Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Das Pop Osternesterl"

Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

15. 4. 2014 - 20:14

Das Pop Osternesterl

Neue Songs von Lana del Rey, Swans, Twin Shadow und Black Keys.

Eier und so

Im Daycare Center unseres Kleinen fehlt die Hälfte der Kids, weil sie mit den Eltern - die Mehrzahl sind Lehrer - in den Osterurlaub gedüst sind. Und die von Chassiden betriebenen Baustellen rund um unsere Hütte in Bed-Stuy stehen aufgrund des Passover Festes still. Es heißt zwar, diese Stadt schläft nie, an Feiertagen und in den Ferien brummt sie aber zumindest ein wenig leiser. Die große Flucht aufs Land setzt ein. Wer bleibt, hat es gemütlich, vorausgesetzt innerstädtische Auflaufzonen werden gemieden. Wer ins Auto steigt, steht irgendwo im Stau in New Jersey, Long Island oder Upstate New York.

Ostern ist. Und weil in den Augen von Popsachwaltern dem gemeinen Popkonsumenten vermuteterweise irrsinnig viel Freizeit zur Verfügung steht, tauchen dieser Tage im Netz ungewöhnlich viele neue Songs auf - in der Regel zur Bewerbung eines anstehenden Albums. Stellen wir uns also etwas blöder als wir sind und fragen treuherzig, was das Popnesterl dieses Jahr so zu bieten hat

1. Lana del Ray – West Coast

Vom Trailer Park über das Paradies an die West Coast. Standortbestimmungen verschwinden bei der viel geliebt/gehassten Diva des Neo-Schwelgens fast immer im Nebel, liegen sie doch stets irgendwo in der Vergangenheit. Auf ihrer ersten offiziellen Vorab-Single zum neuen Album „Ultraviolence“, das vermutlich am 1. Mai erscheinen wird (tbc), bleibt Del Rey visuell ihrem Chris-Isaak-Faible treu. In Sachen Sound spürt man die raffende Hand des Produzenten Dan Auerbach von den Black Keys (und dort geht nun mal nichts ohne den Yamaha-Magic-Stomp). Nur im Refrain darf sich Lana, oh Lana so richtig schön gehen lassen. Die Welt durch geschlossene Augen betrachten, dass hat sie jedenfalls immer noch besser drauf als all ihre Epigoninnen zusammen (you know who you are).

2. Black Keys – Turn Blue

Apropos Auerbach. Nach dem Schwitzen kommt die große Traurigkeit. Vielleicht ist mit „Turn Blue“, nach der Vorab-Single „Fever“ bereits dem zweiten Song vom neuen, Mitte Mai erscheinende Album, bloß die vorletzte Gesichtsfarbe des Lebens gemeint. Also nach dem Fieber und vor der Bleiche. „Fever“ klingt für meinen Geschmack ja schon etwas zu sehr auf das Wallmart-Regal hingespielt. Und ich frage mich schön langsam, ob Wunderwuzzi-Produzent Danger Mouse nicht doch einmal eine Schaffenspause einlegen sollte, so homogenisiert und seriell klingen seine jüngsten Machwerke. „Turn Blue“ bildet mit seinem Coffe-Table-Sound für Vintage-Kekse leider keine Ausnahme. Und das müsste nicht sein, denn schon lange werden die Black Keys auch in ihrem Heimatland nicht mehr mit den Black Eyed Peas verwechselt. Wozu also anbiedern? Bro up!

3. Twin Shadow – To The Top

Alles kommt wieder. Auch die Wurst. Seit Jahren liege ich diversen Musikredakteuren diverser Musikpublikationen mit einer Prophezeihung in den Ohren: AOR is back! Supertramp! Foreigner! Bands mit amerikanischen Städtenamen! Zum besseren Verständnis: AOR ist ein FM-Radio-Format, das in den siebziger Jahren die kommerziell verwertbaren Krümel der Gegenkultur aufsammelte und daraus massentauglichen Breitwandrock schuf. „Album Oriented Rock“, so der Langname, wurde ursprünglich als Gegenpol zu den auf Hits und Singles basierenden Playlists der Popstationen entwickelt, verwandelte sich aber im Laufe der siebziger und frühen achziger zur absoluten Nemesis des Ursprungsgedankens.

So wurde das in den rebellischen Tagen oft bemühte Wort "Freedom" ideologisch und auch musikalisch zurück in den US-patriotischen Schoß Uncle Sams geholt. Rockmusik durfte wieder Alltag sein, von der Größe des Landes singen und von Freiheit auf dem Rücken von irgendwas „Made In America“. Dieser weißen und äußerst heterosexuellen Mitte entsprangen aber doch auch immer wieder großartige Songs wie etwas Bostons "More Than A Feeling" oder Journeys gar nicht mal so geheime US-Hymne "Don't Stop Believing", das die Schlusssequenz des Sopranos musikalisch unterlegte.

Gesungen hat dieses Ronnie-Reagen-Liedgut eine Schar schnaurtzbartelnder Vokuhilas, die später erfolgreich von den heimischen Opus und Reinhold Bilgeri imitiert wurden.

Dass nun mit Twin Shadow einer der Hipster-Dons der vergangenen Jahre im AOR-Gefilden wildert, darf angesichts der Tatsache, dass im Retrozeitalter kaum noch ein Grab der Popgeschichte ungeöffnet geblieben ist, wenig verwundern. Außerdem steht das Schwelgen in eher privaten Problemzonen hoch im Kurs von Szene und Klientel. „To The Top“ heißt der neue Twin Shadow Song und der Mann mit dem traurigen Bart und den feurigen Augen macht seine Sache gut. Twin Shadow hat es einfach drauf mit der Inbrunst und dem Leid der Awesomeness.

Und das an Starship und ihrem Song "We Built This City angelehnte "Over The Top" verdient zwar jeden Buchstaben seines Titels, ist jedoch nicht ganz so arg mit Betonklötzen im Synthesizerformat vollgestellt wie die Baustellen vieler original Faust-in-die-Höhe-Strecker. Die Kathedralen aus Schmalz lassen abseits des Chorus sogar etwas R& zu. Demnächst zu hören in Top Gun II oder Rocky XXVIII.

4. Swans – Oxygen

So und jetzt Luft anhalten. Bis Minute 3:32. Da kommt das Break. Zum Ausatmen ist es dann aber auch schon wieder zu spät. Typisch Swans. Das neue Album der notorisch verstimmten New Yorker erscheint am 9. Mai und heißt „To Be Kind“. Frohes Pecken.