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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

25. 4. 2014 - 12:12

Left Coastin': Museum of Death in Los Angeles

Briefe von Serienkillern, die fabelhafte Welt der Sargkunst und Häkeldeckchen mit Hakenkreuzen drauf. Das Museum of Death in Los Angeles ist kein Ort für zimperliche Gesellen.

Hollywood ist die Heimat der Stars und Sternchen, wo alles glitzert. Pools, Palmen und die unerträgliche Leichtigkeit des Scheins. Doch da kratzt jemand an der hübschen Oberfläche, denn am Ende des Hollywood Boulevards tut sich eine düstere Welt auf: Das Museum of Death.

FM4 Left Coastin'

Die dreiteilige Radioserie über die Amerikanische West Coast auf FM4 mit Alex Augustin.

7 Tage zu hören:
Die Sendung vom 24.4.: Zu Besuch bei Amoeba Music in L.A. - ab 20:20.

Museum of Death

Museum of Death

JD Healy und Cathee Shultz betreiben dieses Museum. Hier findet man allerhand Gegenstände, die mit dem Tod zu tun haben. Dinge, die Serienkiller wie Charles Manson besessen haben, Memorabilia, z.B. das von seiner "Family" handgenähte Blumen-Hakenkreuz-Quilt oder die Lederjacke, in der G.G. Allin aufgebart worden ist.

Dazu Guillotinen, ein Exkurs in die wunderbare Welt der Sargkunst, "Serienkillerkunst“ von John Wayne Gacy und Richard Ramirez. Sogar Kleidungsstücke, die zum Tode Verurteile bei Exekutionen getragen haben.

Und hat sich eigentlich jemals wer gefragt, was aus den Stockbetten geworden ist, in die sich die 39 Anhänger der Heaven's Gate-Sekte 1997 hingelegt haben, nachdem sie sich ihren Giftcocktail für ihren kollektiven Selbstmord hinuntergeleert haben? Die wurden bei einer Auktion in San Diego an Großmütter und Mütter versteigert. Eines davon und einige Kleidungsstücke befinden sich heute im Museum of Death.

Das Museum finanziert sich durch Eintrittsgelder und agiert unabhängig. Im Jahr 2008 ist es von San Diego auf den Hollywood Boulevard gezogen. Für unsere europäischen, kunstverwöhnten Augen ist das Museum vielleicht etwas unausgegoren. Es sieht ein wenig so aus, als wäre einfach alles Obskure, was thematisch passt, zusammengetragen worden.

Trotzdem findet man hier Dinge, die viel über das amerikanische Verhältnis zum "Thema Tod" verraten. Vor allem die kleinen Details sind faszinierend, etwa die beeindruckende Fächersammlung an der Wand: In den Südstaaten bekommt man die bei Beerdigungen als "Goodie" geschenkt - denn es ist dort heiß und es riecht meist nicht so angenehm. Dann sieht man auch T-Shirts, die von Hinrichtungen stammen. Und dann noch die vielen Utensilien, mit denen tote Menschen posthum geschminkt werden, denn in den USA ist die Trauerfeier am offenen Sarg immer noch Standard.

Museum-of-Death-Gründerin Cathee Shultz führt uns durch die Räumlichkeiten und erzählt, wieso die Welt diesen Ort braucht.

Cathee Shulz

FM4 Alexandra Augustin

Cathee, wieso habt ihr dieses Museum gegründet?

Das Todesthema hat mich und meinen Mann schon immer sehr beschäftigt. Wir hatten früher eine Galerie in San Diego. Das war noch eine konventionelle Kunstgalerie, in der wir aber auch schon ungewöhnliche Ausstellungen organisiert haben. Jedes Jahr haben wir eine Ausstellung gemacht, in der wir die "Kunst" und die Briefkorrespondenzen von Serienkillern ausgestellt haben.

Diese Ausstellung war immer am besten besucht. Da haben wir beschlossen, unsere Galerie in ein Museum des Todes umzugestalten. Eigentlich wollten wir uns anfangs nur einen Spaß machen, um die Kunstwelt ein bisschen aufs Korn zu nehmen. 1995 haben wir das erste Museum of Death in San Diego gegründet. Und wir haben schnell erkannt, dass wir eigentlich keine Ahnung davon hatten, was wir da tun.

Was war das Problem?

Wir hatten ein paar Fotos von Autounfällen und eine medizinische Videoanleitung zur Präparation von Toten. Das war noch nicht besonders viel Material. Aber die Menschen konnten es kaum erwarten, diese Dinge zu sehen - oder etwas zu spenden! Die Beerdigungsindustrie hat uns viel gespendet, dann kamen auch viele Sammler obskurer Dinge auf uns zu. Über die Jahre haben wir eine beeindruckende "Sammlung des Todes" zusammenbekommen. Plötzlich war das nicht mehr nur ein lustiger Witz, heute ist es ein richtiges Museum.

Woher kommt denn die Faszination für den Tod?

Die Sache mit den Serienkillern hat uns schon in den frühen 1990ern beschäftigt. Wir haben mitbekommen, dass es Menschen gibt, die Brieffreundschaften mit diesen Verbrechern führen. Und viele dieser Mörder malen eben auch. Das machen die natürlich nicht zum bloßen Zeitvertreib: Es klingt absurd, aber sie malen diese Bilder, um sich etwas dazuzuverdienen. John Wayne Gacy, der "Clownkiller" aus Chicago etwa.

Er ging ja als "Pogo the Clown" in die Geschichte ein, weil er seine späteren Opfer auf perfide Weise kennengelernt hat: indem er als Kinderclown bei Geburtstagen aufgetreten ist. Dort hat er sich das Vertrauen der Familien erschlichen (Anmerkung: John Wayne Gacy wurde für die Vergewaltigung und Tötung von 33 Buben und jungen Männern zwölf Mal zum Tode verurteilt. 1994 wurde er hingerichtet). Vor seiner Hinrichtung hat er rund 300 "Selbstporträts", Clownbilder von sich selbst, gemalt und so ein hübsches Sümmchen verdient. Naive Malerei, das Werk eines Wahnsinnigen. Es gibt genug verrückte Menschen, die sowas kaufen.

Und ihr stellt ein paar dieser Bildern hier aus - wozu? Braucht die Welt einen Ort, an dem man sowas ansehen kann?

Nicht falsch verstehen: Ich hasse diesen Typen. Das sind alles schreckliche Menschen, die großen Schaden angerichtet haben. Aber sie sind ein Teil der US-amerikanischen Geschichte. Und deswegen stellen wir ihre Sachen bei uns aus. Mein Mann hat John Wayne Gacy einige Bilder abgekauft. Wir wollen ihnen bestimmt keine größere Plattform bieten, indem wir ihnen ein eigenes Museum widmen. Aber sie sind ein Teil des Todes in diesem Land, den man nicht ausklammern kann. Andererseits zeigen wir nichts, was man nicht sowieso auch im Internet finden kann.

Museum of Death: John Wayne Gacy

FM4 Alexandra Augustin

Und wie fallen die Reaktionen auf dieses Museum aus?

Anfang kam die Idee nicht besonders gut an. Man hat mir mit dem Tod gedroht und Menschen haben mir gesagt, ich solle für das, was ich tue, in der Hölle brennen. 20 Jahre später wird unser Museum endlich respektiert.

Und wo ist die Grenze des guten Geschmacks? Gibt es Dinge, die ihr hier nicht zeigen würdet, weil sie so brutal sind?

Ja, definitiv. Wir würden keine Fotos von jemanden zeigen, dessen Arme und Beine mit einer Kettensäge abgetrennt worden sind - bei lebendigen Leib. Und danach der Kopf. Das ist die Art und Weise, wie die Drogenkartelle in Mexiko ihre Opfer töten. Das kann ich hier nicht zeigen. Diese Bilder sind derartig brutal, das kann ich nicht verantworten.

Und wo habt ihr die Sachen her, die ihr hier ausstellt?

Wir haben sie von überall her. Mein Mann JD findet die meisten Dinge, er hat ein Gespür dafür. Dann gibt es auch noch die öffentlichen Auktionen. Von dort haben wir die Stockbetten, in denen sich die 39 Mitglieder der Heaven's Gate-Sekte 1997 das Leben genommen haben. (Anmerkung: Sie hatten Phenobarbital eingenommen, gemischt mit Apfelmus und Wodka; anschließend steckten sie ihre Köpfe in Plastiktüten und legten sich in die Betten, um zu sterben).

Wenn im County San Diego Menschen sterben, ohne ein Testament zu hinterlassen, dann wandern die persönlichen Sachen in den Besitz der Stadt. Die Familien müssen dann darum kämpfen, die Gegenstände zurück zu bekommen. Alle sechs Monate gibt es eine Auktion. Dort haben wir eines eines der Stockbetten um 200 Dollar ersteigert. Die anderen haben größtenteils Großmütter und Mütter für ihre Kinder gekauft. Die schlafen nun in diesen Betten.

Überhaupt ist die Szene, die sich für solche Dinge interessiert, überschaubar. Menschen bringen auch immer wieder etwas im Museum vorbei. Alte Polizeiakten, Crime-Scene-Fotos: Es scheint so, als ob jeder ein Skelett im Keller stehen hat, das er loswerden will (lacht).

Museum of Death Totenanzug

FM4 Alexandra Augustin

Und was schreibt man bitteschön einem Mörder wie Charles Manson? Kann man dem "einfach so" einen Brief schreiben?

Ja, das funktioniert erschreckend einfach. Aber sie schreiben natürlich nicht immer zurück und die Briefe werden kontrolliert. Charles Manson hat meinem Mann allerdings sofort zurück geschrieben. Man darf nicht vergessen: Diese Menschen sitzen im Knast, die haben Langeweile. Sie warten ja nur drauf, irgendwem zu schreiben. So finden sich auch diese Paare, die man aus den Medien kennt: Frauen, die sich in Serienkiller verlieben, sind ja keine Seltenheit, sondern fast eine Mode.

Und wie entwickelt sich so eine "Brieffreundschaft" weiter?

Ja, wie entwickelt sich eine Brieffreudschaft mit einem Serienkiller? Gute Frage. Meistens sind es wirklich belanglose Dinge, über die man sich austauscht. Viele Menschen schreiben auch nur, um schnell an ein Autogramm zu gelangen. Das ist auf dem "Markt" etwa 100 Dollar wert. Und wie solche Brieffreundschaften enden, kann man sich denken.

Aber persönlich habt ihr nie einen von den angesprochenen getroffen, oder doch?

Mein Mann JD war in San Quentin. Er fürchtet sich eigentlich vor nichts und niemanden. Aber dort hatte sogar er Angst. Man muss durch drei Sicherheitsschleusen und alle strengen Sicherheitschecks hindurch und dann wird man in einer Cafeteria an einen kleinen Tisch platziert. Mit all den Todeskandidaten im selben Raum. In den Filmen ist immer eine dicke Glasschreibe dazwischen. Aber das ist dort auf der Death Row nicht so. Er war danach sichtlich mitgenommen.

FM4 Left Coastin'

Die dreiteilige Radioserie über die Amerikanische West Coast auf FM4 mit Alex Augustin.

Wenn man den ganzen Tag wie du mit dem Tod konfrontiert ist - reicht es einem nicht irgendwann?

Ich muss auch immer wieder raus hier. Andererseits gibt es keinen Tag, an dem ich nicht aufwache und etwas Neues zu diesem Thema entdecke. Ich habe den Tod jeden Tag um mich. Und ich bin glücklich, am Leben zu sein!

Aber die Besucher, die vielleicht selber in einen Unfall oder in ein Attentat verwickelt waren: Wie nehmen die das auf? Und generell gibt es hier in den USA doch sicher auch verärgerte Reaktionen auf dieses Museum, oder nicht?

Wir machen hier ja nichts Illegales. Das, was wir zeigen ist teilweise sicher harte Kost und verstörend, aber wir zeigen nichts Verbotenes. Manchen Besuchern ist das zuviel, die müssen das Museum verlassen. Und natürlich mag der Großteil der Gesellschaft sowas nicht gerne sehen. Aber ich zeige hier nur das, was sich da draußen jeden Tag im echten Leben abspielt. Wir zeigen den Menschen nur, wer sie wirklich sind.

Was ich interessant finde, ist, dass ihr vom kleinen San Diego mitten auf den Hollywood Boulevard umgezogen seid. Hier, wo alles glitzert - und ihr mittendrin, mit so einem düsteren, dunklen Ort!

Interessant, dass du das Wort "dunkel" verwendest. Denn heißt es nicht immer, dass wir alle in den Himmel kommen - an einen hellen, freundlichen Ort? Wieso assoziieren wir den Tod mit Düsternis? Dieses Vorurteil versuchen wir abzubauen. Der Tod ist ein Teil des Lebens. Und ja, das hier ist der perfekte Ort für so ein Museum. Hier, wo die glamourösen Menschen leben. Denn wenn es den perfekten Ort für ein Museum des Todes gibt, dann ist das Hollywood!

Für sieben Tage zum Anhören

FM4 Left Coastin'
    Eagles of Death Metal I Wanna Be in LA
    Body Parts Perfect Water
    Gothic Tropic Flesh Dance
    Gothic Tropic Kitty Baby
    Best Coast The Only Place
    Bran Van 3000 Drinking in L.A.
    Jacuzzi Boys Los Angeles
    Beck Hollywood Freaks
    ScHoolboy Q ft. Kendick Lamar Collard Greens
    Kendrick Lamar (Feat. Dr. Dre) Compton
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    Father John Misty Hollywood Forever Cemetery
    Violent Femmes Hollywood is High
    James Supercave The Right Thing
    Hole Malibu