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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

6. 4. 2014 - 14:45

Tanz an der Kante

Der Song zum Sonntag: Swans - "A Little God in My Hands"

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Bevor sie jetzt dann bald endlich in all ihrer Schande verfallen kann, hat die Welt noch genau darauf gewartet: Einen Funk-Track der New Yorker Band Swans. Ein fast schon tanzbares Stück von diesen ungnädigen Göttern des Zorns, die schon seit über dreißig Jahren die Mieselsucht und den Schmerz in Form zerstörerischer Donnerwolken auf eine mindere Menschheit hinabschicken. Musik, die oft zu großen Teilen aus Lärm besteht, aus ewig das Gemüt schleifenden Drones und dissonant aufjaulenden Gitarren. Eine das Fleisch bis aufs Letzte beanspruchende Schweißanstrengung am Schlagwerk, Scheppern, Poltern, Metall auf Metall, Scherben. Arbeit mit dem ganz großen Abrisshammer im tiefsten Erzgebirge, dann den Gong neu zurechtbeulen.

Swans

Swans

Auch soll Michael Gira, Mastermind, Frontmann und musikalischer Direktor der Swans, nicht unbedingt ein Mann sein, mit dem es sich besonders amüsant Küchelchen essen ließe. Legendär ist ein Interview Giras, in dem er sich keine Mühe gibt, zu verschleiern, dass er die Gruppe Sonic Youth, in den frühen Achtzigern Weggefährten der Swans, mittlerweile wohl als gar zu kommerziell empfindet. Privat aber, wenn er nicht gerade von dummen Journalisten getriezt wird, ist er sicher ein ganz Lieber.

Über die Jahre haben Gira und seine Kollegen daran gearbeitet, schrill zitternden No Wave, Postindustrial und die unwirtlichsten Auswüchse von Postpunk in immer neue Gefäße zu füllen. Man verhandelte biblische Themen, Wut, Verzweiflung, Fäulnis im Hirn, Plagen im Herzen. Es wird kein kompletter Zufall sein, dass der Begriff "Swansong" ein Stück Musik beschreibt, das den Untergang und das Zuendegehen begleitet.

Zunehmend wirkten in das Schaffen der Band Einflüsse von verbitterter Americana, von Todesblues und Begräbnis-Folk hinein - was zu einer giftigen Wechselbeziehung zwischen Endzeit-Songwriting und zähflüssigem, oft ewig vor sich hinbrummendem Noise führte, die 2012 in dem Doppel-Album "The Seer" gipfelte, dem kaputten Opus Magnum der Swans. An Popularität schienen die Swans nie interessiert, so wuchs im Schatten freilich eine große Gefolgschaft, die nach wie vor zuvorderst die Ablehnung der Kategorie "Mainstream" eint. Selten ist die Musik der Swans lustig, auch wenn in den Tod, Teufel und Blut beschwörenden Texten Giras oft Humor mitschwingt. Da und dort sind der unbedingte Wille zur Argheit und das vorgelebte Dasein als Wüterich im besten Sinne albern.

Einen ersten Vorgeschmack bringt der nebenstehende Clip: Das wunderbare, schon auch gut ein bisschen verstörende Album-Artwork zu "To Be Kind" kommt in sechs verschiedenen Versionen und stammt von Bob Biggs

Anfang Mai soll mit "To Be Kind" das dreizehnte Studioalbum der Swans erscheinen und wie schon "The Seer" mit gut zwei Stunden Spieldauer kein leises Häppchen für Zwischendurch werden. Der gerade veröffentlichte Song "A Little God in My Hands" jedoch zeigt die Band locker wie kaum zuvor. Dass die Swans mitunter am besten sind, wenn sie einen Mittelweg beschreiten, mag sicherlich nicht zu der Sorte von Nachricht gehören, die Michael Gira mit besonders großer Freude in Empfang nimmt. In "A Little God in My Hands" finden aber viele der Qualitäten der Band auf einnehmende Weise zueinander. Weh tut bei den Swans auch die Balance noch.

Das Stück eiert monoton auf einem verbeulten Groove dahin, Gira ruft wieder einmal die großen Themen an: Gott, Lamm, Universum. Stimmlich befindet er sich in "A Little God in My Hands" in Nachbarschaft der quäkenden, mantra-haften Phrasierung, die Nervensäge John Lydon nach der Zeit mit den Sex Pistols gerne in seiner Gruppe Public Image Ltd. bemühte. Eine Band, die schon in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern die tiefbassige Macht von jamaikanischer Dub-Musik mit den Mitteln von Postpunk und der Aura einer verfallenen Fabrikshalle großartig anstrengend neu deutete. Ähnliches geschieht in diesem Song der Swans.

Annie Clark, besser bekannt als St.Vincent, steuert Background-Vocals bei. Natürlich muss das Stück dann - wir befinden uns bei aller Tanzbarkeit schließlich doch in einer Nummer der Swans - von Störgeräuschen durch- und zersetzt werden: Windschiefes Getröte, elektronisches Fiepsen und Pfeifen. Der Song geht in einem großen rauschhaften Getöse zugrunde, am Ende, kurz, nichts sonst ist übrig, hören wir eine einsame Gitarre. Alles wird in Flammen stehen. Einmal noch auf den Dancefloor, schnell.