Erstellt am: 14. 4. 2014 - 15:02 Uhr
Flimmern: Maschinen und Menschen
Flimmern
Der assoziative Wochenrückblick auf FM4
In den USA werden seit einiger Zeit Drohnen eingesetzt, um Jagd auf Graffiti-Maler zu machen. Die Deutsche Bahn überlegt sich das auch. Das musste ja so kommen, werden jetzt alle unter uns aufschreien, die mit The Empire Strikes Back aufgewachsen sind.
Die Deutsche Bahn betont, dass geplant ist, "nur" Privatgrund per Drohnen zu überwachen. Aber keine Angst, die Polizei verwendet sie auch und auch in Österreich wird schon an einer vollautomatisierten Überwachung des EU-Luftraums geforscht und gearbeitet.
Katsu ist Graffiti-Künstler, vermutlich Generation Star Wars. Er ist ein New School-Vandale mit Old School-Ethos, der sich seit vielen Jahren mit technologischen Innovationen auseinandersetzt und wie man sie für Interventionen im öffentlichen Raum oder Kunstinstitutionen verwenden kann.
Ein Mann fürs Arschtreten, symbolisch und real. Er ist kein Kandidat für Stadtbeschönung mit Motiven, die man auch im Museumsshop auf Kaffehäferln gedruckt kaufen kann.
Jetzt hat der Vandale unsere Aufmerksamkeit erregt, indem er eine Drohne gebaut hat, mit der man ferngesteuert seine Pieces anbringen kann. Es ist nicht der erste Versuch dieser Art und im Video wird das relativ unspektakulär demonstriert, indem abstrakte Bildchen auf Leinwand gemalt werden. Aber ich vermute, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Clips mit fassungslosen New Yorker Polizisten auftauchen, die zusehen, wie ihr Auto live und direkt vor ihren Augen von Drohnen getaggt wird.
Die Drohnen, die die Deutsche Bahn zur Überwachung einsetzen wollen, schaffen etwa 33 Kilometer pro Stunde. Für wirklich weite Reisen scheint das etwas ungeeignet. Mit einer Passagiermaschine beträgt die Flugzeit von Wien nach New York gerade mal neun Stunden.
Wenn du es aber geschafft hast, in etwas über neun Stunden von Wien nach New York zu kommen, keine Probleme beim Zoll bekommst (weil die Homeland Security deine gesamten Emails nicht gelesen hat), dann kann es dir immer noch passieren, dass der Trip ein einziger Albtraum wird, weil Jetlag das Leben in eine - wie es ein ermüdeter Freund einst nannte - niemals endende After Hour verwandelt.
Jetlag ist etwas fuchtbares, man steht tagelang neben sich und seiner eigenen Realität, die der anderen ist schon längst hinter einer undurchdringlichen Nebelwand der Verwirrtheit verschwunden. Beziehungen können am Jetlag zerbrechen und manchmal wird das Leben, das Reisen, das Atmen als Ganzes für sinnlos erklärt. Jetlag ist kein eingebildetes Luxusproblemchen von jammernden DJs, sondern etwas, das tatsächlich krank macht.
Ich bin deshalb begeistert von der Meldung, dass eine App entwickelt worden ist, mit der man den Jetlag nicht durch den Biorhythmus austricksende Drogen besiegt, sondern mit den Wundern der Mathematik. Die App errechnet je nach Reiserute zwei Zeitpunkte, zu denen man sich möglichst hellem Licht aussetzen soll oder in die Dunkelheit flüchtet.
Das Gefühl, dass es ein völlig sinnloses Missverständnis war, einen Job angenommen zu haben, bei dem man Reisen muss, oder wie man den Wahnsinn begehen konnte, sich zu touristischen Aktivitäten hinreißen zu lassen, könnte der Vergangenheit angehören.
Am 12. Juni werden sich Touristenströme über Rio ergießen. Jetlaged oder nicht, die Fußball-WM wird starten, gewaltsame Räumungen von Wohngegenden durch das Militär hin oder her. Parkhäuser und die Interessen der FIFA scheinen relevanter zu sein als Menschenrechte.
Diese Woche wurde exzessiv auf den Websites internationaler Medien ein Video gepostet, das belegen soll, wie dreist die Kriminellen in Rio doch sind. Eine Frau wurde zum Thema Kriminalität interviewt und während des Interviews stiehlt ihr ein Dieb die Kette.
Im Jänner gab es laut Statistik des öffentlichen Amts für Sicherheit 6.911 Diebstähle und Raubüberfälle und 3.308 Überfälle auf Passanten. Am 3. Februar wurde ein Teenager, der angeblich ein Handy gestohlen hat und vermeintlich auf frischer Tat ertappt worden ist, von einer sich als "Bürgerwehr" bezeichnenden Gruppe von Leuten gefoltert und nackt mit einem Fahrradschloss um den Hals an einen Straßenmast gebunden. Der 15-Jährige hing daraufhin mehrere Stunden nackt in Flamengo - einer der wohlhabendsten Gegenden Rios - an der Laterne, bis eine Bildhauerin und Leiterin eines Sozialprojekts die Feuerwehr rief um ihn loszuschneiden.
yvonne berezza de melo
In Social Networks und auch im Fernsehen brach daraufhin ein Shitstorm los, dass der angeblich in der Gegend bekannte Dieb das schon verdient hätte. Eine Fernsehmoderatorin meinte, wenn man soviel Mitleid mit den kleinen Dieben habe, solle man sie doch bitte alle mit nach Hause nehmen.
Darüber, dass es ein größeres Problem im Umgang mit Kriminalität ist, einen Teenager nackt an eine Laterne zu ketten und im Fernsehnen rauszuplärren, dass dies eine ganz gute Idee sei, als dass vor laufender Kamera eine Kette gestohlen wird, habe ich nirgendwo etwas gelesen.