Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Der allerbeste Fahrstuhl"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

8. 4. 2014 - 16:52

Der allerbeste Fahrstuhl

Der alte Hut Neo-Disco in frischen Farben, Party-Jazz und Strandmusik. Der norwegische Produzent Todd Terje hat endlich sein Debütalbum fertigbekommen. Nicht nur deshalb ist er unser Artist of the Week.

Artist Of The Week

Alle auf einen Blick unter fm4.orf.at/artistoftheweek.

Dem norwegischen Produzenten und versatil trainierten Multiinstrumentalisten Todd Terje gelingen mit seinem eben - endlich, endlich, hört man es aus jeder Ecke tuscheln - erschienenen Debütalbum diverse erfreuliche Kunststücke. Und dabei ist die Angelegenheit stets von dieser verflixten Aura des Mühelosen und Unverkrampften umgeben, die diesem gut gelaunten Scherzkeks auf Schritt und Tritt zu folgen scheint.

Todd Terje behauptet mit seinem ersten Longplayer recht frech und stolz die nach wie vor bestehende Wichtigkeit der Idee "Album" und ist damit erfolgreich. Gleichzeitig wischt er mit einer gleitenden Handbewegung und einem genau richtig dosierten Zwinkern im linken Auge den ganzen Bedeutsamkeits-Zinnober um Darreichungsformen und Formate wie nebenbei vom Tisch.

Todd Terje

Todd Terje

Todd Terje

Terje befreit mit seiner Platte geschmeidige Lounge-Musik und Nebenbei-Listening-Muzak für die Cocktailstunde und für den Supermarkt für kurze Zeit von ihren Stigmata. Er bricht eine zärtliche Lanze für eine mit großem Wissen, mit Bildung und Geschick praktizierte Musikalität, ohne dabei den spießigen Zeigefinger eines Gitarrenmagazin-Lesers zu bemühen, er bleibt im Herzen Punk, ein freundlicher. Zudem ist Terjes Album, das genau den Titel hat, den es haben muss, nämlich "It's Album Time", ein sehr feines geworden.

Gut zehn Jahre hat sich der in Oslo beheimatete Musiker und Alleskönner Terje für "It's Album Time" Zeit gelassen. Bereits 2004 ist sein erster Track erschienen: "Eurodans" - damals schon, heute noch, ein Klassiker. Freilich ist Todd Terje in der Zwischenzeit nicht faul gewesen. Diverse EPs und Singles hat er veröffentlicht, vor allem als Schallplattenunterhalter hat er die Welt umrundet und in dieser Mission eher die kleineren Clubs als die großen Festivalbühnen mit seiner überdrehten Mischung aus Disco, cheesy Softrock, Kraut, Funk und quirligem House bespielt.

Einen besonders guten Namen hat sich Todd Terje über die Jahre durch die Fertigung unzähliger Remixes und Edits gemacht: An Michael Jackson hat er Hand angelegt, Klassiker von Diana Ross, Chic, den Bangles und vielen, vielen anderen hat er mit sensiblen Fingern für den Dancefloor neu auffrisiert.

Dass er zwei Tracks für das letzte Album von Franz Ferdinand mitproduziert hat sowie die Tatsache, dass sich das Team von Robbie Williams 2012 für dessen Comeback-Single "Candy" ganz ungeniert an Terjes "Eurodans" bedient hat, sind da bloß zwei gar nicht sonderlich spannende Fußnoten im Leben eines vielbeschäftigten Künstlers, der sich um den Starfaktor kaum kümmert. Interessanter und aussagekräftiger ist, dass Todd Terje vor Jahren bei einem DJ-Gig in einem doch recht schicken Wiener Innenstadt-Club das Stück "Eich Dodln Gib I Gas" von Herrn Austrofred in sein Set geschmuggelt hat. So ein Typ ist das.

Das Intro zum Album "It's Album Time" gibt als varieté-hafte Quatsch-Ouvertüre den Ton für die kommende Stunde vor. Am Ende des Stücks steht eine Explosion, wie geradewegs aus einem Cartoon gesampelt. Es folgt eine aberwitzige Nummern-Revue, deren Fundament erwartungsgemäß Disco ist. Auch wenn Terjes Überhit "Inspector Norse" (neben drei weiteren älteren Stücken) hier noch einmal vertreten ist - warum auch nicht? - der Dancefloor ist meist Nebensache.

Todd Terje

Olsen

"It's Album Time" von Todd Terje ist bei Olsen erschienen.

Es gilt Siebziger-Jahre-Synthesizer-Musik zu erleben, weichgezeichnete Soundtracks, die eine harmlose Sex-Klamotte über eine Safari zum Mond begleiten. Motive aus einem Achtziger-Krimi in lachsfarbenen Sakkos, dann wieder lasziv perlenden Spionage-Jazz wie aus der Feder Henry Mancinis. Dazwischen schiebt Todd Terje zischelnde Exotica im Andenken an Martin Denny, allerlei Percussions, Geklapper, Geflöte, Vibraphon und eine Trompete.

Aufwändig gearbeitetes Easy Listening für die Strandbar, in der alle Besucher irgendwie nervös sind. Aufgebrachte Entspannungsmusik für den Fahrstuhl. Den besten Fahrstuhl der Welt. Dann albernes Party-Geklimper.

Und dann gibt es da neben all dem instrumentalen Wahnsinn ein einziges Stück mit - abgesehen von diversem Gemurmel und Gesumme da und dort - echtem Gesang. Eine auf ewige sechseinhalb Minuten gedehnte Coverversion von Robert Palmers Hit "Johnny and Mary". Die Stimme kommt von niemand geringerem als Gentleman-Schlitzohr Bryan Ferry. Ein anderer hätte auf dieser Platte, die Eleganz, Würde, Schalk und Schabernack so wunderlich durcheinanderwirbelt, auch gar nicht Platz.

Dabei verkommt "It's Album Time" jedoch nie zum bloßen Gag- oder Novelty-Unternehmen. Geschickt jongliert Todd Terje mit Symbolen der Musikgeschichte, mit Leichtigkeit, mit Liebe.