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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

10. 4. 2014 - 12:53

Das Beste aus Europa

Scarlett Johansson als Alien, Texta in einer Doku, Wiener Chinesinnen und ein Hallstatt-Klon in Boluo - das Crossing Europe Filmfestival ist reich an wunderbaren Geschichten.

Crossing Europe, 25. bis 30. April 2014, Linz.

Mit sechs Eröffnungsfilmen legt das Crossing Europe vor, was Programm ist. Europäisches AutorInnenkino zeigt Intendantin Christine Dollhofer seit zehn Jahren in Linz und zwar stets topaktuelles und "manchmal auch unbequemes oder künstlerisch exzentrisches, gesellschaftspolitisches". Dabei wird der Unterhaltungswert nicht außer Acht gelassen, wie bereits das Programm des Eröffnungsabends am 25. April klar macht.

Kaum wiedererkennen wird man da eine Hollywood-Größe auf den ersten Blick auf der Leinwand in Linz: Scarlett Johansson als Alien, in einem Van durch Glasgow kurvend auf der Jagd nach Männern. Under The Skin von Jonathan Glazer ist dessen dritter Spielfilm. Ein Jahrzehnt hat der Regisseur, vielfach gebucht für Werbung und Musikvideos wie Massive Attacks "Karmacoma" oder "Karma Police" von Radiohead", an seinem "Sci-Fi-Realfilm" - wie das Crossing Europe Festivalteam den Film bezeichnet - gearbeitet. Der Ursprung des Films findet sich mit dem Roman "Under The Skin" von Michel Faber. Regisseur Glazer hatte zu Beginn auch Brad Pitt im Cast vorgesehen, nach drei Jahren Arbeit konzentrierte sich seine Geschichte auf den Alien alleine. "I suppose I must have that alien thing in me to start with. Yeah. Probably. I do feel outside. Not entirely, but I do. I've had that about me since quite a young age I think", gab er in einem Interview zu Protokoll.

Seitliches Porträt einer Frau, ein Filmstill aus "Under the skin" von Jonathan Glazer

Senator Entertainment AG

Kaum wiederzuerkennen: Scarlett Johansson in "Under The Skin"

Texta beschließen die Nightline des Festivals am 30. April im OK | Mediendeck.
Weitere Musikdokus finden sich auch im Programm von Crossing Europe: "All Night - The Parov Stelar Tour Movie 2012/2013" und "Million Ways To Die - One Way To Def"

Am Eröffnungsabend uraufgeführt wird die Doku Texta In&Out von Dieter Strauch ebenso wie "Double Happiness" von Ella Raidel.

Durch das Jahr 2013 begleitete der Autodidakt Strauch die Linzer HipHopper. Zwanzig Jahre Bandbestehen und schließlich der Ausstieg von Skero markieren das Jahr, der Dokumentarfilm ist ein Blick hinter die Kulissen und ein Einblick ins Musikerdasein hierzulande.

Texta im Studio

VeryVary Filmproduktion

Auch Valeria Bruni-Tedeschis "Ein Schloss in Italien" und "L'Escale/Stop-Over" von Regisseur Kaveh Bakhtiari eröffnen das Crossing Europe 2014. Oh Qual der Wahl

Apropos Kulissen: Die Meldung, dass Chinesen in ihrer Stadt Bolou Hallstatt komplett nachgebaut hätten, ging um die Welt. Nach der Kopie schwedischer Möbelhäuser folgte tatsächlich die Kopie einer Alpenidylle. Die österreichische Videokünstlerin und Filmemacherin Ella Raidel ist für ihren Dokumentarfilm "Double Happiness" in die südchinesische Provinz Guangdong zu dieser doch sehr speziellen Wohnanlage für Reiche, inklusive angelegtem See, gereist.

Eine junge Chinesin im Dirndl steht im nachgebauten Hallstatt in der südchinesischen Stadt Boluo

Ella Raidel

"Double Happiness": Hallstatt - die Kopie oder das Original?

FreundInnen der fantastischen Unterhaltung könnten mit "Las Brujas de Zugarramurd" - englisch: "Witching and Bitching" vom spanischen Regisseur Álex de la Iglesia ein schaurig-wohliges Kinoerlebnis finden. Iglesia wird mit dem Zusatz "Regie-Enfant terrible" gelobt, im aktuellen Werk tobt der Kampf der Geschlechter. Die schwarze Horrorkomödie ist auch der Auftakt zur Programmschiene "Nachtsicht", kuratiert vom leidenschaftlichen Filmkritiker Markus Keuschnigg.

Junge Frau mit ausrasierten Schläfen spricht zu zwei Männern in "Witching and Bitching"

Splendid Films

Dario Argento sagt Guten Abend

In der "Nachtsicht" regiert allabendlich der fantastische Film: "Ultrakunst, die in ihrer Vielfalt auf keinen Nenner zu bringen ist und nicht von spießigen Verwaltern kategorisiert werden soll", so Markus Keuschnigg. Mit Dario Argento wird er einen besonderen Gast in Linz begrüßen.

Das diesjährige Tribut widmet sich der Britin Joanna Hogg. Die Regisseurin hat vom Musikvideo bis zur Fernsehserie in etlichen Formaten gearbeitet und kommt nach Linz mit ihrem jüngsten Spielfilm "Exhibition", in dem ein Künstlerpärchen beschließt, das gemeinsame Haus zu verkaufen. Die weibliche Hauptrolle spielt übrigens Viv Albertine, Gitarristin der 1976 gegründeten Punkband The Slits.

Das Beste aus Europa

184 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 37 Ländern bietet das Programm des Filmfestivals. Darunter sind 27 Welt-Premieren und 98 Filme erstmals in Österreich zu sehen. Im Wettbewerb Europäisches Kino laufen neun Spielfilme, in denen junge ProtagonistInnen im Mittelpunkt stehen. Es geht um Paarbeziehungen in "Long Distance" (Regie: Carlos Marques-Marcet) und in "Hayatboyu" von Asli Özge, um Verbrechen in "Les Apaches" von Thierry de Perettil und in "Violet" von Bas Devos oder auch gar nicht simpel um einen Platz in der Welt in "La Limita de jos a cerulu!/The Unsaved" (Regie: Igor Cobileanskil) und in "Love Steaks" (Regie: Jakob Lass).

Neun Dokumentarfilme umfasst die Schiene "European Panorama Documentary", u.a. zu sehen ist "Electro Chaabi" über DJs und Musiker in Kairos Vororten oder der Alltag in einer finnischen betreuten WG in "Hilton! - Here for Life". Im Programmspecial "Arbeitswelten" begegnet man Wiener Chinesinnen, die vor vielen Jahren in Österreich ankamen, oder einem Bestatter, der in mehreren Ländern Dienst tut.

Am Crossing Europe sieht man Filme, für die man sämtliche relevanten, großen Filmfestivals bereisen müsste, kompakt und bequem in Gehdistanz im OK | Offenes Kulturhaus, dem Ursulinensaal und im Moviemento, dem City-Kino und der Kapu. Los geht es mit großer Vorfreude und dem Durchstöbern des kompletten Programms.