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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

19. 4. 2014 - 14:02

Berlin und sein Fluss

Ostern, 10 Jahre Easyjet und die Geschichte der Clubs am Spreeufer.

Auch in Berlin ist Ostern und gleichzeitig feiert man ein denkwürdiges Jubiläum: 10 Jahre Easyjet. Vor zehn Jahren, am 28.4.2004 landete zum ersten Mal eine Maschine der Billigfluglinie, aus Liverpool kommend, in Berlin. Bald stand das Phänomen „Easyjetset“ für Segen und Fluch der in Massen einfliegenden Berlinbesucher. Seither hat sich Einiges in Berlin geändert: die Zahl der Übernachtungen stieg, der Tourismus boomte. Und einiges ging, getreu des Bonmots des Schriftstelles Hans Magnus Enzensberger „Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet“ den Bach runter.

Der Rest ist bekannt: Berlins Partyszene wurde weltberühmt, das Berghain zum besten Club der Welt gekrönt, die Hostelhorden und Individualtouristen, die Expats und Zugezogenen freuten sich an den zivilen Preisen, den Bars und Kneipen, der Berliner Libertinage, dem zerbröckelt – improvisierten Charme der wilden Clubs auf den Spreebrachen.
Die Berliner hatten ihren Fluss erst in den Neunziger Jahren langsam wieder entdeckt, zuvor war die Spree jahrzehntelang nur Transportweg für Güter und Fäkalien und „natürliche“ Grenze zwischen Ost- und Westberlin gewesen.

Touristen in Berlin

Christiane Rösinger

Mit den Strandbars und den Clubs auf den alten Industriebrachen an der Spree wurde das Spreeufer cool, bald tauchte es in der Lifestyle-Werbung auf und wurde so auch für Investoren interessant. Unter dem Namen „Mediaspree“ vermarktet der Senat einen 3,7 Kilometer langen Streifen Spreeufer, der zum großen Teil im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg liegt.

MTV machte den Anfang und zog an den Osthafen, Viva und Universal kamen hinterher, der Kotzbrocken unter den Hallen - die O2 Arena - wurde an die Spree geklotzt. Der Senat verkaufte eine Brache nach der anderen an die Höchstbietenden, die Bars am Wasser fürchteten um ihre Existenz.

Es formierte sich Widerstand, schließlich ist man ja in Kreuzberg. Der Bürgermeister, der sich doch bei jeder Gelegenheit mit der Partystadt Berlin brüstet, sprach ein Machtwort: Sollte der Bezirk das Wohl der Investoren gefährden, zieht der Senat die Planungen an sich. Soweit so schlecht.Viele Orte an der Spree sind inzwischen verbaut, die letzten Clubs kämpfen ums Überleben, bis vor kurzem schien auch das endgültige Aus für die „Magdalena“ und das „Yaam“ besiegelt zu sein.

Und jetzt zu Ostern kam ausnahmsweise mal eine gute Nachricht vom Spreeufer: Beide Clubs müssen zwar am alten Standort weg, ziehen aber nur ein paar hundert Meter weiter - an ein anderes Grundstück am Wasser.
Anscheinend hat es sich in der Berliner Politik endlich rum gesprochen, dass es unklug ist, die Kuh zu schlachten, die man noch melken will. Und dass die vielen Touristen, die Geld nach Berlin bringen, nicht wegen der tollen Bürohochhäuser und Lofts, sondern wegen der einzigartigen Clubkultur nach Berlin kommen.

Gerade das Yaam ist ein ganz besonderes Club-Projekt, denn da werden nicht nur Parties und Konzerte veranstaltet. Das Yaam (Young African Arts Market) wurde bereits 1994 als Kultur- und Jugendverein auf dem Gelände der heutigen Arena in Treptow gegründet und schnell zu einem beliebten Treffpunkt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene verschiedener Nationalitäten. Afrikanische und karibische Musik, Essen und Kunsthandwerk trugen dazu bei, dass der Ort eine wichtige Begegnungsstätte für eine afro-karibische Community wurde.

yaam

Es wurde, zuerst immer nur Sonntags, nicht nur getrunken,geraucht, gegessen und am Wasser gechillt, sondern auch Sport jeglicher Art, besonders gerne aber Basketball dort getrieben. In den letzten Jahren wurde auch professionelle Rechtsberatung in Sachen Ausländerrecht und Deutschkurse dort angeboten im „Kidzcorner“, finden Trommel-, Capoeira-, Hula Hoop und Tanzkurse statt. 2006 erhielt das YAAM für seine Verdienste um das friedliche Zusammenleben Jugendlicher unterschiedlicher Herkunft den 1. Platz des Mete-Eksi-Preises. Trotzdem musste der Club mehrfach umziehen und seinen letzten Standort am Ostbahnhofes jetzt räumen, weil das Gelände an Investoren verkauft wird. Alles bangte um den Fortbestand des einzigartigen Projekts aber schließlich kam es zu einem bisher beispiellosen Deal: Das Yaam erhält das landeseigene Gelände des Elektro-Clubs Magdalena an der Schillingbrücke und die Magdalena zieht um.

Die Magdalena ist ebenfalls ein Club mit langer Tradition. 1997 als „Maria am Ostbahnhof“ in der ehemaligen Postverwaltung der DDR gegründet, zog man nach Abriss des Hauses ein paar Meter weiter ans Ufer. Aus „Maria am Ufer“ wurde dann „Magdalena“. Im vergangenen Herbst starteten die Betreiber eine Rettungskampagne für ihren Club und schlossen sich mit dem Yaam zusammen. Nun ist auch ein Ersatzort gefunden: Voraussichtlich im Sommer eröffnet die Magdalena in dem einstigen Gebäude des Neuen Deutschland am Osthafen wieder. Beide Clubs feiern ab Donnerstag mehrere Tage lang ihre letzten Stunden an den bisherigen Standorten. Die Magdalena hat dafür über das Osterwochenende rund um die Uhr geöffnet.