Erstellt am: 4. 4. 2014 - 21:57 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 04-04-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Warum kein Minister manchmal besser ist als ein Minister
#machtpolitik #bildungspolitik #studierende
Gestern ist also ein in Gesetzesform gegossener, nach hinten losgegangener Versuch der alten Wenderegierung Schüssel, die Studierenden-Vertretungen zu schwächen, bereinigt worden. Das ÖH-Wahlrecht wurde wieder vereinfacht, ein paar Notwendigkeiten berücksichtigt und es kam auch zu vielen sinnvollen Neuerungen: Briefwahl, auch die FHs und Privatunis werden inkludiert, Beseitigung von Karteileichen durch Neuordnung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Studierenden, aktives Wahlrecht für Ausländer, Beschränkung der Zahl der Mandatare, neue Rechte und neue Pflichten für einzelne Uni-Vertreter, bis hin zu verbesserten Kontroll/Aufsichtsrechten etc.
Jeder einzelne Punkt dieser Novelle wirkt demokratiepolitisch sinnvoll, manche sind durch veränderte Umstände nötig, einige sind eindeutig auf Wunsch der ÖH (die durch die fünf stärksten Fraktionen an den Verhandlungen und auch bei der Präsentation vertreten war), andere wohl im Sinne des Ministeriums entstanden. Ich kann mich (seit Jahren) an keine einmütigere erinnern, die nicht auf Kosten der zu Vertretenden ging (indem sie mehr Gelder oder größere Gremien zuließ).
Moment, apropos Ministerium... Da gibt es ja aktuell keines. Die Wissenschaft, in der Fragen der Universität ressortieren, wurde vom Kollegen Spindelegger ja seiner Reform-Kosmetikerin Karmasin geopfert. Nun ist man dem Wissenschafts-Avatar von Wirtschaftsminister Mitterlehner zugeordnet; ein Witz, ein Skandal, ja.
Schön blöd, dass ausgerechnet unter/mit diesem Nicht-Minister ein überfälliger Wurf ganz nebenbei so problemlos wie schon lange nichts mehr im Hochschul-Bereich über die Bühne geht. Die ÖH hat jahrelang drauf gedrängt, unter der Verirrung Gehrer, unter dem Egomanen Hahn, unter der falschen Hoffnung Karl und auch unter dem Glasnostiker Töchterle. Passiert ist nix. Und jetzt meldet Minister Mitterlehner, dass man, was jahrelang in der Pipeline steckengeblieben war, "jetzt innerhalb kurzer Zeit geschafft" hätte. Kein Widerspruch von den widerspenstigsten der Widersprecher, den ÖH-Fraktionen.
Ich spreche jetzt nicht von Dingen, an denen viel Geld und das Wohl und Wehe von Wissenschaft,. Lehre und Forschung hängt; ich spreche von etwas, was bis 2011 massiv gestört war und dann durch einen Minister, der zwar für den Bereich zuständig war, aber weder über Mittel noch über eine politische Lobby verfügte, ein wenig aufgeweicht wurde: die Katastrophe der Atmosphäre, in der die reibungsvolle Auseinandersetzung, die zwischen Studierenden und den politisch Zuständigen stattfinden muss.
Wenn jetzt klar wird, dass es nur einen am schnellen Fortkommen der Sachfragen interessierten, politisch hochpragmatischen Nebenbei-Minister braucht, anstelle einer Position, die von ihren Amtsträgern und -innen als ideologisch ausgestellter Reizklima-Setzer definiert wurde und sich so in prinzipieller Blockade und medienwirksamem Frontgeschrei gefiel, dann würde ich dieses Modell für gleich mehrere andere solche Ressorts und Bereiche vorschlagen.
Man könnte etwa das auch für Schulfragen zuständige Bildungsministerium in das, say, Sozialministerium integrieren, dessen Leitung ähnlich pragmatisch, machtbewusst und ergebnisorientiert exerziert wird, wie das bei Mitterlehner der Fall ist. Vielleicht wäre die Bildungsreform dann schon auf einem viel besseren Weg.
Der Grimme-Preis und seine musikalische Ornamentik
#bewegtbild #fernsehen #musikrezeption
Grimme-Preis, gerade über die Bühne gegangen, 50 Jahre alt, super, weil die Perlen der Branche auszeichnende Institution. Keine Bedenken whatsoever, auch nicht gegen den österreichischen Tatort, der auch gepreist wurde (der von Sabine Derflinger, der ohne Whodunit, der mit dem bulgarischen Buben, mit der Elendsprostitution in Wien, gut gezeichnet, gut getroffen).
Ich achte bei solchen Inszenierungen ja immer auch (und immer noch) auf den Einsatz von Musik. Und erwarte mir, weil mittlerweile selbst die alte Tante Berlinale, die ihre Eröffnung ja auch live übertragen lässt, weiß, wie es geht, schon mehr als die Unterhaltungs-Big-Band des regionalen Senders. Auch wenn sie von Klaus Doldinger angeführt wird, dem Serien-Titelmusik-Schreiber.
Schon klar, dass Fernsehen Musik gerne auf das reduziert, was sie dort zu 99% ist: Untermalung für Spannungsaufbau oder Informationsweitergabne, Pausenfüller, Ornament.
Wenn dann aber der einzige doldingerfreie Show-Act des Abends von den deutschen Teilnehmern beim Songcontests (einer lahmen, tantigen Dreier-Combo) besetzt wird, stellt sich schon die Frage, ob der Grimme-Preis, also die reflektorischen Bewahrer der Leitkultur BewegtbildminusKino die Struktur einer anderen (vielleicht ehemaligen) Leitkultur, die der Popmusik, verstanden haben; oder ob sie Avanciertheit nur sich selber zutraut, von den anderen aber nur die Oberflächen wahrnimmt.
Wenn das so wäre, dann entwertet sich der Grimme-Preis nämlich in Sekundenschnelle zu einem blasierten, in Selbstgefälligkeit versunkenen Altherren-Kränzchen.
Ich gehe also davon aus, dass die ESC-Damen dem Programm "von oben" reingedrückt wurden und dass sie auch andere, zeitgemäße und grimeepreiswürdige Ideen für eine weniger großväterliche Showband gehabt hätten, aber da eben auch nicht durchdrangen. Alles andere will ich mir nicht vorstellen müssen.
Im übrigen hätte der zweite Teilnehmer mit Österreich-Bezug, der Vater von Doris Golpashins Kind, die einzige Schnittstelle zwischen Echo und Grimme, ja auch nicht irgendwas Halbgares absingen müssen, sondern seine eigene Band auf die Bühne bringen können. Die heißen Gloria, neben Klaas Heufer-Umlauf ist da auch Mark Tavassol dabei und am Samstag sind die im Flex zu sehen.
Sehr nah dran: Mattersburg unter dem Brennspiegel
#fußballjournal14
Weil ich ja gerne über die oberflächliche, unanalytische und oft inkompetente Fußball-Berichterstattung in den Mainstream-Medien koffere...
... ist es auch angebracht gegenteilige Beispiele echten Qualitätsjournalismus ausdrücklich herauszustellen/streichen.
Deshalb: Wer wissen mag, warum es im aktuell etwas gebeutelten Krisen-Standort Mattersburg so aussieht, wie es aussieht, der muss Wolfgang Weisgrams Text Götterdämmerung am Wulkastrand. Fußballprojekt am Scheideweg: Der SV Mattersburg droht durchgereicht zu werden lesen.
Weisgram erklärt das System Pucher samt Vor- und Nachteilen, ohne Hast und ohne Patina, mit Wertschätzung und Realismus. Schönster Satz: "Autokratische Systeme - und so eines ist der SVM zweifellos - entwickeln nun einmal keine Kommunikations-, sondern Kommandostrukturen"
Und das alles ganz ohne Vastic-Bashing (obwohl das, wenn es dann wirklich haarig werden sollte, auch nötig sein wird).
Weisgram weiß, wovon er spricht, er beschattet die Mattersburger seit vielen vielen Jahren, er ist deutlich zu nah dran und genau deshalb der beste Beschreiber der dortigen Zustände.