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Anna Masoner

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Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

22. 4. 2014 - 14:30

Der Herr der Kakerlaken

Auf der Liste der unbeliebtesten Tiere besetzen Küchenschaben die obersten Plätze. In New York hat ein Forscher die Gemeinsamkeiten der sechsbeinigen Insekten mit ihren menschlichen Mitbewohnern offengelegt.

"Jede Kakerlake, die hier lebt ist eine Migrantin." Mit diesen Worten positioniert Mark Stoeckle auf seinem Schreibtisch mehre braune und drei bis vier Zentimeter große Prachtexemplare nebeneinander. Es handelt sich um tote Vertreter der amerikanischen Großschabe. Von den mehr als 4.500 Schabenarten, die es weltweit gibt, ist sie am häufigsten in den Küchen, Schlafzimmern oder Restaurants New Yorks anzutreffen.
Doch obwohl sie allgegenwärtig ist, hat sie die Wissenschaft sie bisher sträflich vernachlässigt, sagt der Mediziner und Forscher an der Rockefeller University. "Man weiß nicht mal wie lange sie überhaupt schon in der Stadt leben."

Ein Wissenschaftler präsentiert ein Plastisackerl mit einer Kakerlake

Anna Masoner/Radio FM4

Schaben bleiben lieber unter sich

Denn Küchenschaben stammen eigentlich aus den Tropen. Sie mögen es deshalb schön warm. Niedrige Temperaturen halten nur sehr wenige Arten aus. Vermutlich sind die ersten Schaben auf Sklaven- und Handelsschiffen in die Neue Welt gekommen. Die Tiere haben sich aber nicht gleichmäßig über die Stadt verteilt. Ähnlich wie menschliche New York-Einwohner leben die Tiere in verschiedenen Gruppen in eigenen Stadtteilen, die sie kaum verlassen.

"Kakerlaken sind alles andere als reisefreudig. Wenn sie sich in einem Haus, in einer Gegend ansiedeln, gehen sie sehr ungern wieder weg." Eine Kakerlake, die sich in einem Heizungskeller in der Upper East Side eingerichtet hat, unterscheidet sich genetisch stark von einer an der Upper West Side.

Kakerlakenlager im Kühlschrank

Vier verschiedene Genotypen hat Mark Stoeckle in NYC identifiziert. Gemeinsam mit Kollegen hat er dafür jeweils ein Bein der Kakerlaken zerquetscht und im Reagenzglas mit Chemikalien vermischt, um daraus die DNA zu gewinnen. Denn äußerlich kann man die Unterschiede nicht sehen.
Mehr als 300 Exemplare hat Mark Stoeckle untersucht, die Menschen aus den unterschiedlichsten Winkeln in den USA per Post geschickt haben. Das Lagern der toten Insekten ist übrigens kein Problem. "Wenn sie getrocknet sind, kann man sie bei Raumtemperatur konservieren ohne dass sie anfangen schlecht zu riechen. Wir bewahren sie aber in der Regel im Tiefkühler auf. Meiner zu Hause ist voll davon."

Kakerlake in einem Plastiksack mit Zettel

Anna Masoner/Radio FM4

Unausrottbare Anpassungskünstler

Die Tiere sind natürlich schon etwas eklig, gibt der Forscher zu, aber eigentlich ganz harmlos. Denn anders als Ratten übertragen sie keine gefährlichen Krankheiten.

Kakerlaken sind extrem anpassungsfähig. Sie sind sogar resistent gegen Strahlung und können einen Monat ohne Nahrung auskommen. Warum sie so robust sind, ist bislang ihr Geheimnis. "Tja, das ist eine wichtige wissenschaftliche Frage: warum schaffen es manche Tiere sich erfolgreich woanders als invasive Art durchzusetzen? Kakerlaken sind ideal um das zu erforschen."