Erstellt am: 1. 4. 2014 - 16:23 Uhr
Hirn fein hacken

Bulbul
Nomen est omen. Hirn fein hacken.
Man fühlt sich wie Brei und hat eine etwas weiche Birne, wenn man die 10 Tracks des Albums laut gehört hat. Und ich meine RICHTIG LAUT und nicht im Kopfhörer, denn dort kommt die Breitseite des Sounds viel zu wenig zur Geltung. Und mit improvisierten Noise-Rock-Breitseiten kennen sich Raumschiff Engelmayr, Didi Kern und Derhunt, die drei Männer hinter Bulbul richtig gut aus. Seit 1996 loten sie in brachialer Manier Musik-Genres jenseits klassischer Songstrukturen aus:
Hirn fein hacken ist auf Exile On Mainstream Records erschienen.
"Du findest auf der Platte wahrscheinlich fünf bis sechs verschiedene Genres, die alle im entferntesten Sinne mit Rock zu tun haben. Aber bei Bulbul ist es einfach so, dass man sich darauf einstellen muss überrascht zu werden. Die langweiligsten Platten sind doch die, wo man nach der ersten Nummer weiß, wie der Rest klingt. Das ist doch fad!", so beschreibt Bassist Derhunt die strukturierten Lärmattacken der siebten Bulbul-Platte.

David Murobi
Auch die eingesetzten Instrumente sorgen für akustische Überraschungsmomente: neben Bass, Schlagzeug und Gitarre kommt allerhand präpariertes Instrumentarium zum Einsatz. Das Grundriff der Nummer "Fisole" kommt von einem Tennisschläger, der zu einem Monochord umfunktioniert wurde. Monochorde dieser Art sind die Spezialität von Raumschiff Engelmayr, der auch schon Workshops in Sachen DIY-Instrumenten-Bau gegeben hat:
"Die Überbleibsel dieser Workshops haben wir dann in mühsamer Kleinarbeit erlernt. Das ist ja gar nicht so leicht, denn so ein Tennisschläger hat irrsinnig viele horizontale und vertikale Saiten",
erzählt Derhunt und Raumschiff Engelmayr ergänzt:
"Man muss auch noch dazusagen, dass die Tennisschläger-Saiten elektrisch verstärkt sind und man spielt die dann so ähnlich wie eine Gitarre."

Bulbul
"Hirn fein hacken" wurde in einem alten Bauernhof in der Steiermark aufgenommen, dem Artists-in-Residence-Space Hotel Pupik. Dort lag auch einiges Klumpert herum, das sofort zum Einsatz gekommen ist:
"Alte Schaufeln und so komische Zuckerhutgussformen, die wurden dann als Percussions verwendet oder halt immer, wenn's ein Geräusch gebraucht hat. Unten im Stall ist eine alte Orgel gestanden, die hört man zum Beispiel bei 'Bomb' oder 'A to Beans'."
Die längste Nummer des Albums ist das repetitiv-mäandernde Instrumental-Stück "Kanzla". Durch die ständige Wiederholung fällt man fast in Trance. Es ist ein neunminütiger psychedelischer Post-Rock-Taumel mit einer Mission: "Es geht in dem Stück um die Entstehung von Obertönen, die eben entstehen, wenn alle Gitarristen das Gleiche spielen, auf einer Saite. Die Obertöne schwirren dann herum und dann kommt die Interpretation eines elektrisch verstärkten Daumenklaviers am Bass."
Album-Release-Madness:
Bulbul präsentieren "Hirnfeinhacken" am 9. Mai 2014 im EKH in Wien. In dieser Nacht zeigen auch Mile Me Deaf was ihr neues Album "Holography" kann.
Obwohl die Musik von Bulbul unvorhersehbar und fast chaotisch wirkt, gibt es bei der Band eine strikte Arbeitsaufteilung: Die Hälfte des Albums wurde komponiert, die andere Hälfte wurde improvisiert und es ist immer die Musik vorm Text fertig: "Die Musik geht einfach viel einfacher. Die Texte muss man aus dem Hirn heraus ziehen. Mit aller Gewalt."
Die Texte sind oft dadaistisch und lautmalerisch. Wenn es konkreter werden soll, singt Raumschiff Engelmayr auf Englisch, Deutsch oder in Mundart. Wie zum Beispiel bei "I hea eh scho lang nix mea". Ein Titel, der ausgezeichnet zum geilen Tinnitus-Basecamp von Bulbul passt.