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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

2. 4. 2014 - 17:51

Sind Sie Single? Sind Sie alleine?

Haben Sie heut für mich Zeit? Dating war noch nie so einfach. Tinder sei Dank!

"2014 werde ich so viel Sex haben wie überhaupt noch nie!", scherzt meine Freundin L.

"Echt? Wie?", frage ich.

"Tinder!", ist ihre knappe Antwort und Freundin J. ergänzt: "Meine Freundinnen sudern weniger über die Liebe, weil sie jetzt Sex haben."

Nachdem ich in dieser Single-Runde die einzige war, die nicht am Smartphone nach links und rechts wischend am Tisch gesessen ist, hab ich es auch probiert und siehe da: Der Spaßfaktor und die Möglichkeiten sind enorm.

Tinder ist die ideale App zum Ausleben der Frühlingsgefühle und zum unverbindlichen Kennenlernen neuer Leute. Kritiker meinen, es ist die letzte Zuflucht hormongebeutelter Singles. Wie auch immer, es ist ein unterhaltsames Biotop für Paarungswillige.

Smartphone mit Tinder-App

Tinder

Spätestens seit den Olympischen Spielen im Februar ist die Dating-App Tinder der Weltöffentlichkeit bekannt. Denn einige OlympionikInnen haben sich via Tinder für horizontale Höchstleistungen verabredet und das funktioniert ja auch ganz einfach:

Man installiert die Gratis-App auf das Smartphone und durch die Verbindung zum Facebook-Account sieht man eines von fünf Facebook-Profil-Fotos, das Alter und den Vornamen auf dem Tinder-Display.

Die Suche geht los

Tinder findet via GPS heraus, welche potentiellen Partner gerade in deiner Nähe sind. Du siehst ihre Fotos, gemeinsame Interessen und Facebook-Freunde. Wenn er oder sie dir gefällt, wischt du nach rechts oder klickst auf ein Herz. Wenn nicht, dann wischt du nach links.

Eine Chat-Verbindung entsteht erst, wenn sich beide getindert haben, also wenn sich beide gefallen.

Das klingt jetzt alles super oberflächlich. Deshalb räumen Robert Glashüttner und ich jetzt mit den gängigen Tinder-Vorurteilen auf:

"Das ist ja nur eine Fickplattform!"

Das kann für einige sicher zutreffen, aber prinzipiell ist Tinder das, was du draus machst. Wenn bei einem Tinder-Date der Funke nicht überspringt, dann passiert auch nichts. Ich kenne Leute, die mit ihren Tinder-Dates einen One-Night-Stand hatten, der zur Aufnahme ins Bootie-Call-Register oder zu einer Affäre geführt hat. Aber ich kenne auch ein paar glückliche Pärchen, die sich via Tinder gefunden haben. Alles ist möglich.

"Da sind ja nur Creeps und allgemein seltsame Menschen, wie auf vielen anderen Datingportalen."

Auf Tinder tummeln sich alle möglichen Menschen: interessante, weniger interessante und natürlich auch ein paar Psychos und Sexmaniacs. Aber das merkst du ziemlich schnell im Chat, wenn der Typ oder die Typin nur Blödsinn oder schräge Sachen schreibt. Verglichen mit anderen Dating-Portalen sind die Leute bei Tinder noch relativ jung – also 18 bis 30 Jahre alt.

"Man soll sich doch im richtigen Leben kennenlernen!"

Die Trennung zwischen online und offline Leben ist mittlerweile obsolet. Ich hab ehrlich gesagt keine Lust mehr auf blöde Anmachsprüche beim Weggehen. Bei Tinder ist dein Gegenüber meistens nüchtern und im Chat lernst du die Person schon ein bisschen kennen und entscheidest dann, ob du ihn oder sie treffen willst oder nicht. Man siebt quasi aus und spart sich somit einiges an Nerven.

"Das dient ja nur zum Egostreicheln, damit man möglichst viel Verbindungen hat. Damit passiert dann ja eh nichts."

Das stimmt zum Teil. Ich kenne Frauen, die offen zugeben, dass sie auf Tinder nur ihr Ego befriedigen wollen. Aber es ist schon so, dass man nicht mit jedem Tinder-Match Kontakt hat und man trifft sich auch nicht mit jedem.

Robert Glashüttner über Tinder-Vorurteile:

"Tinder ist extrem oberflächlich."

Warum, weil du von den Menschen, die du dort zu Gesicht bekommst, nicht gleich ihre Lieblingsspeisen erfährst und dass sie schon mal in Thailand waren? Einige Dinge kannst du dir eh schon von den jeweiligen Fotos zusammenreimen. Wer mit Sonnenbrille vorm Strand post und gerade beim Klettern ist, wird vermutlich nicht der zurückgezogene TV-Serien oder Games-Geek sein. Und was das sogenannten „Leften“ und „Righten“ betrifft, also die Auswahl, ob man jemanden heiß findet oder nicht. Das machst du auch ständig, im sogenannten wirklichen Leben, schon seit Jahren. Bei Tinder steht man bloß dazu.

"Keiner erfährt von meinen inneren Werten und meiner Intelligenz!"

Wie so oft gilt: Ein Foto sagt mehr als tausend Worte. Bei mehreren Fotos potenziert sich die Aussagekraft. Wenn du mit Duckface, Bierflasche oder ausschließlich in affigen Hüpfposen zu sehen bist, wird der Ersteindruck dementsprechend ausfallen. Pseudokluge Sprüche oder Zitate lassen dich meistens auch mäßig interessanter wirken. Was immer geht und schon viel angenehme Ausstrahlung vermittelt: Normale, nette, coole Fotos von dir, wo man dich gut sieht, und wenn es sein muss, einen lustigen, kleinen Beschreibungstext. Tinder ist deshalb anders als andere Datingplattformen, weil hier weniger meist wirklich mehr ist.

"Ich gebe bei Tinder so viele Daten preis und weiß nicht mal, was die App technisch genau macht."

Kurze Antwort? Stimmt. Aber wenn du schon Facebook regelmäßig benutzt, was für Tinder ja notwendig ist, hast du dich damit in gewisser Weise ohnehin schon arrangiert. Die App ist sehr aufgeräumt, man kann wenige Einstellungen vornehmen und erfährt kaum technische Hintergründe. Dafür nervt Tinder auch nicht mit Werbung, seltsamen Pop-Ups oder unseriösen Bezahlmodellen. Es ist eben wie bei Facebook: Du kannst es gratis benutzen, es muss dir aber bewusst sein, dass deine Daten gesammelt und ausgewertet werden. Von NSA-Methoden ist aber hier keine Rede, außerdem interessiert die sich wohl nur mäßig dafür, ob du brünette Frauen oder gut trainierte Typen heiß findest.

"Auf Tinder sind ja nur lauter Hipster."

Das ist genauso richtig, wie wenn man sagen würde, auf Facebook sind nur Studenten. Du wirst dich wundern, wie sehr du in deiner eigenen sozialen Blase lebst, nachdem du Tinder mal ein paar Tage und Wochen regelmäßig benutzt hast. Es ist hier wie in der Volksschule: Kinder bzw. Menschen von überall her werden wild und bunt zusammengewürfelt. Du siehst viele Frauen im Dirndl mit Pferden und Hunden, Männer in Tracht, Menschen mit alkoholischen Getränken oder manchmal sogar einer Schusswaffe in der Hand. Zwischendurch kommen aber immer wieder auch mal sympathische, gut aussehende Menschen, versprochen. Deine eigenen Ausschlussgründe wirst du recht schnell entwickelt haben.