Erstellt am: 14. 4. 2014 - 17:12 Uhr
Mädchen machen
Das spacelab_girls liegt im Wiener Westen über einer belebten U-Bahnstation mit überdachtem Markt. In den hellen Büroräumen sind Werkstätten und Gruppenräume eingerichtet. Neun Mädchen sind heute zum Tagestraining gekommen. Sie zeigen mir, was sie in den letzten Tagen schon gestaltet haben: Es gibt Ölgemälde an der Wand, einen bedruckten Vorhang, Polster in Fantasietierformen. "Wir haben Bilder gestaltet und konnten nähen, stricken und häkeln", erzählt eine Teilnehmerin. "Heute und noch die ganze Woche beschäftigen wir uns mit dem Thema Ernährung." Dazu haben sie Bilder von Lebensmitteln ausgeschnitten und auf einem Poster gruppiert. Jetzt wollen sie dann zum Markt um einzukaufen und gemeinsam etwas zu kochen.
Spacelab Girls
Ausprobieren und Perspektiven
Im spacelab_girls sollen sich die Mädchen vor allem einmal praktisch ausprobieren. Es gibt Werkstätten mit den Schwerpunkten Kreatives, Körper und Gesundheit, Upcycling oder Medien. Auch wenn das im ersten Moment so klingt: Es geht hier nicht nur um schöne Dinge und Handarbeiten. Die Mädchen sollen Schrittweise an verschiedene Handwerkstätigkeiten herangeführt werden. "Wir eignen uns alle Materialien an, die wir finden können", sagt Emine Özkan. "Wir arbeiten auch mit Holz oder Metall, oft auch sehr grobe Arbeiten, die eigentlich gesellschaftlich immer so als 'Burschenarbeit' definiert wird. Und das macht den Mädchen auch großen Spaß verschiedene Arbeiten auszuprobieren!"
Neben dem Handwerk ausprobieren geht es im spacelab_girls aber auch noch um andere Dinge: Einerseits wird auf Pünktlichkeit geachtet, einfach weil das eine der "Arbeitstugenden" ist, die die Mädchen wieder lernen sollen. Außerdem haben sie Einzelstunden mit Betreuerinnen, wo sie über ihre Probleme reden können. Da wird aber auch über berufliche Perspektiven geredet: welche Ausbildungen etwas für sie wären, wie man sich bewirbt und wie der Lebenslauf aussehen muss. Und es gibt ein Bildungsmodul, wo die Basiskenntnisse wie Grammatik oder Rechnen aufgefrischt werden.
Verein Sprungbrett
Es gibt aber auch NEETs aus höheren Schichten, da handelt es sich entweder um Jugendliche, die von zu Hause aus alles haben und deswegen nicht arbeiten gehen müssen. Oder es fällt ihnen schwer, sich für eine Ausbildung zu entscheiden oder sie haben Ausbildungen abgebrochen und haben zwischendurch "Gap Years", in denen sie nichts machen.
An Struktur gewöhnen
NEETs heißen solche Jugendliche, die weder eine Ausbildung machen, noch arbeiten. In Österreich haben Studien ergeben, dass das etwa 75.000 Menschen zwischen 15 und 24 Jahren betrifft. Das "Aus-Dem-System-Fallen" kann verschiedene Ursachen haben. In Österreich weiß man, dass besonders oft MigrantInnen, Jugendliche aus bildungsfernen Schichten oder aus sehr armen Familien betroffen sind.
NEET sein heißt vor allem auch: keine Beschäftigung haben, keine Tagesstruktur. Um solche Jugendliche aus den Parks oder Lokalen zu holen, wurden in Wien die sogenannten spacelabs eingerichtet. Das sind Werkstätten, wo Jugendliche zwischen 15 und 25 für ein kleines Taschengeld arbeiten können. Derzeit gibt es ein spacelab mit Schwerpunkt Umwelt in Strebersdorf und ein spacelab Kreativ in Favoriten. Anfang März hat das spacelab_girls nur für Mädchen eröffnet.
Verein Sprungbrett
Die spacelabs sind ein Projekt der Wiener Ausbildungsgarantie, gefördert vom AMS Wien und dem waff.
spacelab_girls ist eine Kooperation zwischen dem Verein sprungbrett und dem WUK, der Volkshilfe, dem Verein Wr. Jugendzentren & den VHS.
Bei allen spacelabs wird unterschieden zwischen Tagestraining und Werkstättentraining. Emine Özkan, Standortleitung vom spacelab_girls sagt: "Das Tagestraining ist für Mädchen, die erst einmal nur schnuppern wollen. Die ausprobieren wollen, was wir anbieten und wie das ist, wieder eine Struktur zu haben. Also in der Früh aufzustehen, wohin zu gehen und ein paar Stunden lang durchzuhalten. Das klingt vielleicht banal, ist aber für viele eine Herausforderung." Für das Tagestraining muss man sich nicht anmelden, sondern kann einfach kommen, wenn man möchte. Am Ende des Arbeitstages gibt es ein Taschengeld von 10 Euro. Wer eine Zeit lang im Tagestraining war und das gerne möchte, kann zum Werkstättentraining wechseln. "Das ist dann ein wenig höherschwelliger, da müssen die Mädchen dann da sein, bekommen aber auch eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts vom AMS."
Spacelab Girls
Großer Zuspruch
Zwölf Plätze gibt es beim spacelab_girls für das Werkstättentraining, zehn für das Tagestraining. Im Werkstättentraining sind noch Plätze frei. Beim Tagestraining schwankt das naturgemäß von Tag zu Tag. Das spacelab_girls ist gut ausgelastet, obwohl es erst seit 1 1/2 Monaten besteht. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Mädchen das sehr schätzen, dass sie hier unter sich sind." Die meisten Teilnehmerinnen haben vom spacelab über Freundinnen erfahren oder über JugendarbeiterInnen. Auch das AMS kann Mädchen zu spacelabs schicken, wenn ihnen die Maßnahme für sinnvoll erscheint.
Die Teilnehmerinnen, die ich beim spacelab treffe, sind alle sehr gerne hier: "Ich finde es cool, dass man 10 Euro verdienen kann. Es macht mir Spaß, mit anderen Mädchen das gleiche zu machen und mal rauszukommen und nicht nur zuhause rumzusitzen", sagt eine. Eine andere ergänzt: "Mir ist das sehr wichtig, dass hier nur Mädchen sind, weil man fühlt sich freier, es ist angenehmer unter sich zu sein."