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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 4. 2014 - 13:09

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 16-04-14.

Warum Bösterreich nicht lustig ist. Und warum sich das kaum einer zu sagen traut.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

#komödie #bewegtbild #medienkritik

Warum Bösterreich nicht lustig ist

So, gestern war Folge 3, und wenn es sonst keiner macht, mach' ich halt das Krokodil und spreche es aus: Bösterreich vereint in einem tollen Experiment die besten Kräfte, setzt in einzelnen Bereichen Landmarks/Maßstäbe - aber lustig ist es nicht.
Vielleicht war das auch der Zweck der Übung: eine bittere Spiegelvorhalter-Satire, bei der einem gar kein Lacher auskommen soll. I doubt it.

Bösterreich orientiert sich, was Personal, Maske oder Ausstattung betrifft an Little Britain; was den Flow und die Abstraktion der Schmähs betrifft an Monty Python. Und sicher noch an anderem mir nicht so gut Bekannten mehr.

Bösterreich wirft geballte Kompetenz an schlau gedrechselten Texten, grandioser Interpretation und sensationeller Umsetzung in sein Publikum. Oder besser: gegen sein Publikum.

Um mich nicht falsch zu verstehen: ich bin sehr dafür gegen das Publikum zu spielen, seine Erwartungen nicht zu erfüllen, zu brechen, ihm den Spiegel nicht nur vorzuhalten, sondern gegens Gesicht zu pressen bis der stickige Atem sichtbar wird. Nur so, in der Anti-Anbiederung kann wirklich Großes entstehen; alles andere bleibt Pipifax.

Diesen Anspruch hat Bösterreich. Und das ringt mir endlose Bewunderung ab. Nur: lustig ist es halt nicht. Und Little Britain oder Monty Python, die Vergleichbares probiert haben und gesichtpressermäßig ähnlich unterwegs waren, sind das schon. Über Jahre hinweg immer noch; und sehr.

Beide Geniestreiche verfügen über etwas was Bösterreich abgeht: ein stringentes dramaturgisch getriebeneres Buch, die Beiordnung der Textebene und eine gewisse Liebe zu den Figuren.

Bis auf den anstrengenden Taxler nämlich kriegt die niemand, die Liebe. Und natürlich sind Vicky Pollard, der gelähmte Andy oder Bubbles DeVere grauenerregende Figuren, aber ebenso wie der leserbriefschreibende Colonel oder die Village Idiots lassen ihnen ihre Schöpfer einen menschlichen Kern, bleiben sie angreifbar, spürbar. Auch die Rassisten und Sexisten, auch das echt Böse.

In der Zeichnung von Monstern, dem wahren Bösen, bietet sich ja ein weites Feld an, von Tarantinos Hans Landa bis Littells Maximilian Aue. Gemeinsam ist ihnen die Spürbarkeit des Charakters.

Das fehlt den allermeisten Bösterreich-Figuren: sie sind durchgehend grauslich und bleiben so 3D-Abspielflächen für Text-Arrangements. Die wiederum wirken oft so unlektoriert wie meine Texte, wenn sie erstmals online stehen - im Gegensatz dazu geht dann aber niemand noch einmal drüber. So passiert es nicht einmal und nicht nur mir, dass ich aufhöre auf das Gesagte zu horchen, sondern mich in der Erstklassigkeit von Maske und Ausstattung verliere (nein, nicht Thomas Maurers Gemächt, das kannte ich schon, aus der Umkleide beim Benefiz-Fußball und ja, es ist echt so groß).

Ich wüsste nicht, ob das jemals bei Little Britain oder Monty Python der Fall war. Wenn der Text, also die wichtigste Gag/Witz/Schmähebene, mich nicht erreicht, erreichen kann, erreichen muss, und ich auch keinen Antrieb vorfinde zurückzuscrollen, dann stimmt etwas nicht damit. Auch LB oder MP arbeiten nicht nur mit einer klassischen Pointen-Setzung, sondern spielen manchmal mit Wucht und Tücke der Sprache, es hängt aber kein Gramm Wort-Fett an ihren Sketch-Knochen.

Genau in dieser Kurve verliert der gewagt konstruierte Bolide Bösterreich aber seinen Witz. Den er auch nicht mit ein wenig mehr Liebe konstruierten Figuren behalten würde; und auch nicht mit einer verbindenden Off-Stimme oder anderen möglichen Klammern und Bogen-Schaffern.

Bösterreich ist ein echtes Geschoss, das dich nicht wirklich anvisiert und trotzdem umscheibt. Lustig aber ist es nicht.

Warum sich das kaum einer zu sagen traut

Weil es so etwas wie eine seriöse kritische Auseinandersetzung mit Fernseh-Produktionen in diesem Land nicht gibt. Schon gar nicht in den selbsternannten Qualitätsmedien.

Weil zwar jeder ganz viele Meinungen, aber noch mehr Angst vor der Konsequenz deren Äußerung hat.

Weil es innerhalb des ORF zwar (wie im ganzen Land, wie in allen Medien und allen Branchen) eine hervorragende Tratsch- und Ausricht-, aber keine konstruktive Auseinandersetzungs-Kultur gibt.

Weil im Fall von Bösterreich die Gefahr, für blöd erklärt zu werden, weil man was wirklich Genialisches nicht verstanden hat, hoch ist.

Weil Weiterdenkende das zarte Pflänzchen Fernseh-Comedy gefährdet sehen. Beispiel: nach der harschen und teilweise hämischen Kritik an David Schalkos genialischem SF-Märchen Kupetzky etwa wurde soviel verbrannte Erde hinterlassen, dass ein solches (noch dazu auf heimische TV-Traditionen aufbauende) Projekt auf Jahre verunmöglicht wurde.

Weil man sich in einem Land und einem Teilbereich mit nur geringem Produktions-Output mit der Ausrede eh bei etwas relativ Lässigem und vor allem sehr Interessantem zuzusehen, gut und leicht aus der Affäre ziehen kann.

Weil alle Beteiligten nett sind, feine Kollegen und gute Menschen.

Weil es niemand wagt Kaiser und Jedermann zu kritisieren.

Weil die seltene und formal gelungene Kooperation von Hoch- und Subkultur (quasi Burgtheater und Rabenhof) die jeweils andere Fraktion daran hindert automatisierte Koffereien abzusondern.

Weil man sich innerhalb einer kleinen Szene nicht wehtun will, im Wissen, dass man auch weiter miteinander arbeiten wird.

Weil sich die offiziell beauftragte TV-Kritik auf ein sehr mutloses Es-hat-sich.mir-noch-nicht-erschlossen zurückzieht. Und (wie die Politik, der man das dann zum Vorwurf macht) aufs Publikum und dessen Reaktionen schielt, aber von dort nichts außer Überforderung erspürt.

Weil Palfrader (Ofzcarek kenn' ich nicht) zwar (auch harte) Kritik verträgt, sich aber trotzdem mit teilweise lieb gemeinten Brustwarzen-Zwirblern revanchieren wird.