Erstellt am: 22. 4. 2014 - 16:48 Uhr
Feine Reizüberflutung, schöner Schock
Das Donaufestival feiert seinen zehnten Geburtstag. Nicht ganz bescheiden, aber doch mit einigem Recht, hat es sich dieses Jahr so die Losung "10 Years Redefining Arts" auf die Fahnen geschrieben. Am kommenden Freitag, dem 25. 4., beginnt in Krems an der Donau das Festival, an sechs, auf zwei Wochenenden verteilten, Tagen wird es wie jedes Jahr ein wildes Füllhorn voller Performance, Medienkunst, Installation und vieles, vieles mehr zu besichtigen und auch drin zu bohren geben.
Selbstredend hat sich das Donaufestival auch in musikalischer Hinsicht heuer nicht lumpen lassen. Das Programm ist üppig und, man darf es ausnahmsweise schon auch so sagen, radikal wie selten. Und wie immer weit vorne dran. Es folgen ein paar kleine musikalische Empfehlungen:
Mouse on Mars
Jan St. Werner und Andi Thoma dürfen im krassen Gesamtzusammenhang des diesjährigen Donaufestivals mit ihrem Projekt beinahe schon als die Pop-Stars im Programm gelten. Seit etwas über zwanzig Jahren schon schrauben, löten und doktern die zwei Herren aus den beiden geschichsträchtig besetzten Orten Köln und Düsseldorf an kleinteiliger, weird durch die Gegend fliegender Elektronik. Das große Erbe des Krautrocks ihrer Heimat hat dabei meist als Basislager gedient, von dem aus abenteuerlich Richtung Dub, Techno, Jazz und da und dort auch mal in die Gegenden von Jungle geforscht wurde.
Komisch stolpernde Beats, verschrobene Soundvignetten, Reizüberflutung. Ihre jüngsten Platten haben Mouse on Mars bei dem von Modeselektor betriebenen Label Monkeytown veröffentlicht und befeuern mittlerweile den Dancefloor auch etwas stärker als zuvor, dabei nach wie vor stilvoll. Vor allem live sind Mouse on Mars ein feiner Schock an den Synapsen.
Mouse on Mars treten am 25.4. beim Donaufestival auf. Unter anderem an diesem Tag mit dabei: Jon Hopkins, Oneohtrix Point Never, Robert Henke.
Body/Head
Ebenfalls freuen darf man sich auf die Ankunft der großen Kim Gordon. Nur der Vollständigkeit halber: Mit Sonic Youth hat Gordon gut 30 Jahre lang Musikgeschichte geschrieben, hat mit Yoko Ono, Lydia Lunch und etlichen mehr zusammengearbeitet, hat mit ihrem Nebenprojekt Free Kitten vier schöne Platten veröffentlicht und ist eine overall supercoole und bewundernswerte Persönlichkeit.
Es geht aber freilich nicht bloß um Starpower: Zum Donaufestival kommt Kim Gordon mit ihrem neuen Duo Body/Head, das sie gemeinsam mit dem Gitarristen Bill Nace betreibt. Das, 2013 beim immer guten Label Matador erschienene, sehr gute Debüt von Body/Head nennt sich "Coming Apart," wesentlich mehr als zwei sich mantrahaft umkreisende Gitarren und Gordons magische Stimme gibt’s da nicht zu hören. Braucht es auch nicht: Hypnose, Katharsis.
Body/Head spielen am 30.4. beim Donaufestival. Mit dabei: Forest Swords, Pharmakon, Gardland u.a.
Techno aus dem Stahlwerk
Auffällig ist dieses Jahr beim Donaufestival das Aufkommen von Acts, die sich in ihrer Musik auf die eine andere Weise entlang der Knotenpunkte Techno, Industrial, Drone und Noise bewegen. Eventuell darf es hie und da auch ein bisschen Doom sein. Schroffe, elektronische Musik aus der Dunkelkammer, stumpfes Maschinenschnaufen, Geräusche aus dem Säurebad.
Langweilig ist das nicht, vielmehr nach wie vor der Sound der Stunde; ein Sound, der sich mit voller Absicht nicht immer ganz zwischen Dancefloor, harter Bestrafung, Klanginstallation und Seelenreinigung entscheiden kann. Derlei böse Musik ist beispielsweise bei den Auftritten von Acts mit schönen Namen wie Violetshaped, Objekt, Samuel Kerridge oder Metasplice zu erleben.
Harter Tobak Elektronik vor allem, aber nicht nur am 2.5..
Superlabel Editions Mego
Einen Tag lang wird man in das weitläufige Universum des in Wien stationierten Labels Editions Mego eintauchen können. Labelboss Pita Rehberg schickt eine vielköpfige Gesandtschaft nach Krems, schon nachmittags in der Minoritenkirche wird man da wieder einmal erfahren dürfen, dass Editions Mego weit mehr als Gebrutzel und Gefiepse aus dem Laptop im Trichter hat.
Der französische Musiker Kassel Jaeger beispielsweise wird den großen Geist der Musique concrète in die Gegenwart überführen, die Noise-Legende Bill Orcutt bedient mittlerweile die gezupfte Akustik-Gitarre. Außerdem mit dabei: John Elliott, einst Mitglied der Emeralds und heute Kurator des Mego-Sublabels Spektrum Spools, mit seinem Projekt Outer Space, verschachtelte Elektronik von Sensate Focus und Meister Fennesz mit seinem brandneuen Album "Bécs". Und einige mehr. Fantastischer Wahnsinn.
Der Showcase von Editions Mego findet am 3.5. statt. Außerdem am Start: Actress, Blixa Bargeld & Teho Teardo u.a..