Erstellt am: 10. 4. 2014 - 22:37 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 10-04-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Troubleshooting 1: Typus patscherter Gangster (Rapid-Fans)
#fußballjournal14
Trotz Derby-Sieges hat der geneigte Rapid-Fan aktuell ein Image-Problem: er wird schief angeschaut, muss sich ob der widerlichen (und nicht einmal im Hooligan-Sinn mannhaften, 15 gegen einen, wie peinlich ist das denn...) Attacke auf einen Gegner (der dann dummerweise auch noch ein Jugendnationalspieler war) mitverantworten. Und natürlich fliegen gerade dann von allen Seiten die Keulen, greifen die Zuschreibungs-Automatismen, perpetuieren die Medien ein überkommenes Bild.
"Gebetsmühlenartig" heißt es in einem klug formulierten Kommentar von pro supporters, einer Plattform der Fans, würde von Politik, Vereinen, Verband und Medien "die x-ten repressiven Maßnahmen gefordert", von Stadionverbot über Mitgliedschafts-Entzug, präventive Maßnahmen würden kaum erwähnt.
Eine eingeschränkte Sicht der Dinge: Verband und Liga, aber auch Rapid, hatten die Prävention fast schon hilfeheischend in den Vordergrund gerückt, weil diesen Verantwortlichen die Angst, ganz konkrete und harte Maßnahmen durchsetzen zu müssen, seit Jahren ins Gesicht geschrieben steht. Meine Kritik vom Montag baut genau auf dieser Schere der Machtlosigkeit auf. Und noch was kritisiere ich: Ich unterstelle, "dass sowohl den Rapid-Insidern als auch den Austria-Auskennern völlig klar ist, welche Gruppe verantwortlich für den Vorfall ist und wodurch oder durch wen die Eskalation erfolgte", dass aber auch innerhalb der Szene keine Konsequenzen gezogen werden, sondern die stillschweigende Duldung der Vorfälle überbleibt.
Im pro supporters-Brief wird diese Annahme (implizit) bestätigt. Die Rapid-Fans erwähnen da (aufrechnerisch...) die beim letzten Derby durchgeführte Attacke einer Austria-Neonazi-Hool-Partie (ein Überfall aufs EKH) und zeigen ganz offen ihr genaues Wissen um die Verursacher. Das wird im ureigenen Bereich nicht viel schlechter sein.
Die Beschwerde der Rapid-Fans über die unsachliche Behandlung des Vorfalls transportiert also - eher nebenbei, aber für jeden mit ein wenig Verstand gut lesbar - die Ablehnung, Untaten im eigenen Umfeld aufklären zu helfen.
Klar, die aus lustigen Mafia-Serien, Rap-Seifenopern und anderer Gangster-Folklore entnommene Omertà den Behördern gegenüber mag cool und authentisch daherkommen: Der eigenen Glaubwürdigkeit als gewaltfrei agierende Anhänger-Truppe hilft sie nicht gerade. Wer Schlägertypen deckt, prügelt mit.
Troubleshooting 2: entglittene Familien-Fehde (Eishockey)
#machtpolitik
Wochenlang war es ein großes Geheimnis: welche österreichische Eishockey-Nationalspieler denn dabeigewesen sind, bei der ominösen olympischen Sauforgie in Sochi, direkt nach dem tollen Sieg gegen Norwegen, und zu nah dran am Achtelfinal-Spiel gegen Slowenien, das dann aufs Übelste verloren ging.
Nach dem Match hatten sich die drei NHL-Profis Vanek, Grabner und Raffl geoutet, entschuldigt und vor den Rest der Mannschaft gestellt. Die Öffentlichkeit, Teile des Verbandes und des Teams forderten Offenlegung und Aufklärung, Präsident und Teile der Mannschaft (nicht nur die Saufkumpane) kamen aber überein alles im Verborgenen zu lassen.
Nach dem Turnier, auch im Vorfeld der nächsten Aufgaben (in 10 Tagen startet die B-WM, bei der von Österreich nichts anderes als der Wiederaufstieg in die A-Gruppe erwartet wird) traten einige Akteure zurück, beendeten ihre Team-Karriere, andere betonten nicht zur Verfügung zu stehen, so lange der unaufgelöste Konflikt schwelen würde.
Weil dazu noch ein paar Verletzungen kamen, fällt für die B-WM in Südkorea praktisch die gesamte Abwehr aus. Da die in Sochi als der eigentliche Schwachpunkt des ÖEHV-Teams galt, wird es dort zur interessanten Nagelprobe kommen, aber das nur nebenbei.
Am Dienstag hat nun der langjährige Verbands-Präsident Dieter Kalt für einen Pauken/Befreiungsschlag gesorgt: in einer (recht wirr formulierten) Stellungnahme (in der von seiner Gesundenuntersuchung und vom Hypo-Ausschuss die Rede ist) outet er nicht nur die sieben Sünder, sondern beschuldigte auch den zurückgetretenen Verteidiger Matthias Trattnig, den heftigsten Kritiker der Sauf-Seven aber auch der Verbands-Haltung, den Zapfenstreich überzogen zu haben.
Gestern konterten Trattnig und der mitbeschuldigte Thomas Pöck, die einen Bus verpasst und deswegen später dran waren, aber nichts mit der Orgie zu tun hatten, sie verwehrten sich gegen einen Vergleich.
Damit ist der Scherbenhaufen komplett. Die Mannschaft ist zerstritten und zerschlagen, der völlig überforderte Coach und auch der unglücklich agierende Sportdirektor desavouiert und der Präsident als rachesüchtiger Kleingeist bloßgestellt.
Was ein absoluter Höhepunkt des heimischen Eishockey hätte sein können, wurde nicht so sehr durch das Besäufnis, auch nicht durch die daraus folgende Niederlage, sondern ausschließlich durch die anschließende Nicht-Kommunikations-Politik, durch inferiores Troubelshooting zu einem veritablen Tiefpunkt, aus dem sich der Sport nur langsam und schwer erholen wird.
Troubleshooting 3: Typus Frechheit siegt (FPÖ)
#machtpolitik #eu-wahl
Clever gemacht haben es die BZÖ und das künftige ehemalige Team Stronach: die haben die Mölzer-Wirrnisse genützt um unauffällig eine ungeeignete Nur-Tochter loszuwerden bzw. noch unauffälliger, weil wurschter, gar nicht bei der EU-Wahl anzutreten.
Die FPÖ hat aus den Unsäglichkeiten ihres nationalistischen Chefideologen allerdings auch das bestmögliche Ergebnis rausgeschwunden.
Sowohl Strache als auch der eh immer schon wahre Spitzenkandidat Vilimsky können sich als moderne Weltbürger, die keine schlimmen Worte mehr verwenden, präsentieren. Nicht ohne dabei in Wortwahl und wenig dezenten Anspielungen darauf zu verweisen, dass sie auch so lässige Typen seien, die es dem p.t. Publikum, also dem österreichischen Wähler, ihren Sympathisanten, selbstverständlich freistellen weiterhin rassistische Begriffe zu verwenden, solange das nur einer (allzu liberalen, blöd-linken) Moral folgt und es keine gesetzliche Handhabe gibt. Man transportiert hier also sowohl das nötig-staatsmännische als auch das augenzwinkernde-Ich-bleib-einer-von-euch. Frech, aber Win-Win.
Strache lässt keine Gelegenheit ungenützt, um sich von der alten Nazi-Last zu befreien, distanziert sich, benennt es als Ort "wo wir nicht hingehören". Dass er als Ex-Schwiegersohn des NDP-Gründers und Kriegsverbrechers Burger, als Wehrsport-Waldhüpfer im Umfeld des (mehrfach verurteilten) heimischen Neonazi-Kings Küssel sich jetzt so massiv von seinen ideologischen Wurzeln distanziert, ist nicht einmal wirklich unglaubwürdig. Der (durchaus reale) Machtkampf mit den alten Recken, deren Lebensentwürfe mittlerweile so weit weg von denen Straches sind, bestätigt das.
Dass die - wie immer von Spin-Doctor Kickl orchestrierte - offizielle FP-Wortwahl die Mölzer-Aussagen als "provokant" bezeichnet und damit dann doch wieder verharmlost, fällt in diesem Zusammenhang unter das neue, unideologische Konzept der FPÖ 2014, die sich ja viel deutlicher an modernen Autokraten wie Putin, Orban oder Erdogan (auch wenn das niemand offen zugeben würde...) orientiert als in Ulrichsberger Erinnerungs-Kultur zu schwelgen.
Es ist tatsächlich so, dass die Strache-FPÖ den alten (und auch den neuen) Nazi-Scheißdreck nicht mehr braucht. Der entsprechende Bodensatz kann eh nicht anders als sie, die neuen Nationalisten, als quasi geringstes Übel zu wählen; für die neue Lust am starken Mann sind in allen Bereichen genügend Menschen ansprechbar; und für jene Protestler, die sich ausschließlich wegen der Nazi-Nähe haben abschrecken lassen, fällt auch diese Schranke jetzt weg.
Man wolle jetzt wieder, sagt Strache, diesen Eindruck entstehen lassen, dass sie, die FPÖ in diesem Eck daheim sei. Und verwehrt sich dagegen. Und das gleichzeitig zu recht und zu unrecht. Denn natürlich wird die FPÖ weiterhin auch das ultrarechte Element abbilden und mitvertreten; seine Zurschaustellung ist aber nicht mehr nötig; es geht auch ohne und mit - zumindest vordergründig, und bei den vielen Gudenussen immer auf eigene Gefahr - unbelastetem Personal.
Also: Troubleshooting gelungen. Außenkommunikation: alles richtig gemacht. Es war auch nicht verkehrt, ein paar Tage lang zu überlegen was zu tun wäre und nicht sofort panisch zu werden. Im Aussitzen und ordentlich drüber sinnieren, wie man eine Krise, ein neues In-den-Gatsch-Greifen, eine neue orgiastische Fehlaussage nicht einfach entschuldigt, sondern dafür nützt, besser dazustehen als vorher, ist die Kickl-FPÖ österreichischer Meister. Mit Respektsabstand.