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Elisabeth Scharang

Geschichten über besondere Menschen und Gedankenschrott, der für Freunde bestimmt ist.

20. 4. 2014 - 08:10

Eine Frau im Reich der Könige

Die Kunsthistorikerin Sabine Haag ist Direktorin des Kunsthistorischen Museums in Wien. Ein Gespräch über Kitsch, Kalifornien und warum die Frau Direktor zu jedem Gegenstand in der riesigen Sammlung eine Geschichte zu erzählen weiß. Ein Doppelzimmer am Ostermontag um 13 Uhr.

„Ich wollte nicht nur die Tochter oder die Schwester von jemandem sein. Ich wollte meine eigenen Idee, Gedanken und mein eigenes Leben.“ Also ist Sabine Haag aus Vorarlberg, den Eltern, den Geschwistern weg und über den großen Teich nach Kalifornien. Sie war damals 18 Jahre alt und es war eine der besten Zeiten in ihrem Leben, erzählt die Direktorin des Kunsthistorischen Museums. Aber die Bande mit den Werten bzw den Wertvorstellungen von zu Hause waren doch so stark, dass Sabine Haag nach einem Jahr Amerika zurück ist. Sie hat in Wien begonnen, Kunstgeschichte zu studieren.

Museumsbesucher als Störenfriede

Wir sitzen in ihrem Büro in dem gigantischen Bau am Ring in Wien und ich stelle mir vor, wie das vor hundert Jahren ausgesehen hat. Wie der damalige Museumsdirektor wohl seinen Alltag gestaltet und wie er mit seinen Mitarbeitern umgegangen ist. „Es war ein Tageslichtmuseum. Der Alltag der Menschen war also sehr von den Wetter- und Lichtverhältnissen geprägt. Und das Haus war nicht so sehr auf Besucher ausgerichtet wie wir das heute tun. Als Besucher oder Besucherin hat man in den Augen der wissenschaftlichen Mitarbeiter damals eher gestört,“ erzählt Sabine Haag.

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Sabine Haag

Claus Pirschner

Wenn man durch die beeindruckenden Hallen des Kunsthistorischen Museums streift, dann ist es immer eine Zeitreise. Im Dialog mit den Gemälden, den kunstvollen Skulpturen aus Gold und anderer edler Metalle, den hohen Hallen voll Stuck und Patina, zieht die Monarchie an einem vorbei. Und man glaubt in einem kurzen Moment den Atem der jungen Frau zu spüren, die zu Füßen eines gedrungen Fürsten sitzt und den Blick in einen entfernten Winkel des Raums richtet.

Eine Fantasy-Reise durch Habsburger-Land

Sabine Haag hat als junge Frau begonnen, im Kunsthistorischen Museum zu arbeiten. Sie war dafür zuständig, die gesamte Sammlung digital zu erfassen. Die älteren Kollegen wollten nichts mit Computern zu tun haben und so nahm die junge Kunsthistorikerin fünf Jahre lang jedes einzelne Stück selbst in die Hand, um es digital zu katalogisieren. „Nach mir hatte nie wieder jemand das Privileg, tatsächlich jedes einzelne Stück der Sammlung zu sehen und sich damit zu beschäftigen. Ich habe über jedes einzelne Stück gelesen, mir alles an Literatur besorgt. Heute kommen die Kuratoren für bestimmte Projekte und haben sowohl zeitlich als auch inhaltlich mit einem begrenzten Teil der Sammlung zu tun.“

Dieses umfassende Wissen sprüht in tausenden Geschichten über die einzelnen Objekte im Museum aus ihr heraus. Eine Führung mit Sabine Haag durch die Kunstkammer gleicht einer Fantasy-Reise durch die großen Herrscherhäuser vergangener Jahrhunderte. Plötzlich stehe ich mitten in einem der großen Festgelage und spaziere durch die Räume, in denen die Habsburger Kunstschätze aus der ganzen Welt gesammelt haben. Die überladenen und aus heutiger Sicht kitschig wirkenden Gegenstände in den Vitrinen bekommen eine Tiefe und eine Geschichte.

CLaus Pirschner

2009 wurde Sabine Haag zur Direktorin des Museums ernannt. „Natürlich hat sich im Umgang mit langjährigen Kollegen und Kolleginnen ein bisschen etwas verschoben, aber die Wärme, mit der ich von allen im Haus in dieser neuen Funktion empfangen wurde, werde ich nie vergessen.“
Vielleicht ist es eine sehr subjektive Wahrnehmung, aber ich habe jedes Mal, wenn ich das Museum besuche, das Gefühl, die Leute arbeiten gerne hier; angefangen beim Portier am Hintereingang, der einen nicht grantig anmault.

Vorschau auf das nächste Doppelzimmer am 1.Mai: der bulgarische Schriftsteller Ilija Trojanow erzählt über seine Kindheit in Afrika, seine Pilgerreise nach Mekka und die Auswirkungen der Überwachung für jede/n von uns.

Sabine haag

CLaus Pirschner

Sie wäre gerne Künstlerin geworden, erzählt Sabine Haag am Ende unseres Gesprächs. Sie habe auch immer ganz gut geschrieben. Aber? frage ich. „Ich bin nicht talentiert genug, um Künstlerin zu sein. Deshalb ist die Vermittlung von Kunst eigentlich ein sehr guter Weg für mich“, antwortet Sabine Haag.
Im Durchziehen vernünftiger Pläne sind sie besonders gut, die VorarlbergerInnen – sagt man bzw. sagen viele Vorarlberger selbst über ihre Landsleute. Dranbleiben, wenn man sich etwas vorgenommen hat.
Ich würde den nicht geschrieben Debütroman von Sabine Haag gerne lesen.

Stunde 1:
Pizzicato Five Tokyo Mon Amour
Neneh Cherry blank project
Fatboy Slim don’t let the man get you down
Dillon thirteen thirtyfive
Zen Mafia California
Iggy Pop Passenger
Austra Forgive Me
Franz Ferdinand Erdbeermund
Stunde 2:
White Stripes 7 Nation Army
Hot Chip night & day
Sohn Bloodflows
Polica chain my name
David Bowie fame
Mr.Probz waves (Robin Schulz edit)
Ogris Debris till the end of time
The Notwist consequence