Erstellt am: 5. 4. 2014 - 14:42 Uhr
"Vergiss nicht das Salz auszuwaschen"
Mairisch Verlag
Kimchi ist ein allgemeiner Begriff für gewürztes, fermentiertes Gemüse, meist Chinakohl, und das koreanisches Nationalgericht. Man isst es gerne morgens, mittags und abends. So wie wir auf Reisen oft knuspriges, schmackhaftes Schwarzbrot vermissen, vermissen Koreaner im Ausland meistens ihr Kimchi. So erging es Sohyun Jung, einer jungen Koreanerin, die nach Hamburg gegangen ist, um dort Comiczeichnen zu studieren. Offensichtlich mit Erfolg, denn für "Vergiss nicht das Salz auszuwaschen: eine kleine Reise in die koreanische Küche" wurde sie mit dem Afkat, dem Hamburger Graphic-Novel-Förderpreis, ausgezeichnet.
In "Vergiss nicht das Salz auszuwaschen" beschreibt Sohyun Jung, wie es ihr am Anfang in Hamburg erging. Alleine in einer völlig fremden Kultur, ihre einzige Verbindung nach Hause der Videochat auf ihrem Laptop, über den sie regelmäßge Anrufe ihrer Mutter erhält. Die traut ihrer Tochter nicht zu, alleine in der Fremde zu überleben und leidet an der für alle Mütter typischen Angst, ihr Kind würde ohne ihre Hausmannskost verhungern. Am liebsten würde sie durch den Laptop zu ihrer Tochter kommen oder noch besser, diese nach Hause zurückholen.
Mairisch Verlag
In schwarzen und blauen Tuschezeichnungen illustriert
Sohyun Jung ein Gefühl kultureller Verlorenheit. Besonders das heimische Kimchi geht der jungen Studentin schmerzlich ab, aber ein annehmbarer Ersatz scheint in ihrer Hamburger Umgebung nicht erhältlich. Also sieht sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben gezwungen, Kimchi selber herzustellen. Ihre Mutter möchte sie allerdings nicht in dem Glauben bekräftigen, sie könne nicht ohne den mütterlichen Beistand zurechtkommen. Sohyun Jung konsultiert die zwei großen Weisen des Abendlandes: Google und Youtube. Das, was sie nach den Anleitungen von dort fabriziert, schmeckt allerdings scheußlich und gar nicht nach dem, was sie von zu Hause kennt. Erst duch einen beiläufigen Hinweis, der dann doch von ihrer Mutter kommt (-> "Vergiss nicht das Salz auszuwaschen!"), begreift Sohyun Jung was es braucht, um gutes Kimchi zu machen.
"Vergiss nicht das Salz auszuwaschen" handelt von kulturellen Wurzeln, Leben in der Fremde, Abnabelung von zu Hause, aber eben auch davon, wie man das perfekte Kimchi herstellt, und bietet dazu ein Rezept inklusive genauer Anweisungen.
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Ein Selbstversuch
Auch ich bin aufgrund meiner koreanischen Wurzeln mit Kimchi aufgewachsen, hatte es bisher aber noch nicht für nötig befunden, mich selbst an der Herstellung dieses koreanischen Grundnahrungsmittels zu versuchen. Das Comic "Vergiss nicht das Salz auszuwaschen" hat mir nun den perfekten Anlass dazu geliefert, diese Tatsache endlich zu ändern.
*) Ich fühle mich nicht mehr bemüßigt, mich noch vom mütterlichen Rat abnabeln zu müssen. Das habe ich bewerkstelligt, indem ich aufgehört habe, Socken zu bügeln.
Nachdem ich alle Zutaten, die Sohyun Jung in ihrem Comic auflistet, daheim vor mir liegen hatte (bis auf das Kelpblatt, das habe ich nicht gekriegt, kam mir aber auch vernachlässigbar vor), wirkten die Zutaten auf mich so gar nicht vertraut. Ich konnte mich nicht erinnern, dass in unserem Kimchi daheim jemals ein Apfel oder eine Birne aufgetaucht wären. Also griff ich zu der Zutat, die ich immer verwende, wenn ich versuche ein Rezept von zu Hause zu reproduzieren: dem Handy*.
Und tatsächlich - das Kimchi-Rezept meiner Mutter weicht in einigen Punkten von dem aus dem Comic ab.
Mairisch Verlag
Ich beschließe also, beide Rezepte auszuprobieren (Bis auf die Sache mit dem Kelpblatt. Wenn ich eine Zutate erst googeln muss, kann sie nicht so wichtig sein, oder?). Die Basis beider Rezepte ist ohnehin die selbe, nämlich ein eingesalzener Kopf Chinakohl.
Die Zubereitung (easy peasy)
Der Chinakohl muss, von den äußeren Blättern befreit, geschnitten und über Nacht (bzw. mindestens acht Stunden) in reichlich Salz eingelegt werden. Am besten beschwert man das Ganze dann noch mit einer Schüssel voller Wasser. Am nächsten Tag sieht das Gemüse schon ganz anders aus. Jetzt gilt es den Titel des Comics nicht zu vergessen und unbedingt das Salz auszuwaschen und zwar solange, bis das Gemüse richtig schmeckt. Richtig bedeutet in diesem Fall, man muss das Gesicht nicht mehr verziehen, aber es ist noch ein bisschen salzig.
Conny Lee
Conny Lee
Der Chinakohl ist jetzt weich, aber beim Reinbeißen doch noch ein bisschen knackig. Jetzt geht es ans Würzen. Dafür gibt es viele leicht unterschiedliche Rezepte. Sohyun Jung würzt ihr Kimchi mit: Rettich, Frühlingszwiebeln, etwas Apfel und Birne, Knoblauch, Ingwer, Chili, Fischsauce, gesalzenen Sardellen, Klebreismehl und eben diesem ominösen Kelpblatt. Dabei handelt es sich übrigens um Algen. Meine Familie hingegen verwendet dafür Sesamöl, Chili, Sardellenpaste, Zucker, Schnittlauch und geriebene Karotten.
Conny Lee
Hier präsentiere ich stolz mein erstes selbstgemachtes Kimchi, einmal à la Lee und einmal nach dem Rezept von Sohyun Jung (ohne dem ollen Kelpblatt). Beide schmecken lecker, doch natürlich schmeckt mir das Rezept meiner Mutter besser. Aber genau darum geht es ja: Das perfekte Kimchi ist für jeden etwas anderes. Deswegen gibt es am Ende des Comics auf einige freie Seiten, auf denen man sich Notizen zu seinem eigenen perfekten Kimchi machen kann.
"Vergiss nicht das Salz auszuwaschen" ist eine Ode an das Kimchi, aber auch eine Geschichte darüber, wie man sich einen fremden Ort zum Zuhause macht.