Erstellt am: 16. 4. 2014 - 16:27 Uhr
Yves Saint Laurent, so mittelprächtig
Das Leben des französischen Modeschöpfers Yves Saint Laurent und seines Freundes/Geschäftspartners Pierre Bergé ist verfilmt worden und läuft diesen Freitag in Österreichs Kinos an. Wie uns schon der Trailer vermittelt, ist das eher nur so hmhmtjaja gelungen.
Modefilme haben's schwer
Mein Herz schlägt in Sachen Modefilm eindeutig für die Dokumentationen. Die Dokumentationen, in denen sich die Kreativität, die Liebe zur Mode, und der sich daraus ergebende Wahnsinn frei entfalten dürfen.
The Eye Has To Travel
Das direkte Vorbild aller unerbittlichen Mode-Chefredakteurinnen in Film ("Funny Girl", "Polly Maggoo") und Realität ist Diana Vreeland, Chefin der US-Vogue und von Harper's Bazaar in den 60er Jahren - festgehalten im bebilderten Interview in der Doku "The Eye has to Travel" (2011).
Geboren im Paris der Belle Époque mit Korsetten und Hüten, entwickelt sich Vreeland vom hässlichsten Kind der Familie, das einmal monatelang die Sprache verlor, zur eiskalten Narzisstin, die ihre Zeitgenossinnen in den Sixties zu fantasievollen Höchstleistungen erschreckt. "There is only one really good life. And that's the life you know you want. And you make it yourself.", sagt die große Modernisiererin Vreeland und thront ansonsten gerne in ihrem zur Gänze schreiend rot eingerichteten Wohnzimmer.
The September Issue
Die aktuelle Chefin der amerikanischen Vogue (und Vorbild für den Teufel von Chefin in "Der Teufel trägt Prada"), Anna Wintour, nimmt sich dagegen schon fast (fast!) bescheiden und freundlich aus.
Doch auch sie hat, wie Vreeland vor ihr, die Aufgabe, eine ganze Industrie zu mystifizieren und zu romantisieren. Ihre Arme gestählt von täglichem Tennis um sechs Uhr morgens, berät sie in Sitzungen sie mit den grössten Kaufhäusern Amerikas die Verkäufe von morgen. Der eiserne Pagenkopf sitzt, ein Bodyguard stützt und leuchtet mit der Taschenlampe den Weg zur Location der nächsten Modeschau.
Der wahre Star in dieser Doku namens "The September Issue", die das Werden dieser dicksten jährlichen Ausgabe der Vogue mit den meisten bezahlten Anzeigen begleitet, ist eine coole alte Dame mit flammend orangem Haar - Stylistin Grace Coddington, die einzige Kollegin, die ihrer Chefin Anna Wintour zu widersprechen wagt.
Le Jour d'avant/ Marc Jacobs & Louis Vuitton/ Signé Chanel
Am détailreichsten, gefühlvollsten und witzigsten aber dokumentiert die Welt der Mode der französische Filmemacher Loïc Prigent. In der Serie "Vor der Show" (ab 2009), die er für Arte dreht, stochert er backstage herum in den 48 Stunden der höchsten Anspannung für jedes Modelabel. Wir sehen Isabel Marant auf dem Boden liegen, weil sie Rückenschmerzen hat. Donatella Versace schaut lässig ein Spiel ihres Lieblings-Fußballvereins, Karl Lagerfeld klopft Sprüche bei Fendi und lässt die schönsten Pelze nochmal rasieren.
Marc Jacobs, können wir dank Prigent sehen, ernährt sich fast nur von ihn mit Verstopfung bedrohenden Eiweissriegeln und lässt sein Team Flohmarktblusen aus Lurex nachnähen ("Marc Jacobs & Louis Vuitton", 2007).
Prigents Meisterstück ist der Fünfteiler "Signé Chanel" über das gleichnamige Modehaus, vom Keller bis zum Dach.
Die Haute Couture ist überholt, sie ist dekadent, sie steht für die unfaire Verteilung von Geld auf der Welt - aber spätestens in Teil Drei von "Signé Chanel", wenn man auf einem Bauernhof vor Paris mit einer winzigen Achtzigjährigen und ihrer Katze am Webstuhl steht, an dem sie nach Geheimrezept alle Borten für Chanels Tweedjacken webt, fühlt man sich ganz inspiriert, ganz eins mit dieser aufwändigsten aller Handwerkskünste.
The Rachel Zoe Project
Weniger Marie Antoinette und mehr "Bananas!" ist der Lifestyle von Stylistin Rachel Zoe aus Los Angeles, die den Stars die Kleider für die Oscars rauslegt. Ein gar köstliches Meisterwerk von trashiger Realityshow.
Ferner liefen
Unhöflich, so spät erst zu fragen! Was sind Eure liebsten Modefilme? Vielleicht sind sie von der Sorte Aschenputtel-Biopic wie "Coco avant Chanel" (2009), oder wie die hysterische Promi-Extravanganza wie "Prêt à Porter" (1994).
Oder Euer Herz schlägt für die komplett von einem Modehaus ausgestatteten Heroinen wie Catherine Deneuve als SM-Hausfrau in YSL in "Belle de Jour" (1967) oder Tilda Swinton in bunten Etuis von Jil Sander By Raf Simons in "I Am Love" (2009).
Oder ihr findet Satiren ganz gelungen wie "Zoolander" (2001), der das Leben herrlich dummer Männermodels zeigt, oder den bis an die Kiemen mit falschen Wimpern beklebten, schwarzweissen surrealen Satirestreifen "Qui êtes-vous, Polly Maggoo?" (1966).
Oder ihr habt bei Ulrichs Seidls "Models" (1999) auch ein bissi Angst wie ich. Huh!