Erstellt am: 2. 4. 2014 - 19:53 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 02-04-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
#fußballjournal14
Wann ist der beste Zeitpunkt eine Fußball-WM einzuläuten?
Was feststeht ist, dass am 12. Juni das erste Match stattfindet. Wann aber läutet man eine Fußball-WM medial ein? Was ist der optimale Zeitpunkt um nicht zu spät hinterherzuhecheln aber auch nicht zu früh in öffentliches Desinteresse zu kippen?
Normalerweise ist das Erscheinen des jeweiligen Panini-Sammelalbums das sicherste Zeichen dafür, dass es ab jetzt kein Entrinnen mehr gibt. Aber: die Sammler (zumeist Buben zwischen 8 und 13) sind jetzt kein Gradmesser für echtes inhaltliches Interesse; und bis auf die "Welcher Panini-Kicker schafft es nicht in die Auswahl seines Landes?"-Frage (für die ich schon nach nur fünf Päckchen mindestens ebensoviele Kandidaten habe) hat das Bilderklebe-Ding auch keine echte Relevanz.
Insofern: Panini schön, aber als Startschuss zu früh.
Obwohl ich mich jetzt schon zum zweiten Mal (und der erste Sündenfall war Prä-Panini) dabei ertappe mir Gedanken dazu zu machen (Fall 1 war die Erörterung der Frage wie in einem fußballerischen Zeitalter in dem alle alles über alle anderen wissen, trotzdem der Faktor Momentum eine entscheidende Rolle spielen wird bzw. welche Voraussetzungen eine erfolgreiche WM garantiert verhindern/stören würden; Fall 2 begann mit der Frage, ob es diesmal erstmals so kommen können würde, dass ein europäisches Team auf amerikanischem Boden gewinnen könnte und uferte dann aus...) und daraus gedanklich schon erste Rohskizzen für eine Fußball-WM-Journale zu machen.
Von dem, was in Punkto soziale Spannungsfelder in Brasilien rund um die WM alles passiert oder noch passieren wird, gar nicht erst zu reden.
Letztlich gibt die FIFA auch da den Terminplan vor. Am 13. Mai, also 30 Tage vor Turnierbeginn muss eine vorläufige Spielerliste mit 30 Spielern eingereicht werden. An den finalen 23 können die Trainerstäbe dann noch bis zum 2. Juni herumdoktern.
Ganz konkretes hat also erst ein Monat davor Sinn, so etwas wie gezielte Aussagen zu wahrscheinlicher Vorgangsweise sind erst nach Bekanntgabe der tatsächlichen Kader möglich.
Ich befinde mich also jetzt schon zwischen Skylla (im Trüben fischen vor dem 13. 5., Rechnungen mit vielen Variablen vor dem 2. 6.) und Charybdis (alles schnell und userüberfordernd in den Juni reinstopfen). Und bin trotzdem deutlich gespannter darauf als auf nationale Vereins-Meisterschaften oder sagen wir die aktuelle Champions League-Saison...
Was mich direkt zum nächsten Kapitel führt...
Das ganz normale Genörgel um was Neues madig zu machen
... findet im Bereich internationaler Fußball gerade eben zum Thema Nations League statt.
Die UEFA hat vorige Woche angekündigt die Länderspiel-Termine abseits der Pflichtspiele (Qualifikationen für Euro und WM) nicht mehr als vereinzelt vor sich hin wabbelnde Test/Freundschaftsspiele frei floaten zu lassen, sondern zu bündeln, indem sie einen in Permanzenz tagenden Zwischendurch-Bewerb einführt, einen nach Stärke gestaffelten Nationen-Cup. Die klassischen Tests vor Turnieren oder in Winter/Sommer-Spielpausen bleiben davon unangetastet.
Die genauen Ideen und Durchführungsvorschläge für die Nations League sind, zugegeben, noch ein wenig unausgegoren und wirr. Der grundsätzliche Plan aber hat was: aus sportlich total irrelevanten Testspielen werden halbrelevante Begegnungen von Teams auf Augenhöhe, die über ein permanentes Ranking ein neues, auch Nationalteams noch stärker tragendes Selbstbewusstsein befördern.
Die meisten kleineren Player, so wie auch der ÖFB freuen sich, die großen Verbände nörgeln herum, auch weil sie ihre Freundschaftsspiele bislang schon gut vermarkten/kaufen konnten. Aber wie schon in der Champions League bedenkt das Platini-Regime die Aufwertung der Kleinen mit und stellt deren Interessen vor die der eh schon gut Gepolsterten.
Dagegen sind auch einige der Ligen, natürlich die DFL, in deren heimlichen Zentralorgan, dem Kicker schon die Anti-Kommentare glühen. Die führen sich selbst vor, weil sie das Schlagwort von der Mehrbelastung dort rausholen, wo es nicht um eine Vermehrung, sondern um eine neue Sinngebung vorhandener Spiele geht.
Natürlich sind auch die Mainstream-Medien dagegen, vom konservativen Intelligenzblatt bis zur U-Bahn-Zeitung, weil dieser neue Bewerb die eh schon bizarre Unverständlichkeit der Gegenwartskultur noch erhöht und den alles zunehmend aufs Allersimpelste reduzierenden Journalismus damit überfordert.
Aber noch kurz zur These vor allem der deutschen Bundesliga-Vertreter. Die sagen in ihren Abwehrmaßnahmen (und ich schätze, sie glauben das auch), dass eine weitere Belastung das Rückgrat, die Basis des Fußballs, nämlich ohnehin schon belasteten Vereine treffen würde.
Diese Argumentation erinnert natürlich an das automatische Gejammer der Wirtschafts-Interessensvertreter, das bis runter zur Mariahilferstraße immer gleich ist.
Nur: in diesem Fall ist das Zu-kurz-Greifen nicht so gut sichtbar, weil hinter einer Duftwolke von Tradition und Folklore versteckt.
Es sind sehr wohl die Vereine die Träger der Core-Fußball-Kultur. Alles, was über Ultras, Kuttenträger und in den jeweiligen Farben geborene hinausgeht, die von Familien und eventverlockten gefüllten Stadien, von Medienpräsenz bis Sponsor-Finanzierung, von Liga-Gigantomanie bis zum internationalen Geschäft, wird aber nicht von den Clubs getragen. Außerhalb von Frankfurt oder Freiburg kennt niemand mehr als zwei Spieler dieser Bundesliga-Mannschaften (gilt auch für Westbrom oder Norwich, für Espanyol oder Malaga).
Was den Fußball im über die Core-Fans hinausreichenden Mainstream bekannt macht sind die Stars aus den Nationalmannschaften, die sich in Länderspielen präsentieren, bei Turnieren zu Helden werden. Selbst die Cracks bei Bayern sind in erster Linie als Nationalspieler bekannt.
Auf den Nationalmannschaften baut das riesenhafte Business-Modell Fußball auf, nicht auf den Ligen, so groß sie auch sein mögen.
Sich auf die Core-Funktion der Vereine zu berufen heißt sich als Randsportart zu definieren. An dieser Grenze wird der Unterschied zwischen Insider-Sport und Spektakel für die ganze Familie, die gesamte Medienwelt gemacht.
Das ist bei kleineren Nationen wie Österreich vielleicht noch augenfälliger als in Deutschland - strukturell sind die Anlagen aber dieselben.
Die Vereine, und ihre (mittlerweile vom ehemaligen Liga-Vorstand Georg Pangl als Generalsekretär geführte) Vereinigung der europäischen Profi-Ligen (EPFL) täte also gut daran, den auf bodenloser Gier basierenden Uli-Hoeneß-Kurs zu verlassen und die ökonomische Basis des verdammt interdependenten Wirtschaftsfaktors Fußball nochmal in Ruhe einzuschätzen.
Verspätete Versprechungen und implizite Eingeständnisse
Bei der erwähnten Vorstellung der Nations League lieferte der ÖFB auch eine neue UEFA-Resolution zum Thema Integrität mit. Die versucht die aktuell aufgetretenen Vorfälle rund um Spiel-Manipulationen und Matchfixing auf vereinheitlichende Punkte zu bringen.
Und in diesem Zusammenhang stellen sich Fragen.
In Punkt 5f etwa wird gefordert "sicherzustellen, dass neben Einzelpersonen auch Klubs zur Verantwortung gezogen und bestraft werden können, falls im Namen des Klubs handlungsberechtigte Personen an Spielmanipulationen (...) beteiligt sind."
Und in Punkt 8 heißt es, dass Verbände Spielmanipulationen "unverzüglich, und bevor das Ergebnis eines staatlichen strafrechtlichen Verfahrens bekannt ist, zu verfolgen." Auch sollte man Verfahren durchführen, wenn die Betroffenen das Land und somit die Gerichtsbarkeit verlassen hätten.
Klar, das sind Punkte für eine bessere Zukunft,
Aber es sind auch Punkte die Versäumnisse des ÖFB und der Bundesliga im Nachhinein eindeutig als Fehler ausweisen und retrospektiv anprangern.
ÖFB und Liga sind nämlich erst im Fall Taboga, als man das Glück einer Kronzeugen und einer klaren Sachlage hatte, wirklich aktiv geworden. In den Fällen davor, sowohl im Fall Majstorovic, als auch im Fall Beciri, in immer noch nicht näher benannten Fällen aus dem Konvolut der Staatsanwaltschaft Bochum rund um die Brüder Sapina und auch älteren Fällen (in Österreich betrifft das die Spielmanipulationen von Bojan Filipvic und Micha Petrovic in ihren Sturm Graz-Zeiten), hatte man verzögert, verschleppt, nichts unternommen, sich auf laufende Ermittlungen ausgeredet, sich als unzuständig bezeichnet und alle Nachfragen mit der Phrase, erst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften abwarten zu müssen und der Feststellung keine Akteneinsicht bekommen zu haben, abgeblockt.
Über all diesen dürftigen Ausreden schwebte der Ungeist des Aufklärungs-Unwillens, den Liga-Präsident Hans Rinner ja heute noch ausstrahlt.
Nun, da Der gekaufte Fußball das Aufklärungs-Buch des deutschen Investigativ-Reporters Benjamin Best den in Österreich die längste Zeit geleugneten Sündenfall der Spielmanipulation von Petrovic, Filipovic und anderen Mittätern deutlich klar macht, da zumindest der Fall Majstorovic als bewiesen am Tisch liegt, wären ÖFB und Liga gut beraten zumindest im Nachhinein die Karten auf den Tisch zu legen, die Untaten öffentlich zu machen und (auch als abschreckendes Beispiel) klarzumachen, was in den nämlichen Fällen nach den heutigen, international akkordierten Standards passieren würde: Das wäre nämlich bis zum Lizenz-Entzug für Sturm Graz gegangen. Außerdem wäre auch ein klares Wort zu den eigenen Verfehlungen der Vergangenheit, zur offensiven Tatenlosigkeit, angebracht.
Sich hinter einer internationalen Erklärung zu verschanzen und zu hoffen, dass niemand nachfragt, nix passiert und keiner Verantwortung einfordert, ist zwar sehr österreichisch, entspricht aber nicht dem neuen Geist, den man hier stolz aussendet.