Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die Quadratur des Freundeskreises"

Pia Reiser

Filmflimmern

2. 4. 2014 - 09:47

Die Quadratur des Freundeskreises

Aus is' und gar is': Ein Blick zurück auf neun Staffeln "How I Met Your Mother". Achtung: inklusive Finale-Spoiler und leichter Wehmut!

"I got off the plane" waren die letzten Worte, zu denen man 2004 in "Friends" eine Lachsalve abfeuerte und eine Abschiedsträne weinte, aber schon ein Jahr später begann mit "Kids, I'm gonna tell you an incredible story" eine Sitcom für all jene, die einen Fernseh-New Yorker-Freundeskreis in ihrem Leben vermissten. Hier gab es, als Ersatz für Ross, Rachel, Monica, Chandler, Phoebe und Joey, ebenfalls stets fesch gekampelte Mittzwanziger in einer weißen, heterosexuellen New Yorker Blase, in der man die Wohnungstür nie absperrt.

Für neun Jahre würden wir nun in "How I Met Your Mother" den Geschichten von Ted (Josh Radnor) lauschen, wie er seine Ehefrau kennengelernt hat. "Baaa-ba-ba-ba-ba" anstelle von "I'll be there for you" und statt aufgebrezelt mit Föhnfrisuren und bunten Schirmen vor einem Brunnen rumzuhampeln, erfasste die kurze Titelsequenz von "HIMYM" einen Rockzipfel des Zeitgeists und zeigt seine Protagonisten in nicht immer vorteilhaften Posen im Laufe eines Ausgehabends.

Bild aus dem Vorspann der Serie "How I Met Your Mother"

CBS

Der Kamera zuprostend, ein Auge zugekniffen, den Mund verzogen. Ein Vorspann wie ein Durchschnitts-Facebook-Album. Während die Aufmerksamkeitsspanne für Titelsequenzen eindeutig geschrumpft ist (der "Friends"-Vorspann wirkt, wenn man ihn heute anschaut, quälend lang und dauert mehr als doppelt so lang wie der von "How I Met Your Mother"), ist die Aufmerksamkeit, die medial Serien gewidmet wird, gewachsen.

Auch eine Sitcom, ein an sich verlachtes (sic!) Format, das mit wenigen Ausnahmen ("Seinfeld") kaum je ernst genommen, geschweige denn medial ernsthaft betrachtet wurde, wird in Zeiten, in denen es ein ödes Bonmot geworden ist, zu sagen, dass "das Fernsehen das Kino ja längst überholt hat", ohne Standesdünkel betrachtet und besprochen. Und auch wenn man nach neun Jahren Laufzeit, unzähligen Fernsehwiederholungen zu allen Tageszeiten und einigen überstrapazierten catchphrases im ersten Impuls bei der Erwähnung von "HIMYM" zu einer Gähn-Geste ansetzen möchte, so muss man sich kurz selber an der Nase nehmen und das tun, was Ted Mosby neun Staffeln lang gemacht hat: Einen Blick zurück werfen.

Zwei Jugendliche auf einem SOfa, Szenenbild aus "How I met your mother"

CBS

Are we being punished for something, fragt der junge Herr im Bild, als die Erzählung beginnt. In späteren Staffeln fühlte es sich manchmal so an.

Ted Mosby, Architect

Mit einer überlangen Kennenlerngeschichte, also der Basis beinahe jeder Rom-Com, erfand "HIMYM" das Sitcom-Rad nicht neu, drehte aber zumindest ein wenig an den üblichen Gender-Stereotypen herum. Die Figur, die hier von Ehe und Familie träumt, die alle Kennzeichen eines so hoffnungslosen wie ewigen Romantikers trägt, ist männlich. Ted Mosby glaubt an die große Liebe (und die Schönheit und Macht der Architektur). In Robin Scherbatzky (Cobie Smoulders) vereinen die Serienmacher Attribute, die in einer klassischen Rom-Com-Aufstellung wohl eher einem Mann zugeordnet werden würden: Waffennärrin, Hockeyfan, Zigarrenraucherin und alles andere als interessiert an Ehe oder Kindern.

Aber weitaus interessanter als diese kleine Umdrehung der Konventionen sind die narrativen Spompanadln der Serie: Die Erzählstruktur wurde stets aufgebrochen, Chronologie in den Wind geschossen, Flashbacks und Flashforwards wurden verwendet, Szenen wurden aus verschiedenen Blickwinkeln und in verschiedenen Formaten erzählt, eine Musical-Einlage hatte ebenso Platz wie eine Schwarz-Weiß-Sequenz im Stil einer Sitcom der 1950er Jahre.

John Lithgow und Neil Patrick Harris in "How i met your mother"

CBS

See you on the other side, Ray

Und während "Friends" zwar Teil der Popkultur wurde, war die Popkultur nie wirklich zentraler Bestandteil von "Friends"- ganz im Gegensatz zu "How I Met Your Mother", das seine Charaktere immer wieder durch Verweise auf "Star Wars", "Ghostbusters", "Karate Kid "Lethal Weapon" oder - vielleicht einer der schönsten "HIMYM"-Momente - "The Proclaimers" und ihrem Nerv-Hit "I'm gonna be (500 Miles)" - mit der echten Welt verband, einer Welt, die wir mit Ted, Marshall, Lily, Robin und Barney teilen. Und auch wenn es übertrieben wäre, die Serie zu einem Zeitgeist-Kaleidoskop zu ernennen, so erfasste sie mehr als andere Sitcoms gewisse Lebenswelten, Befindlichkeiten, die die Figuren vielleicht sogar mit ihrem Publikum teilten. Immer wieder wehte Wehmut durch die Serie, wenn es um den Bestand von Freundschaften ging, um die traurige Gewissheit, dass man manche Freunde aus den Augen verlieren wird, dass Menschen aus unseren Leben verschwinden. Ist zwar mehr Binsenweisheit als hohe Schule des Philosophierens, hat aber hohen Identifikationswert und wurde in "Gary Blauman" - einer der Episoden der finalen Staffel in einem so rührenden wie charmanten Schwenk erzählt, wie das "HIMYM" so schnell keiner nachmacht.

Cobie Smoulders in "how i met your mother"

CBS

Weiters behandelte die Sitcom Jobs als etwas, was mehr sein soll als reiner Broterwerb (alle außer Barney durchlaufen moralische Krisen, was ihre Arbeitswelten angeht) und nagen an dem Gedanken, ob man sich von den Arbeitsidealen, die man während des Studiums hatte, irgendwann verabschieden muss. Oder aber auch die Infantilisierung des Erwachsenenlebens, die kaugummiartige Ausdehnung der Adoleszenz, die sich eben auch in popkulturellen Besessenheiten äußert. Selbst wenn man eines Tages an die Grenzen dieser Ausdehnung kommt - Kreuzweh nach einer Nacht auf der Gästematratze, längere Katerphasen - so kann man sie in "HIMYM" am besten mit einem Popkultur-Zitat erklären, nämlich mit Danny Glovers Figur in "Lethal Weapon" und dem dort oftmals geäußerten "I'm too old for this shit".

Boats Boats Boats

Im Lauf der Zeit sammelt eine Serie natürlich auch genügend eigenes Material an, das sich als verweiswürdig erweist. Abgesehen von den schnell abgedroschenen catchphrases von Barney Stinson (Neil Patrick Harris), die alle bereits in der Pilot-Folge auftauchen, schuf "HIMYM" eine Sitcom-Welt, in der nach dem Abspann nicht alles wieder auf Reset geschaltet wurde und man nächstes Mal bei Null begann, sondern strickte ein stets wachsendes Universum (und schaffte es beinahe alle losen Geschichtenfäden im Finale zusammenzuführen, ich glaube, nur das Rätsel um die Ananas würden selbst die Mosby-Boys nicht lösen können). Aber dass zum Beispiel "Boats Boats Boats" ausgerechnet mit dem Captain in den Hafen der Ehe einfährt, zeigt, wie sorgsam die Schreiber der Serie mit ihren Figuren umgegangen sind.

CBS

Boats! Boats! Boats!

In den vielleicht besten Momenten verknüpfte die Sitcom eine popkulturelle Referenz mit einem Verweis auf sich selbst, das gipfelte in der tatsächlich finalen Episode in einem High Infinity zwischen Ted und Barney, vor dem beide noch aus "Ghostbusters" zitierten. (Ich will darin auch eine Verbeugung vor dem kürzlich verstorbenen "Ghostbusters"-Schauspieler und Drehbuchautor Harold Ramis sehen).

Szenenbild aus "how i met your mother"

CBS

Kurz vor dem High Infinity

ACHTUNG SPOILER!

Das "HIMYM"-Finale, die Doppelfolge, die am 31.3.2014 in den USA ausgestrahlt wurde, wurde zur Hommage an die erste Episode, ein Kreis schloss sich und ja, das, was sich vor ein paar Wochen als leise Ahnung in die ersten Recaps einschlich, wurde wahr: Tracy, so der Name der Mother, die mehr funktioneller Geschichtenbaustein als Figur war, stirbt. Wer das als Betrug am Konzept (oder sogar schon am Titel) der Serie sieht, dem setzt die Serie selbst - mit den Worten von Teds Tochter Penny - eine Erklärung und Korrektur entgegen: “This is the story of how you’re totally in love with Aunt Robin.”.

Mit der Benennung Aunt Robin, ebenfalls bereits in der ersten Folge, schied Robin ja an sich als mögliche Mutter der Kinder aus, daran, dass in der Serie noch etwas passiert, die Geschichte weitergeht, nachdem Ted die Mother kennengelernt hat, hat wohl kaum jemand gedacht. Es ist kein Bobby kommt aus der Dusche-Moment, kein Red Wedding und auch kein Rad, das eine Insel verschwinden lassen kann, aber in Sitcom-Welten gedacht ist die finale Zusammenführung von Robin und Ted nicht nur ein überraschender, sondern auch zufriedenstellender Epilog. Weil wir - wie Ted, so beschreibt ihn zumindest Tracy - vor allem beim Serienschauen Leute sind, die in Geschichten leben.

Wenn "HIMYM" etwas geschafft hat, dann unser Bedürfnis nach einer Geschichte zu befriedigen, ein Rätsel zu lösen - die Identität der Mutter preiszugeben - daran aber nicht das Ende und Katharsis der Serie aufzuhängen.

Ohne Zynismus

Zu sehen, dass das Finale zum Piloten zurückkehrt, sich an Dinge zu erinnern, die man vielleicht vergessen hatte (Robins Hunde! Das blaue Horn!) ist einerseits natürlich manipulativer, ein wenig narzisstischer Nostalgiezwang der Serienmacher, andererseits ein befriedigendes Serienende (zumindest, was den Ted/Robin-Teil betrifft). Narratives Bepanthen für all die offenen Wunden, die uns andere Serienfinale verursacht haben, auch deswegen, weil sich eben die Hochzeit (gibt es nervigere Serienhandlungsstränge als die, die sich um Hochzeiten drehen - ich glaube nicht) nicht als Ende der Geschichte zwischen Robin und Barney herausstellt und weil die Serie auch zum Schluss nochmal bewiesen hat, dass sie ein Gespür dafür hat, Tod, Trennungen und Tragödien zwischen Lachsalven in einen Sitcom-Kontext einzubetten und formatüblichen Zynismus auszulassen.

Have you met Ted lautet einer der running gags der Serie und nachdem nun mein Ärger über ein paar wirklich maue Staffeln verpufft ist, kann ich diese Frage bejahen und auch noch sagen, dass ich sogar ganz froh darüber bin.

Ein kleiner Blick zurück, 10 wunderbare Dinge an "HIMYM", garantiert "Suit Up", "Slap Bet" und "Slutty Pumpkin"-frei!

1. Jason Segel

Der Fixtstern aus dem Judd-Apatow-Universum in einer Sitcom. Das war der Grund, warum ich meinen Sitcom-Dünkel beiseite stieß und "HIMYM" eine Chance gab. Unter anderem schenkt er uns als Marshall Eriksen den schönen Satz "Let Future-Marshall handle this", ein Mantra für alle Prokrastinateure.

Jason Segel in "how i met your mother"

CBS

2. Robin Sparkles

Robins Vergangenheit als Popstar in Kanada brachte uns Hits wie "Let's go to the Mall" und "Sandcastles in the Sand" und einen superen Gastauftritt von James van der Beek.

Cobie Smoulders in "how i met your mother"

CBS

3. Die Proclaimers-Autofahrt

In Marshalls Auto ist die CD steckengeblieben und so kann man nur "I'm gonna be (500 Miles)" von The Proclaimers hören. Es folgen Begeisterung, Apathie, Hass. Und viele "Da lat da (Da lat da), da lat da (Da lat da) Da-da-da dun-diddle un-diddle un-diddle uh da-da".

4. The Wedding Bride

Eine Rom Com, in der Ted seine eigene Geschichte, wie er am Altar stehengelassen wurde, wiederfindet. Eine treffende und knappe Genreparodie mit Malin Ackermann und the douchiest catchphrases of all: "No can dosville babydoll".

5. Countdown

In der Episode "Bad News" erfährt Marshall vom Tod seines Vaters, ein Countdown von 50 bis 1 - die Zahlen sind auf Kalendern, Tafeln, Ketchupflaschen untergebracht, läuft durch die ganze Episode.

6. Pie Charts/Bar Charts

Eindeutig einer meiner Lieblingsmomente.

Jason Segel in "How i met your mother"

CBS

7. Twin Peaks

Die Serie hatte viele nenneswerte Gastrollen, aber dass mit Kyle McLachlan und Ray Wise gleich zwei "Twin Peaks"-Schauspieler ihren Weg in die Lachkonserven-Welt gefunden haben, ist beachtlich. (Weil es eine gute Pop-Quiz-Frage ist: In "Dawson's Creek" finden sich mit Madchen Amick, Dana Ashbrook und Ray Wise gleich drei "Twin Peaks"-Schauspieler.)

Kyle MacLachlan in "how i met your mother"

CBS

A real man chooses his real name (The CaptainO)

8. Swarley

Seit wir wissen, was ein Barista macht, wissen wir auch, dass dieser Berufsstand schlecht hört oder mit Vornamen einfach nicht vertraut ist. Der Umstand, dass man, wenn man sich einen Take-Away-Kaffee holt und seinen Namen sagt, seinen Namen nicht immer auf dem Becher wiederfindet, widmet "HIMYM" den schönen "Swarley"-Moment.

9. King Kong im Fernsehstudio

Ein kleiner Affe erklimmt in einem Fernsehstudio einen Pappnachbau des Empire State Building mit einer blonden Puppe im Arm, der Kameramann versucht ihn mit einem Papierflieger zum Runterkommen zu bewegen. Die schönste (und herrlich konstruierte) Homage an "King Kong" findet man in der Episode "Zoo or False".

10. Musical-Einlage

"Girls vs Suits": Ein Loblied auf den Anzug, das in einer "Jesus Christ Superstar"-artigen Manier und Massenchoreografie endet.

CBS

Bonus: Jason Segel und Neil Patrick Harris singen "Confrontation" aus "Les Miserables" bei "Inside the Actors Studio". (Danach muss man sich auch gleich wieder "Dracula's Lament" anschauen. Jason Segel könnte das Musical von seinem schlechten Ruf befreien).

Und jetzt?

Nun, was nach einem schlechten Witz klingt, ist bereits in Planung: In "How I met your Dad" wird Greta Gerwig nicht nur als Schauspielerin, sondern auch Autorin und Produzentin beteiligt sein. Bald haben wir wieder einen New Yorker Fernseh-Freundeskreis und diesmal sogar keinen rein heterosexuellen.