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Petra Erdmann

Im Kino und auf Filmfestivals

13. 4. 2014 - 14:54

FM4 Filmgeschichten mit Peter Kubelka

"Ich habe meine eigenen Filme gestohlen ... und jetzt sperren sie mir mein Medium zu." Der 80jährige Filmemacher im Interview.

  • FM4 Filmgeschichten mit Peter Kubelka am Sonntag in FM4 Connected (13-17 Uhr) und danach 7 Tage zum Anhören hier

Peter Kubelka ist kein Raunzer. Damals nicht und heute nicht. Der Filmemacher ist im März 80 geworden. Er ist modern. Das heißt widerständig, analytisch und beseelt vom Film als Kunstform.

Film sind Einzelbilder und 24 Kommunikationsmöglichkeiten in der Sekunde. Ein guter Film ist für Kubelka natürlich ein analoger, "wie ein Gedicht, das man auswendig lernt und immer wieder anschauen will".

Fragt man ihn, was seine frischesten Kinoträume sind, antwortet er: "Wissen Sie, mit 80 Jahren träumt man nicht mehr. Ich bin ein Beobachter geworden. Und da muss ich sagen, langsam sperren sie mir mein Medium zu." Kubelka verbietet es, seine 16mm- und 35mm- Arbeiten digital im Kino abzuspielen, weil das eben nicht die originale Form seiner künstlerischen Intention ist. Das schließt nicht aus, dass der moderne Peter Kubelka mit 80 mit Iphone und Ipad im FM4 Studio sitzt und eine Stunde lang als Zeitzeuge erzählt. Über eine sich über Jahrzehnten verändert habende Kinokultur, wie er sie erlebt und revolutioniert hat – voller Enthusiasmus, klug und mit viel viel Schmäh wie kaum ein anderes Original.

Peter Kubelka

Filmmuseum/Sabine Maierhofer

Sein einminütiger "Adebar" war 1957 der erste strukturelle Film der Welt. Das gleichnamige Wiener Café hat ihn geordert. Bilderschatten von Tanzenden, Licht und Ton hat Peter Kubelka unter strengen Gesetzmäßigkeiten montiert und als "metrisch" bezeichnet.

1958 wurde der Avantgardist von einer Bierfirma beauftragt, einen Werbespot herzustellen. "Schwechater" heißt diese Auftragsarbeit. "Die Vorgaben waren banal", erinnert sich Kubelka, "schöne Mädchen trinken Bier im Wirthaus, aber aus Sektgläsern." Geworden ist daraus wieder ein metrischer Film: In hypnotischen Loops, in schwarz, weiß und rot mit kratzenden Sound springt einen eine Minute lang ein betörendes Stakkato, eine rhythmisierte Montage aus Einzelbildern an.

Der Auftraggeber hat die Arbeit Schwechater abgelehnt und sogar die Aufführung von "Schwechater" auf der Weltausstellung in Brüssel verbieten lassen. Peter Kubelka wurde zum Dieb, sagt er. "Schwechater" musste er aus Kopierwerkstatt stehlen. Wie er das eben immer wieder gemacht hat mit seinen Filmen, die (auch) aus Found-Footage-Material bestehen.

Filmstill mit dem Schriftzug "Schwechater"

Peter Kubelka

"Schwechater" (1958)

Sein erstes Werk, das 16 Mintuen lange "Mosaik im Vertrauen" ( 1955) wurde zur der Biennale in Venedig eingeladen. Die nötige Genehmigung dazu wurde Kubelka vom zusständigen österreichischen Ministerium 1956 negativ beantwortet. "Ein vietnamesischer Malerfreund hat mir dann Kontakte zu seiner Botschaft verschafft und so ist 'Mosaik im Vertrauen' bei der Biennale für Vietnam an den Start gegangen."

Seine radikale Kinorezeptur hat Kubelka zum Wegbereiter des Unabhängigen Films gemacht. Er hat ihn institutionalisiert. 1964 als Mitbegründer des Österreichischen Filmmuseums hat er die Sehweise mehrerer Cineasten- und Filmemacher-Generationen geprägt.

Retrospektiven des sowjetischen Montage-Meisters und Revolutionsfilmers aus den 20er-Jahren, Sergei Eisenstein ("Panzerkreuzer Potemkin", "Oktober") hat er gemeinsam mit seinen Kollegen Peter Konlechner hierzulande erstmals aufführen lassen. Genauso aktuell wie unbeachtet zu dem Zeitpunkt auch das "Direct Cinema" der US-Dokumentaristen Richard Leacock und der Maysles Brothers. Das Publikum war hungrig nach unabhängigen Filmen, nach noch randständigen, nie gesehenen Meisterwerken der Filmgeschichte. "Wir mussten jeden Tag bis zu hundert Leute wegschicken, weil der Saal ausverkauft war", betont Kubelka das Bedürfnis nach Film als Kunstgattung.

Das unsichtbare Kino

Filmmuseum

Das unsichtbare Kino

Dass die Kinomaschine physisch wirken sollte, war immer Kubelkas Rede. Dieses Gefühl hat er selbst als Volkschüler zum ersten Mal bei der Vorführung eines Dr.-Oetker-Werbespots in einem Wanderkino in Oberösterreich erfahren. Im Kinosaal muss der Fokus einzig auf das Sinnesereignis gerichtet werden. Sein Konzept des "Unsichtbaren Kinos" hat er im Österreichischen Filmmuseum umgesetzt: Ein Projektor, ein stockdunkler Saal und die Leinwand. Den Film in der vom Regisseur geschaffenen Version hat man dem Publikum da präsentiert. Konsequent etwa japanische Originalfassungen ohne Untertitel u.a. von Akira Kurasawa, "und wenn wir mal keine Orginal-Kopie bekommen haben, haben wir den Film trotzdem aufgeführt. Aber uns dafür entschuldigt, dass wir ihn mit Untertiteln zeigen."

1966 reist Peter Kubelka in die USA und verankert sein Leben und seine Lehre in einen Kreis gleichgesinnter Underground-Filmemacher und Avantgarde-Theoretiker, wo er begeistert aufgenommen wird. "In Amerika hat es nicht nur mehr Außenseiter gegeben, sie waren auch akzeptierter als in Österreich". 1970 hat Peter Kubelka u.a. gemeinsam mit Jonas Mekas die "Anthology Film Archives" in New York gegründet und international gewirkt.

Peter Kubelka

Filmmuseum

Die Zusammenstellung eines persönlichen Kino-Kanons, wo man maßgebende Werke allgemeingültig auflistet , dem hat der Kinopurist Kubelka sein zyklisches Programm "Was ist Film" entgegengesetzt. Es umfasst 63 Vorschläge, die über die Jahre bis heute im Österreichischen Filmmuseum aufgeführt werden.

Kubelka mag keine Kategorisierungen und Festlegungen. Seine Vorträge tragen den Titel "Ohne Titel". Sie sind legendär, klug und unterhaltsam. Kubelka spricht vom Kochen, der Evolution und dem Filmkader. Es sind mehrstündige Initiationsrituale für Interessierte, die sich von Kubelkas Film- und Lebemann-Leidenschaften noch immer anstecken lassen wollen und sollen.

Hörtipp

  • Die Filmgeschichten mit Peter Kubelka gehen am Sonntag in FM4 Connected (13-17 Uhr) auf Sendung. Anschließend 7 Tage lang zum Anhören hier.