallis Bird ist. Ja, sie ist es, unverkennbar ihre Stimme, aber der Sound ist "neu". Wallis Bird, bisher in den Welten des Indiepop, Punk, Folk und Alternative-Rock zuhause, mit einem Schuss Soul in der Stimme - "Soul" wie Seele, nicht wie Kommerz-Soul-Pop -, hat den Dancefloor für sich entdeckt. In Berlin hat sie ganze Nächte durchgetanzt. Wallis Bird war etwas "erstarrt", als sie vor etwa eineinhalb Jahren von London in die deutsche Bundeshauptstadt übersiedelte. London hatte ihr gewissermaßen die Luft abgeschnürt. So viele, die dort leben und Musik machen, arbeiten ständig, sagt Wallis Bird im FM4-Interview. Man muss jobben, jobben, und nocheinmal jobben, um die Rechnungen bezahlen zu können. Bis in die Morgenstunden herumzulungern und zu jammen, auf Ideen zu kommen, nein, geht meist gar nicht. Aber damit geht auch so viel Kreativität verloren, beklagt Wallis Bird.



Albumcover "Architect" von Wallis Bird

RoughTrade

"Architect" von Wallis Bird ist bei Kaiserlichkoeniglich/Bird Rec/Rough Trade erschienen.

In Berlin hat Wallis Bird, die aus der irischen Stadt Wexford stammt, ihre Lebensfreude wiedergefunden, und auch die Songs sind damit wieder gekommen. Berlin ist noch leistbar für Menschen, die nicht das große Geld haben. Die Stadt gibt einem einen gewissen künstlerischen Freiraum. Das schätzt Wallis Bird. Aber vielleicht kommt vom leidigen Geld ja demnächst auch ein größerer Batzen zu Wallis, dringt sie mit ihrer Musik doch auch langsam dezent in den Mainstream vor. Wenn jemand das Zeug dazu hat, vor einem großen Publikum zu agieren, eine "Masse" mitzureißen: Wer, wenn nicht Wallis Bird. Das zarte blonde Mädchen aus den Tagen, als sie ihr erstes Album, ein Mini-Album, veröffentlichte, das geblümte Baumwollblüschen trug und eine akustische Gitarre in den Händen hielt, ist Vergangenheit, obwohl die Akustische weiterhin von ihr gespielt wird.



Wallis Bird hat nun voll und ganz, so scheint es jedenfalls, zu sich gefunden. Sie hat sich gewissermaßen ihr Haus gebaut. Deshalb der Titel "Architect". Warum Wallis Bird ihren neuen Longplayer gerade "Architect" nennt, kann man weiterspinnen: Ein/e ArchitektIn entwirft, gestaltet, baut. Auch kann man zum Architekten seines eigenen Lebens werden, oder man ist schlichtweg fasziniert von der Architektur der Bauten in Berlin. Das alles spielt in den Albumtitel von Wallis Bird hinein. Auch hat es ihr der "House" angetan, eine Spielart der elektronischen Musik, die einen gern zum Schwitzen bringt. Wallis singt, schreit und stampft. Okay, das hat sie in der Vergangenheit auch schon immer getan, aber wenn sie es zu den "push and pull"-Rhythmen von House tut, dann hat das eine Extra-Wirkung. Und da kommt wieder die "Haus-Bauerin" Wallis Bird - nein, wir wollen bewusst nicht "Häuslbauerin" sagen - zum Vorschein: Ein "architect" baut ein "house". Hübsches Wortspiel. Wo ein Haus gebaut wird, braucht es auch Hammer und Nägel, spätestens beim Dachstuhl: "Hammering" heißt ein weiterer Song auf dem neuen Album von Wallis Bird; er ist eine kleine Tour-de-Force. Ja, auch Anstrengung ist Teil des Lebens.

Go, Wallis, Go!

Nicht immer war alles "rosig" im Leben der Wallis Bird. Das fing an mit dem Unfall, den die erst wenige Jahre alte Wallis im elterlichen Garten hatte. Sie kam mit ihrer linken Hand in den Rasenmäher. Wie durch ein Wunder konnten vier Finger gerettet werden, aber eine Gitarre spielen - die Saiten greifen am Hals des Instruments, wie sollte das gehen? Ach was, Gitarre einfach umdrehen und mit den Fingern der rechten Hand greifen; mit der lädierten linken Hand würde sich das Weitere machen lassen. Das ist Wallis Bird. Nicht aufgeben, immer weitermachen. Selbst als ihre Beziehung zur großen Popindustrie, die an ihrer Musik Interesse gezeigt hatte, hoffnungslos zerrüttet war, stand Wallis auf und machte weiter. Da ging es erst richtig los. Spielen, spielen, spielen, wo immer es ging; kleine Festivals, größere Gigs, spielen, spielen, spielen. Jetzt ist Wallis Bird, diese "Architektin", also beim vierten Album angelangt.

Wallis Bird

Bird Records / Jens Oellermann

Wallis Bird bekennt sich zur gleichgeschlechtlichen Liebe, singt von Beziehungen und deren Ende, vom Sich-Neu-Verlieben, etc. - in Songs wie "I Can Be Your Man", "Girls" oder "Gloria". Wallis Bird zieht aber auch eine kleine Kinderspielzeug-Flöte aus der Tasche, kramt in einem Fundus aus alten irischen Instrumenten oder spielt schon mal ein Flügelhorn. Ein Akustik-Gitarren-Magazin sagte ein Interview mit ihr ab, als das neue Album heraußen war, mit der Begründung, dass sie ja die akustische Gitarre nicht mehr spielt, jetzt wo sie doch eine "House"-Sängerin geworden ist. Wallis Bird lacht herzhaft, als sie diese Anekdote erzählt. "Hardly Hardly" spielt sie ja etwa auch bei Radio-Sessions nur mit der akustischen Gitarre, auch, wenn es zu diesem Stück einige Remixes gibt, die Wallis und ihr Team in Auftrag gaben.

Wallis Bird spielt am 6.5. in der Arena in Wien und am 17.5. auf der FM4 Bühne beim Linzfest.

Der Live-Sound von Wallis Bird ist jetzt mit den künstlerischen Veränderungen nicht komplett auf den Kopf gestellt, aber "the beat is a reversed beat", sagt Wallis. "What we play live, it´s pretty much what we've always done live, we're just using a lot more sound manipulation on stage, like effects, and we play differently; there's different rhythms." Und ein neues Bandmitglied gibt es etwa auch: Emma Greenfield von Dear Reader - ebenfalls eine Irin in Berlin.