Erstellt am: 30. 3. 2014 - 20:45 Uhr
The daily Blumenau. Weekend Edition, 30-03-14.
Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.
Sorry, ich weiß man kann es als Foul interpretieren, aber ich muss wegen dieser Geschichte da nochmal nachtreten; ganz prinzipiell. Weil sich eine problematische Geistes-Haltung erkennen lässt.
#fußballjournal14 #ausländerpolitik
Die Wirrnisse rund um die Ambitionen von ÖFB und Aufreger-Medien, zu Helden stilisierte Legionäre (wie aktuell Soriano und Alan) einzubürgern und so nationalteamfähig zu machen, spiegeln die Komplexität der globalisierten, näher aneinandergerückten Gesellschaft ebenso wider wie die wenig beeindruckenden Fähigkeiten dieser Institutionen damit umgehen zu lernen.
Denn so easypeasy wie in alten Zeiten, als man mit Staatsbürgerschaften um sich werfen und längerdienende Legionäre nach Bedarf ins Team holen konnte, ist die Sachlage nimmer. Dafür haben sowohl FIFA/UEFA einerseits als auch die paranoiden europäischen Abgrenzungs-Gesetze andererseits gesorgt.
Verband und Medien leben aber immer noch im Bernd Krauss-Zeitalter, oder - und das ist schon der bessere Fall - in der Ivo-Vastic-Ära.
Der Dortmunder Bernd Krauss wurde 1981, nach vier Saisonen bei Rapid, eingebürgert, weil man gerade über keinen international herzeigbaren Rechtsverteidiger verfügte. Krauss absolvierte 22 Länderspiele, war auch bei der WM 82 (und bei der Schande von Gijon erste Wahl, ehe er sich wieder in die deutsche Heimat verzog, von wo aus er eine durchaus imposante, weil internationale Trainer-Karriere startete.
Krauss wurde auch deshalb sofort als "Österreicher" akzeptiert, weil er in seinem ersten Länderspieleinsatz (noch dazu gegen Deutschland, seine "alte Heimat") ein Eigentor erzielte.
Der in Split geborene (im Gegensatz zu Krauss als Trainer ausnehmend erfolglose) Ivica Vastic spielte ab 1991 in Österreich (Vienna, St.Pölten, Admira und dann natürlich bei Sturm Graz, in der Champions League-Ära) wurde nach 5 Jahren, inmitten seiner Hochblüte und angesichts der Konkurrenz von Polster, Haas, Pfeifenberger oder Wetl nicht wirklich aus Not, sondern als Luxus-Draufgabe, eingebürgert, kam auf 50 Einsätze und spielte zwei große Turniere, die von Herbert Prohaskas langjährigem Begleiter (der Übervorsicht) vergeigte WM '98 und die von Josef Hickersberger adäquat versemmelte Heim-Euro '08; dort allerdings als eher tragische Figur.
Vastic wurde vom Zentralorgan der heimischen Hausmeister, die ihre Xenophobie hinter rohem Charme nur unzureichend verbargen, der Kronen-Zeitung, während der WM anlässlich eines Tores gegen Chile mit der Schlagzeile "Ivo, jetzt bist Du ein echter Österreicher" für die Ewigkeit gebrandmarkt.
Und genau entlang dieser Narrative ist die Einbürgerungs-Strategie rund um das österreichische Nationalteam, egal ob sie vom ÖFB selber oder den Mainstream-Medien erzählt werden, angelegt: zwischen Cleverle-Augenzwinkereien und der geschickten Ausbeutung von Gastarbeiter-Images. Während sich umgekehrt etwa die Türkei oder Kroatien gezielt an die durch die ökonomisch bedingte Diaspora in ganz Europa verstreuten Zweit-Generationen-Kids wenden, begnügt sich Österreich mit dem gelegentlichen Kunstgriff.
Für den Sündenfall sorgt da die Posse um Steffen Hofmann im Vorfeld der Euro 2008. Der hätte die wichtigsten Anforderungen allesamt mehr als erfüllt (lange Anwesenheit im Land, hier verheiratet, so gut, dass er dem A-Team deutlich weiterhelfen hätte können), der ÖFB hatte aber die zwischenzeitliche Verschärfung der "Wechsel"-Kriterien durch den internationalen Verband verschlafen. Wo es früher ausreichte, kein A-Länderspiel für den "alten" Verband bestritten zu haben, wurden jetzt auch Pflichtspiele im Juniorenbereich mitberücksichtigt. Wenn sich ein Spieler erst nach dem 21. Lebensjahr für einen Wechsel der Staatsbürgerschaft entscheidet, dann verhindert ein Pflichtspieleinsatz schon bei der U17 ein Auflaufen für die "neue" Heimat-Nation.
Bei Steffen Hofmann stand eine U17-WM-Teilnahme im Weg. Die vom ÖFB und den verpartnerten Medien schon als fix herausgeprahlte Einbürgerung konnte man sich in die Haare schmieren. Zudem wurde Hofmann später vom Innenministerium mit dem Hinweis darauf, dass es ja für die Nationalmannschaft eh nicht in Frage käme, die Staatsbürgerschaft verweigert.
Seit diesem Debakel sollte eigentlich alles klar sein.
Zumal sich auch noch die heimische Gesetzeslage verändert hatte, die nachgeworfenen Staatsbürgerschaften für Künstler (Putin-Freundin Netrebko war der letzte diesbezügliche Sündenfall) und für Wirtschafts-Investoren (no na ned part of the deal) wurden rigoros eingeengt.
Der ÖFB tut sich trotzdem weiter schwer mit dem Abwägen zwischen Einsatz, Recruitment-Wille und effizienter Vereinnahmung, aber vor allem mit der Außendarstellung, vor allem in der Zusammenarbeit mit dem Medien-Mainstream.
In den beiden letzten Jahren poppten immer wieder zwei von ÖFB-Seite recht seltsam beackerte Fälle auf: der des bei Freiburg spielenden Rechtsfußes Jonathan Schmid (23, Vater Niederösterreicher, Mutter Französin) und der des Dortmund gehörenden und bei Stuttgart spielenden versatilen Mittelfeldspielers und U21-Teamakteurs Moritz Leitner (21, Vater Deutscher, Mutter Steirerin). Beide halten aktuell bei einem Transferwert von 5 Millionen Euro und wären damit hinter Alaba und Dragovic gleichauf mit Junuzovic, Harnik und Kavlak und noch vor Arnautovic, Fuchs und Co die drittwertvollsten österreichischen Kicker.
Leitner, der über beide Staatsbürgerschaften verfügt (und sich nach der neuesten deutschen Gesetzesnovelle auch nicht für eine davon entscheiden muss) war bis zur U17 beim ÖFB, ehe er beim DFB - trotz deutlich stärkerer Konkurrenz - bessere Chancen sah.
Schmid (der keine Jugend-Länderspiel-Historie hat) wurde vom ÖFB, wiewohl er bereits vor der kritischen 21-Jahre-Marke sein Interesse anmeldete, recht spät für voll genommen.
Im großen Fußball-Medien-Mainstream sind beide Fälle nie angekommen.
Als ich (wie auch einige andere Online-Medien) die beiden Fälle hier im Fußball-Journal etwas dezidierter angesprochen habe, gab es eine interessante Reaktion: der ÖFB-Sportdirektor bestand darauf, im Cafe Landtmann mit dem Rotstift über seine Ausdrucke drüberzugehen und erhob dort subjektive Ansichten zu objektiven Tatsachen, bediente sich einer Geheimdienstlogik.
Etwa dass jede Berichterstattung, jede Erwähnung in einem der beiden Fälle so kontraproduktiv für die in Wahrheit irre gut auf Schiene stehenden Verhandlungen wäre, dass die von mir angesprochene Tatenlosigkeit zwar nicht offiziell entgegnet werden könnte, aber eine Frechheit wäre.
Ich beschied mich damals mit den tröstlichen Gedanken dass ich wohl zu doof für die feinsinnige, langfristig gut greifende Strategie der ÖFB-Casting-Abteilung wäre, stelle aber fest, dass mittlerweile in beiden Fällen der Zug abgefahren ist, ohne das auch nur der Hauch eines weiteren Versuchs sichtbar wurde: Schmid würde eine netrebkomäßige, also nicht mehr durchgeführte, Schnell-Einbürgerung brauchen. Leitner habe ich beim letzten U21-Match der Deutschen mit der Kapitänsbinde herumlaufen sehen.
Stattdessen lieferte der ÖFB die in den letzten Tagen durch die Medien schwebenden Fälle der Salzburg-Stümerstars Jonathan Soriano und Alan (Douglas Borges de Carvalho) - die beide witzigerweise ebenfalls mit 5 Millionen Transferwert geführt werden.
Beide sind (deutlich) über 21, beide sind noch nicht die nötigen 5 Jahre im Land, die für eine Einbürgerung (wie sie der deutsche Ried-Torhüter Thomas Gebauer im Vorjahr erfahren hat) Vorschrift sind.
Soriano ist nicht nur über 25mal in diversen spanischen Jugendnationalmannschaften aufgelaufen (darunter auch, auf den ersten Check-Blick, bei U21-EM-Qualispielen) sondern zudem auch stolzes Mitglied des exklusiven Kreises der Nationalmannschaft von Katalonien.
Alan bestritt drei U20-Teamspiele für Brasilien, erste Hinweise, es hätte sich dabei um das Finalturnier der Südamerika-Meisterschaften gehandelt, können nicht bestätigt werden.
Soriano kommt also für genau gar nix in Frage; im Fall von Alan ist es (wenn sich die drei U20-Spiele als nicht pflichtige Tests herausstellen sollten) ab Sommer 2015 (da wäre er 5 Jahre in Österreich, vorausgesetzt er bleibt über den Sommer 2014 bei Salzburg) möglich die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Bei Soriano wäre das (Sinnhaftigkeit vorausgesetzt) noch später, erst 2017 der Fall gewesen.
Das alles ist recht schnell herauszufinden.
Umso grotesker waren die Medien-Meldungen und auch die ÖFB-Aussendungen der letzten Tage.
Denn im Gegensatz zu der geheimdienstartigen Schweigestrategie, die ich vom Sportdirektor persönlich beigebracht bekommen habe (um ja keine Milch zu verschütten) wurde hier das pure Gegenteil gepflegt: kreischige Öffentlichkeit um jeden Preis, jeder Schritt dokumentiert/kommentiert.
Wie es dazu kommen konnte, dass sich eine Diskussion vor allem über Soriano und seinen baldigen Einsatz im rot-weiß-roten Teamdress derartig verselbstständigen konnte, zeichnen die Kollegen von 90minuten.at hier in aller strengen Deutlichkeit nach.
Und landen letztlich beim eingangs beschriebenen Krauss/Vastic-Modell, dem sowohl Berichterstatter als auch die ÖFB-Spitze immer noch an-/nachhängen. Dass nämlich Einbürgerungen im Sinn der Fußball-Nationalmannschaft immer noch ein auf Zuruf zu erfüllender Klacks wäre; dass man sich nicht mit komplexer gewordenen Regulativen auseinandersetzen müsste, weil man für österreichische Angelegenheiten noch nie wirklich an Richter brauchen würde; dass man sich keinesfalls aktiv in eine Welt hineinforschen möchte, sondern weiter lieber auf das wartet, was einem von selber in den Schoß fällt.
Das alles ist keine gefährliche Geisteshaltung oder eine verbotene Denkungs-Art; es ist kein Verbrechen. Es zeigt nur wie weit das heimische Verbandswesen noch im vorigen Jahrtausend festklebt.