Erstellt am: 24. 4. 2014 - 15:04 Uhr
Und er so, ich so und der so
"Sie fanden diesen Text, und Worte sind harmlos, dachten sie, dabei kann alles Gedachte, Gesagte, getan werden, es kann jedes Wort so ungeheuer fleischlich werden und gefährlich."
fm4.ORF.at/buch
Literaturrezensionen und AutorInnenporträts
Diese Warnung stellt Verena Roßbacher in den ersten Seiten von "Schwätzen und Schlachten" in den Raum und bei einem Buchtitel wie diesem ist das ein Versprechen. Im Plauderton erzählt die gebürtige Vorarlbergerin Roßbacher mit Wohnsitz Berlin in ihrem zweiten Roman von einem Kriminalfall, der im Laufe der Handlung zu einem vermeintlichen wird. Denn Verena Roßbacher schwört auf Metaebenen.
Sarah Schlatter
Das Abschweifen erhebt sie auf über 600 Seiten zum Prinzip. Das könnte anstrengend sein, ist aber vergnüglich: genug Platz für amüsante Passagen. Also ab ins Café, natürlich in Berlin, wo drei Männer sich treffen, ab und an Hausmusik machen und einander die Welt in einer Endlosschleife an Konversationen aufbereiten.
Hat man die ersten hundert Seiten gelesen, die drei Hauptpersonen David Stanjic, Frederik von Sydow und Simon Glaser kurz kennengelernt und sich daran gewöhnt, dass sich Verena Roßbacher selbst als Ich-Erzählerin immer wieder wie laut denkend ins Erzählen einbringt und auch die Einwände des Lektors festgehalten werden - dann ist man entweder frustriert, weil die Handlung nicht und nicht flotter vorankommen will oder akzeptiert, dass dies kein Krimi mehr wird.
An diesem Punkt angekommen lässt sich "Schwätzen und Schlachten" bei jedem beliebigen Kapitelanfang aufschlagen. Im Nu wird man abgelenkt von all den Dingen, die einen vor dem Griff zur Lektüre wirklich beschäftigt hatten. Wie ein orientalisches Fliesenmosaik könnte man sich Roßbachers Abhandlungen zusammensetzen.
139 Kapitel
Verlag Kiepenheuer & Witsch
Neue Medien und der österreichische Film, Zwickmühlen und Astronauten, viele Suppen, etliche Anschauungen zu Kunst und ihren diversen Sparten und schlussendlich ein bisschen Liebe - auf die Schnelle fiele einem nichts ein, was Roßbacher auslässt. Allesamt Top-Themen für Plaudereien und perfekt, um keine Gedankenanstrengung beim Lesen zu haben. Und wer könnte bei Überschriften wie "Es gibt auch so was wie moralische Integrität", "Sags mit Träumen" oder "Wer nackig ist, kann nichts mehr ausziehen" widerstehen?
Freilich, insgeheim trägt einen die Neugier doch noch zu erfahren, was es mit diesen dunklen Parallelen zwischen einem fiktiven Text und der Hauptfigur auf sich hat.
"Unterbewussten, wusste ich es doch, Psychokram.
Frederik, das Unterbewusste ist ein Fakt, ob du nun Freud gut findest oder nicht, die Gehirnforschung -
Weißt du, ich glaube, ich finde Freud gut, das sind Abwehrmechanismen.
Ja, ich weiß, Psychophobiker sind so, für so was gibt es Selbsthilfegruppen, also langweile nicht mich damit."
Lob dem Konjunktiv
Verena Roßbacher liest heute Abend aus ihrem Buch im ORF Landesstudio Vorarlberg
Verena Roßbacher hat mit "Schwätzen und Schlachten" aus einer schreiberischen Sinnkrise herausgefunden, wie sie Paul Jandl erzählt hat. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sie damit LeserInnen, die ihren Humor nicht teilen, aber ihren Erstling "Verlangen nach Drachen" mochten, in eine kleine Roßbacher-Lesekrise bringt. Aber dieser Irrtum wäre vielleicht ein langfristiger Fehler. Denn sie kann schreiben. Schöne Sätze über den Konjunktiv, mit dem das Leben schöner wäre, um schlussendlich der Zukunft vorzugreifen: "Kein Konjunktiv weit und breit! Wenn das mal nicht ein Sieg der Realität ist!" Ein Schelm, diese Autorin.