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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

8. 4. 2014 - 13:31

Rabenschwarze Ernsthaftigkeit mit einem Lächeln

Zum Tod des Schweizer Filmemachers Peter Liechti.

Peter Liechtis Werk umfasst knapp 20 Werke. Seine frühen Arbeiten sind zusammen mit dem Ostschweizer Künstler Roman Signer entstanden, die Zusammenarbeit fand 1996 einen krönenden Schlusspunkt in Liechtis erstem Langfilm "Signers Koffer", der ihn international berühmt gemacht hat.

"Grundsätzlich ist mein Anspruch ein Ernster, aber es ist ja furchtbar, wenn man in die rabenschwarze Todernsthaftigkeit versinkt. So dass man sich eigentlich automatisch durch ein Lächeln über sich selbst oder das Thema rechtzeitig wieder herausholt und distanziert" hat Peter Liechti in einem Interview im Jahr 2005 gesagt. Nun ist er selbst herausgeholt aus dem Leben.

Porträt Peter Liechti

Liechti Filmproduktion GmbH

Zwei Jahre vor unserem Interview anlässlich einer Filmschau im Wiener Filmcasino hatte Liechti sein Meisterwerk "Hans im Glück" fertig gestellt. Während drei kathartischen Fußmärschen von Zürich nach St. Gallen versuchte er, sich das Rauchen abzugewöhnen, erkundete in dem für ihn typischen Essaystil aus poetisch-lakonischen Texten und assoziativen Bildern die eigenen inneren Zustände (und Süchte) und konfrontierte sich zwangsläufig mit dem Dasein der Schweizer Bergbevölkerung.

Als Dokumentarfilmer war Liechti kein heimlicher Beobachter der Zustände, sondern kritischer Betrachter, der seine Überlegungen mit dem Publikum teilte, es aber selbst denken ließ. Das Roadmovie mit zwölf MusikerInnen durch Namibia ("Namibia Crossings") enthielt harsche Kommentare über das Ungleichgewicht der Welt und war gleichzeitig eine Hinterfragung des eigenen (künstlerischen) Zugangs: "Da ist ja immer sehr, sehr viel Naivität dabei und ich lass das auch zu. Ich finde, eine gute Naivität ist ein sehr kreativer Zustand, weil man vieles zulässt. Es gibt aber auch diese unverantwortliche Naivität und es ist sehr schwer, die Grenze zu ziehen. Ich denke, ich habe mich auf beiden Seiten befunden."

Plakat zu Vaters Garten

Liechti Filmproduktion GmbH

Nachdem Liechti, dessen Geselligkeit und Freundlichkeit man zwei Mal während des Linzer Filmfestivals Crossing Europe erleben durfte, sich in "Das Summen der Insekten - Bericht einer Mumie" mit dem totalen Rückzug und Verzicht auseinandergesetzt hatte, hat er im vergangenen Jahr seinen letzten großen Film präsentiert, eine mit Hasentheater animierte Annäherung an seine Eltern. "Vaters Garten - die Liebe meiner Eltern" hat im Forum vom Filmfestival in Berlin den wichtigsten Preis gewonnen, wurde bei den Festivals in Nyon ("Innovativster Film") und Linz ("Bester europäischer Dokumentarfilm") ausgezeichnet und zwei Wochen vor Liechtis Tod wurde ihm der Preis für den besten Schweizer Dokumentarfilm des Jahres 2013 verliehen, den er nicht mehr selbst entgegen nehmen konnte.

Peter Liechti ist am vorläufigen (und nun auch endgültigen) Höhepunkt seiner erlebten Karriere gestorben, nachdem er sich seinen Eltern wieder angenähert hatte (nie sei er so nervös gewesen, wie vor der ersten Vorführung des Films mit seiner Familie, hat er in Linz erzählt), das essayistische Projekt "Dedications" über den Krankenhausalltag vermischt mit Bildern aus Liechtis Archiv bleibt unvollendet.

Es sei gut, sich in Bewegung zu bringen, er brauche das Unterwegssein, um Gedanken in Gang zu setzen, sagte Liechti über seine Arbeitsweise. Seine Filme waren immer auch Kinoreisen ins Imaginäre, eine um- und neu geordnete Welt auf der Leinwand, die nicht den Anspruch verfolgt hat, Reales abzubilden, sondern eigene Wirklichkeit zu formen. Wo auch immer Peter Liechti nun unterwegs ist, diese Wirklichkeit bleibt. Sie mag uns immer wieder dazu animieren, selbst in Gang zu kommen.