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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 4. 2014 - 22:51

The daily Blumenau. Weekend Edition, 06-04-14.

Der 3. Weltkrieg. Warum jene, die kein Problem mit nicht-demokratischen Systemen haben, vielleicht schon in der Mehrheit sind.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Keine Zeit für den eleganten, mit Seitenhieben gespickten Einstieg über den aktuellen Immobilien-Standard, sondern gleich zum medienkritischen Post des Biber-Chefredakteurs; sie wollen eh dasselbe mitteilen: dass die menschliche Angewohnheit anzunehmen die anderen wären mehrheitlich so wie man selber, eine ebenso ewige wie teuflische Falle ist.

Und im Fall des Wahlerfolgs von Recep Erdogan ist das auch medienpolitisch relevant. Simon Kravagna gibt Social Media die Schuld daran, dass die West-Medien (vor allem die in Österreich) ein falsches Bild vermittelt hätten, was die Stimmungslage in der Türkei betrifft. Der dasbiber-Gründer lebt diesbezüglich natürlich in einer Luxus-Situation: er bekommt die seismografischen Eilmeldungen mittels seiner Reaktion frei Haus; wiewohl es natürlich auch gefährlich wäre den Brunnenmarkt als unfehlbare Exit-Poll-Area hochzustilisieren.

Trotzdem: nicht das Umfeld des Journalismus, nicht die Kontakte in offiziellen und informellen Positionen sind wahlrelevant, sondern die Basis, das unbekannte Wesen. Und so staunt Österreich über den Wahlsieg Erdogans, wie über den Wahlsieg Putins oder den von Bush oder den von Strache. Weil die Hochrechnung des eigenen, intellektuelleren, vielleicht auch zivilisierteren Umfelds da nicht greift.

Dass diese Falle jedes weitere Mal auf immer wieder gleiche Art zuschnappt, zeigt dass die Recherche-Strukturen der hiesigen Medien vorsichtig gesagt überprüfenswert sind. Und dass simpler Populismus, Arbeitsbeschaffung, Autobahnbau und plumper Nationalismus bessere Stimmenkeiler sind als vage Ansagen einer zunehmend die Kontrolle an die Wirtschaftsplayer verlierenden (bereits verloren habenden) Kaste an Politikern demokratischer Grundprägung.

Im selben Biber-Heft (das große Probleme mit der Anbiederung an den Sultan und seine in Österreich starke Fanschaft hat und partiell in eine Demutshaltung sinkt) findet sich auch eine nicht untypische (so ähnlich auch schon gehörte) Ansage von zwei jungen Burschen: "Wenn es einen 3. Weltkrieg gibt, wird Erdogan ihn gewinnen, 20 Millionen junge Leute stehen hinter ihm."

Abgesehen davon, dass der nächste Weltkrieg nicht durch Menschenmaterial auf Schlachtfeldern gewonnen werden wird, und abgesehen davon, dass die Türkei - wie immer - ein recht randbeteiligter Player sein würde: da ist schon was dran.
Diese Haltung eint nämlich große Teile der Welt; nicht nur die der Jugend; und nicht nur die im Osten oder Süden, sondern auch mitten in Europa.

Und natürlich sind es diejenigen, die von den Medien nicht wahrgenommen werden, weil sie keine Player sind, die diese neuen Mehrheiten so klar machen: die von den westlichen Demokratien im Stich gelassenen, die Abgehängten; egal ob als von der EU ausgeschlossene, oder abgehängte Mittelklasse oder prekarisierte neue Unterschicht.

Es sind diejenigen, die auf Basis ihrer Erfahrungen mit der vom Turbo-Kapitalismus und der neoliberalen Finanzwirtschaft in die Handlungsunfähigkeit getriebenen demokratischen Systeme des Westens, genau gar kein Problem mehr mit undemokratischen, diktatorischen Regimen, Oligarchien, Autokratien, also Starker-Mann-Systemen aller Art haben (auch weil ihnen das Wissen um die verheerend erfolglose Vergangenheit dieser altes Gebäck neu aufbähenden Systeme fehlt).

Es sind die Fans der alten und neuen Ultrarechten inmitten der EU, es sind die Fans von Orban, Putin, Erdogan und Co, es sind jene, die sich am liebsten durch Oligarchen vertreten sehen. Das beginnt bei Felix Baumgartner und endet im anatolischen Kernland, das denkt wie Mölzer und handelt wie in der Krim-Krise.

All das, diese Grundhaltung, die autoritäre Strukturen bewusst in Kauf nimmt, solange mehr im Börserl bleibt, weniger Ausländer kommen, die Sitten nicht verfallen, so viel wie möglich beim Alten bleibt, von den Schmarotzern auf die Fleißigen umverteilt wird, aber auch die Langsamen mitbedenkt, die Sicherheit und Biederkeit größer schreibt als Internationalismus, Aus- und Weiterbildung, findet in weiten Teilen der Bevölkerung Europas, wahrscheinlich auch tief hinein bis in den arabischen Raum, nach Asien, vielleicht sogar (ich weiß es nicht) weltweit großen Widerhall.
So denkt die Mehrheit, die Masse.
Dazu wird sie, implizit, aber mit hohem Druck, auf perfide Art, von globalen ökonomischen System hingedrängt.

Diese Denkungsart findet aber keinen Widerhall im medialen westlichen Mainstream, auch in Österreich. Sie kommt dort nur als Pfui-Gack vor, als No-Go-Areal, das sowieso niemand betreten kann, der bei Sinnen ist. Bis auf die die gezielt gesetzten Provokationen der Ultranationalen und Ultrarechten, bis auf ein paar untiefe Foren-Rülpser bekommt dieses planlose Umsichschlagen keine Plattform. Die sie dringend brauchen würde, um sich einmal abzugleichen, auszutauschen und vielleicht festzustellen, dass praktisch alle Forderungen und Willensbekundungen einander widersprechen und keinerlei selbstloser Heiland in Sicht ist, sondern nur politische Abkassierer, klassische Bauernfänger.

Was stattdessen passiert sind die gut gemeinten Mitteilungen der Mainstream-Medien, die ihre (mit den aktuellen Mächtigen akkordierte) Sicht der Dinge als Normalität festlegen und jedes zuwiderlaufende Gezwiderwurze als absurd abtun. Was es moralisch auch sein mag; trotzdem bedarf es einer Beschäftigung mit dieser zunehmend widerlicher werdenden Realität.

Was die Medien als Common Sense ausgeben ist längst eine abgelaufene Phrase ohne Rückhalt, eine blasierte Fantasie, wishful thinking.

Solange sich die Zivilgesellschaft medial einbunkert und über großflächige Putin-Unterstützung und Siege von Orban und Erdogan wundert, sich auf die Stirn tippt, wie deppert man sein kann, solange werden wir in einer zunehmend weiter abgekoppelten Parallel-Welt leben, in einer nur noch für eine immer schmaler werdende Schicht gültigen demokratischem System, das schon am Brunnenmarkt keine Gültigkeit mehr hat, mehr haben kann.

Der 3. Weltkrieg, von dem die zwei Dodeln aus der Biber-Umfrage da geprahlt haben, ist kein Krieg, sondern eine schleichende Umgestaltung unserer politischen Systeme; und bereits im Gange. Und wird schon bei der bevorstehende EU-Wahl aber sowas von deutlich sichtbar werden.