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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 4. 2014 - 20:36

The daily Blumenau. Weekend Edition, 13-04-14.

Wer darf wie politischen Protest?

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Und wie schon Freitag: wenig Zeit, daher kurz und schmerzlos.

Am Tag danach ist Ehrenhauser noch da.

#eu-wahl #demonstrationskultur

Schon klar, dass man sich im Fall der sonntäglichen Protest-Aktion des Europa Anders-Spitzenkandidaten Martin Ehrenhauser am konkreten Vorfall abarbeitet und dabei entweder die Frage, ob ein oftmals Gewendeter denn ein guter Mandatar sein könnte oder die Frage nach medialen Hintergründen (etwa dem schnellen Auftauchen der Krone bespricht.

Interessanter wäre die Frage der parteipolitischen Instrumentalisierung von eigentlich der Zivilgesellschaft zugerechneten Aktionen oder die Frage, was überhaupt geht, als Kandidat für ein durchaus mit Befugnissen versehenes Amt.

Ehrenhauser mag ein Wendehals sein, ein zweiter Rudi Fußi, bei einem, der bereits über drei verschiedene Ideologien/Parteien/Gruppierungen vertreten/empfohlen hat, ist dieser Vorwurf keine große Überraschung. Er hat sich aber in den letzten EU-Jahren als einer, der sich in tatsächlich europäisch zu verhandelnden Punkten wie Vorratsdatenspeicherung oder Korruption hervorgetan hat, dann doch einen Respektvorschuss erarbeitet, der es möglich machen sollte, seine Aktion nicht per se als Spinnerei abzutun.

Denn dahinter stellt sich schon eine demokratiepolitisch bedeutsame Frage: Wie weit darf/soll/kann/muss politischer Aktionismus gehen?
Die zugeschriebene Glaubwürdigkeit kann kein Kriterium sein: natürlich finden alle Mitbewerber die Ballhaus-Platz-Ein-Mann-Besetzung gerade lächerlich, reflexhaft.

Andererseits bekam einer, der (auch in Sachen Hypo) ein inhaltlich ebenso wenig durchdachtes Pamphlet aufgesetzt hatte, großen medialen Mainstream-Applaus für seinen Mut, seinen Frust zu kanali/verbalisieren. Roland Düringer unternahm das in der Annahme, ein Tribunen-Mandat einer breiten Basis zu haben (eine absurde Aneignung altgriechischer Traumwelten) - Ehrenhauser hat zumindest das Mandat seiner Gruppierung, die es (auch ganz ohne sein Kandidatur-Recht als Abgeordneter) geschafft hatte, auch die nötigen Stimmen fürs Antreten zu erreichen, ist also deutlich stärker legitimiert.

Trotzdem wird sein Protest wesentlich belächelter behandelt als der des vormaligen Spaßmacher und der jetzigen Spaßbremse Düringer.

Das wäre auch völlig korrekt, wenn es sich tatsächlich um eine Bewertung von Inhalt, Form oder Originalität handeln würde.

In Österreich bleibt die Bewertung von politischen Protest aber am Ansehen der Person bzw. einer (recht unveränderbaren) Zuschreibung gefangen.

Wer sich in einem formal protestierenden Bereich wie der (traditionell inhaltswuchtigen) politischen Satire, dem Kabarett aufhält, oder wer einmal als Aktivist Aufsehen erregt hat (und das bis ans Lebensende, egal ob man in späten Jahren in die Horst-Mahler-Ecke abdriftet) der kriegt eine andere Beurteilung. Dem wird zugestanden, was der Berufspolitiker nach öffentlicher (und dementsprechend auch von den Medien verbreiteter) Ansicht nicht darf.

Das hat mit den hier von Armin Wolf geschilderten Entwicklungen zu tun, ist aber auch einem speziell österreichischen Prozess der schnellen Zuordnung und Einkastelung, aber auch einem alten Untertanengeist geschuldet, der bei allen Politikern und allen Mandataren von automatischen Mitschneidereien auf höchstem Niveau ausgeht, also das Grassertum als durchschnittlichen Normalfall annimmt.

Die daraus folgende Bankrotterklärung der Politik ist also in erster Linie eine Bankrotterklärung der Zuschreibungen des Wahlvolks, das vom größtmöglichen Gaunertum ausgeht, deshalb pauschal verdammt und so die Demokratie letztlich abschaffen wird.

Dass Politiker, die aktionistisch vorgehen, per se als kindische Deppen diffamiert werden (man andererseits aber über die Tatenlosigkeit, auch jene der Opposition, die ja nicht mehr als aktionistisch tätig werden kann, jammert) ist da nur ein Seitenstrang, der diesen Selbstzerstörungs-Mechanismus kurz öffentlich sichtbar macht.

10 Tage später. am 22.4. beendet Ehrenhauser die Aktion, weil sich der Ort nicht auszahlt: kein Politiker sei vorbei-gekommen. Ehrenhauser will danach quer durchs Land touren und andere Plätze besetzen.

Ich will damit nicht sagen, dass die Ehrenhauser-Aktion möglicherweise eine kindische Deppen-Aktion ist, das kann durchaus sein (ihre Ernsthaftigkeit wird sich erweisen, wenn einmal Tag 10 oder 12 erreicht sein sollte).
Eine Gesellschaft, die politischen Aktionismus aber auf Nicht-Politiker beschränkt wissen will, hat einen wesentlichen demokratischen Grundsatz nicht so recht kapiert.