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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

10. 4. 2014 - 19:22

Berliner Partyspiele

Das Indie-Games-Festival A MAZE. eröffnet mit bunten Hüpfsäcken, Oculus Rift-Experimenten, Adventure-Druckern und Kuschelsteuerung.

Die Magie einer guten Party, das habe ich während des Erwachsenwerdens gelernt, liegt - mit Ausnahme von Musik - im Fehlen jeder vorgegebenen Aktivität. Eine Party ist meistens dann toll, wenn alle zusammengepfercht in der Küche bzw. im Club herumstehen und außer Reden und Trinken eigentlich nichts machen. Später darf getanzt oder geschmust werden. Gute Party fertig.

Die fröhliche Welt der zeitgenössischen Indie-Games-Community lehrt nun eine familienfreundliche Variante der Party. Stimmt schon, die muss nicht die "erwachsene" Version ersetzen. Vielleicht ist sie eher das neue Vorglühen. Jedenfalls kommt man sich auf dem A MAZE. Festival mitunter vor wie auf einer Mischung aus Gschnas und Kindergeburtstag. Das mag nicht jedem Spielkulturmenschen persönlich entgegenkommen, trifft aber definitiv einen Nerv, der sowohl technisch-innovative (neue Interfaces) als auch wirtschaftliche (neue Sehnsucht nach der Rückkehr des gemeinsam im selben Raum Spielens) Wurzeln hat.

Das A MAZE.-Plakat auf einer Litfasssäule: ein schwarzes Smilyface auf buntem Hintergrund.

Robert Glashüttner, ORF/FM4

Gut gelaunt und mit neuem Logo: Das A MAZE.-Festival

A MAZE. / Berlin (ehemals "Indie Connect") ist innerhalb von nur drei Jahren zum wichtigsten europäischen Treffpunkt für unabhängige Games-Entwickler/innen geworden.

Achtung, es gibt für Konferenz und Ausstellung/Musik zwei unterschiedliche Locations.

Schon in den letzten Jahren war abzusehen, dass Indie Games künftig etwas weg von der klassischen Tastatur/Maus/Gamepad/Bildschirm-Kombination gehen und hin zu allem anderen, was einem so in den Sinn kommt. Ausschlaggebend für diese Bewegung war die wissenschaftliche Forschungsgemeinde der ITU Universität Kopenhagen, Vorreiter der kulturwissenschatlichen Game Studies (trotz Technik-Uni), an der sich etwa auch der renommierte Games-Wissenschafter Jesper Juul seine Sporen verdient hat.

Die neue Generation der querdenkenden Indie-Game-Designer rund um Personen wie etwa Douglas Wilson hat mit Projekten wie "Johann Sebastian Joust" oder "B.U.T.T.O.N" das Computerspiel von den üblichen Interfaces und Darstellungen sowie einem fairen bzw. eindeutig zu definierenden Regelsystem befreit. Dieses Jahr hat Dajana Dimovska, ebenfalls Teil des Copenhagen Game Collective, bei der A MAZE.-Konferenz das verspielte Prinzip der dänischen Forscher/innengemeinschaft in Berlin präsentiert.

Diese neue, in gewisser Weise anarchische Spielkultur, die nur mehr partiell digital ist, wird ergänzt durch haptische Erlebnisse, bei denen man mehr als nur die üblichen Eingabegeräte angreift. So werden dieses Jahr bei der Ausstellung in der Urban Spree-Halle riesige Papp-Joysticks angegriffen, Männer (oder Frauen oder Männer und Frauen) tappen sich gegenseitig am Rücken herum, Adventure-Games werden auf einem Thermodrucker geprintet und erwachsene Menschen wälzen sich in bunten Hüpfsäcken am Boden.

Ein zweiter Schwerpunkt des diesjährigen A MAZE.-Fests ist - Facebook-Aufkauf hin oder her - die auffällig starke Dichte an Oculus-Rift-Brillen. Die Virtual-Reality-Lösung ist ein wunderbares Experimentierfeld für unabhängige Spielermacher/innen, weil durch sie nicht nur klassische Games-Erlebnisse intensiviert werden können (Fachterminus: Immersion) sondern auch, weil sie die neue Games-Gattung "Walking Simulator" (es gibt keine Ziele, du läufst nur in einer mehr oder weniger interessanten Umgebung umher oder wirst durch sie geleitet) perfekt ergänzt. Mit der Brille einfach nur mal so in eine fremdartige, faszinierende, mysteriöse, gruselige virtuelle Welt hineinschauen ist derzeit noch aufregend genug, um als reine Erlebnistour einen Mehrwert zu bieten. Man kann aber davon ausgehen, dass die inhaltliche Qualität der Software mit den neuen VR-Lösungen in den kommenden Jahren bald Schritt halten wird können.

Zwei Tage Konferenz

Der erste Tag der A MAZE. / Berlin 2014-Konferenz hatte an Höhepunkten die Eröffnungskeynote des Interface-Expertens Henry Smith ("Spaceteam", Award-Gewinner des Vorjahres) gebracht, und auch Vorträge des humorvollen Kunst-Game-Designers Pippin Barr sowie eine einstündige Interview-Session mit dem Proto-Indie-Entwickler Jonathan Blow ("Braid", "The Witness").

Morgen, Freitag, spricht unter anderem Petri Purho ("Crayon Physics", uvm.) und Benedikt Hummel vom Kurzspielkollektiv Major Bueno. Musik kommt etwa vom Chiptunes-Urgestein Patric C und einer Band mit dem großartigen Namen Der viereckige Hai. Am Samstag gibt es keine Konferenz mehr, das Ausstellungs- und Musikprogramm läuft aber noch. Das gesamte Programm zur bequemen Einsicht steht auf amaze-berlin.de.